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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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den sein hoher Verbündeter zum Gouverneur der Stadt ernannt habe." Und
dabei blieb es auch, als die Abgesandten ihr Erstaunen über diese Sprache
ausdrückten. Noch immer überwog bei dem König die Hoffnung. Als Toll
darauf hinwies, daß diese Erklärung mit Nyssels Auftrag in offenbarem Wider¬
spruch stand, stellte Friedrich August dies nicht in Abrede, äußerte aber, er
habe geglaubt, Napoleon habe Nyssels Sendung veranlaßt. Vor einer halben
Stunde erst sei dieser, sein hoher Alliirter, bei ihm gewesen und habe ihm ver¬
sichert, daß er Leipzig nur verlasse, um im freien Felde zu manövriren, die
Stadt aber in zwei oder drei Tagen entsetzen werde.

So mußte Leipzig denn gestürmt werden. Endlich war es vollbracht.
Von unermeßlichen Jubelruf empfangen, zogen Alexander und Friedrich Wil¬
helm in die Stadt ein. Es war ein Uhr, als sie auf dem Markte anlangten.
"An der Thür seines Hauses stand der alte König von Sachsen; er ging den
triumphirenden Herrschern nicht entgegen, trat nicht aus der Flur auf die
Straße, er wartete, daß sie zu ihm herankamen. "Kalt seinen Gruß erwidernd
zogen sie ihres Weges weiter." Jetzt erst bedachte sich Friedrich August und
ließ Alexander fragen, wann und wo er ihm seinen Besuch machen könne.
Es war zu spät. Am Abend des Tages wurde ihm die Antwort, er habe in
Begleitung eines russischen Geheimraths nach dem Schlosse Friedrichsfelde bei
Berlin abzureisen. Später brachte man den Gefangenen von dort nach Pres-
burg. Seinen Thron hatte er nach dem Recht der Eroberung verloren, unter
das er sich selbst gestellt. Wie Frankreich und Oestreich bei Hardenbergs
Schwäche und Rußlands unsichrer Haltung ihm das halbe Land zurückvcrschafften,
ist früher von uns bereits ausführlich mitgetheilt worden.




Galileo Galilei.

"Wir besitzen gegenwärtig in Wünschenswerther Vollständigkeit die Quellen
für die richtige Auffassung Galileis. Vor allem ist hier die italienische Schrift
des Ritters Venturi von Wichtigkeit, in welcher neben völlig genügenden
Auszügen aus den Proceßacten eine Reihe sehr wichtiger Briefe des damaligen
toskanischen Gesandten in Rom, Niccolini, vorliegen. Aeltere Nachrichten und
die vorhandenen Briefe Galileis werden hierdurch vervollständigt, während


den sein hoher Verbündeter zum Gouverneur der Stadt ernannt habe." Und
dabei blieb es auch, als die Abgesandten ihr Erstaunen über diese Sprache
ausdrückten. Noch immer überwog bei dem König die Hoffnung. Als Toll
darauf hinwies, daß diese Erklärung mit Nyssels Auftrag in offenbarem Wider¬
spruch stand, stellte Friedrich August dies nicht in Abrede, äußerte aber, er
habe geglaubt, Napoleon habe Nyssels Sendung veranlaßt. Vor einer halben
Stunde erst sei dieser, sein hoher Alliirter, bei ihm gewesen und habe ihm ver¬
sichert, daß er Leipzig nur verlasse, um im freien Felde zu manövriren, die
Stadt aber in zwei oder drei Tagen entsetzen werde.

So mußte Leipzig denn gestürmt werden. Endlich war es vollbracht.
Von unermeßlichen Jubelruf empfangen, zogen Alexander und Friedrich Wil¬
helm in die Stadt ein. Es war ein Uhr, als sie auf dem Markte anlangten.
„An der Thür seines Hauses stand der alte König von Sachsen; er ging den
triumphirenden Herrschern nicht entgegen, trat nicht aus der Flur auf die
Straße, er wartete, daß sie zu ihm herankamen. "Kalt seinen Gruß erwidernd
zogen sie ihres Weges weiter." Jetzt erst bedachte sich Friedrich August und
ließ Alexander fragen, wann und wo er ihm seinen Besuch machen könne.
Es war zu spät. Am Abend des Tages wurde ihm die Antwort, er habe in
Begleitung eines russischen Geheimraths nach dem Schlosse Friedrichsfelde bei
Berlin abzureisen. Später brachte man den Gefangenen von dort nach Pres-
burg. Seinen Thron hatte er nach dem Recht der Eroberung verloren, unter
das er sich selbst gestellt. Wie Frankreich und Oestreich bei Hardenbergs
Schwäche und Rußlands unsichrer Haltung ihm das halbe Land zurückvcrschafften,
ist früher von uns bereits ausführlich mitgetheilt worden.




Galileo Galilei.

„Wir besitzen gegenwärtig in Wünschenswerther Vollständigkeit die Quellen
für die richtige Auffassung Galileis. Vor allem ist hier die italienische Schrift
des Ritters Venturi von Wichtigkeit, in welcher neben völlig genügenden
Auszügen aus den Proceßacten eine Reihe sehr wichtiger Briefe des damaligen
toskanischen Gesandten in Rom, Niccolini, vorliegen. Aeltere Nachrichten und
die vorhandenen Briefe Galileis werden hierdurch vervollständigt, während


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[0448] den sein hoher Verbündeter zum Gouverneur der Stadt ernannt habe." Und dabei blieb es auch, als die Abgesandten ihr Erstaunen über diese Sprache ausdrückten. Noch immer überwog bei dem König die Hoffnung. Als Toll darauf hinwies, daß diese Erklärung mit Nyssels Auftrag in offenbarem Wider¬ spruch stand, stellte Friedrich August dies nicht in Abrede, äußerte aber, er habe geglaubt, Napoleon habe Nyssels Sendung veranlaßt. Vor einer halben Stunde erst sei dieser, sein hoher Alliirter, bei ihm gewesen und habe ihm ver¬ sichert, daß er Leipzig nur verlasse, um im freien Felde zu manövriren, die Stadt aber in zwei oder drei Tagen entsetzen werde. So mußte Leipzig denn gestürmt werden. Endlich war es vollbracht. Von unermeßlichen Jubelruf empfangen, zogen Alexander und Friedrich Wil¬ helm in die Stadt ein. Es war ein Uhr, als sie auf dem Markte anlangten. „An der Thür seines Hauses stand der alte König von Sachsen; er ging den triumphirenden Herrschern nicht entgegen, trat nicht aus der Flur auf die Straße, er wartete, daß sie zu ihm herankamen. "Kalt seinen Gruß erwidernd zogen sie ihres Weges weiter." Jetzt erst bedachte sich Friedrich August und ließ Alexander fragen, wann und wo er ihm seinen Besuch machen könne. Es war zu spät. Am Abend des Tages wurde ihm die Antwort, er habe in Begleitung eines russischen Geheimraths nach dem Schlosse Friedrichsfelde bei Berlin abzureisen. Später brachte man den Gefangenen von dort nach Pres- burg. Seinen Thron hatte er nach dem Recht der Eroberung verloren, unter das er sich selbst gestellt. Wie Frankreich und Oestreich bei Hardenbergs Schwäche und Rußlands unsichrer Haltung ihm das halbe Land zurückvcrschafften, ist früher von uns bereits ausführlich mitgetheilt worden. Galileo Galilei. „Wir besitzen gegenwärtig in Wünschenswerther Vollständigkeit die Quellen für die richtige Auffassung Galileis. Vor allem ist hier die italienische Schrift des Ritters Venturi von Wichtigkeit, in welcher neben völlig genügenden Auszügen aus den Proceßacten eine Reihe sehr wichtiger Briefe des damaligen toskanischen Gesandten in Rom, Niccolini, vorliegen. Aeltere Nachrichten und die vorhandenen Briefe Galileis werden hierdurch vervollständigt, während

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/448>, abgerufen am 26.05.2024.