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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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Die Mängel des preußischen Verwaltungsrechts.

Dr. Ludwig von Nonne, das Staatsrecht der preußischen Monarchie. Zweite ver"
mehrte und verbesserte Auflage. Zweiter Band in zwei Abtheilungen, ent¬
haltend das Verwaltungsrecht. Leipzig, F, A Brockhaus. 1865.

Die Vorzüge, die den ersten Band des rönneschen Werkes auszeichnen,")
treten in vollem Maße auch in dem zweiten das Verwaltungsrecht der preu¬
ßischen Monarchie enthaltenden Haupttheile hervor. Vollkommene Beherrschung
und übersichtliche systematische Gruppirung des überreichen Stoffes, Klarheit
und Bestimmtheit der Darstellung. Besonnenheit und Sicherheit des Urtheils
sichern diesem Buche einen ehrenvollen Platz unter den staatsrechtlichen Werken
der Gegenwart und machen es zu einem durchaus unentbehrlichen Hilfsmittel
für einen jeden, der sich eine eingehende Kenntniß des preußischen Staatswesens
verschaffen will.

Es ist gegenwärtig wohl kein Zweifel darüber, daß das Verwaltungsrecht
für die Entwicklung des constitutionellen Staatswesens von fast ebenso großer
Bedeutung ist als das Verfassungsrecht. Die größere oder geringere Wichtigkeit,
die der einen oder der andern Seite des Staatsorganismus beigemessen ist,
ist wie überall, so auch in Preußen zu verschiedenen Zeiten sehr verschieden ge¬
wesen. So lange der Absolutismus des Königthums für die beste, ja für die
einzig denkbare Form des Staates galt, concentrirte sich die öffentliche Auf"
merksamkeit, soweit sie überhaupt an den innern Verhältnissen des Staates
Antheil nahm, ausschließlich auf die Verwaltung. Im Verfassungsstaat trat
das Verfassungsrecht völlig hinter das Verwaltungsrecht zurück. Die rechtlichen
Beziehungen zwischen König und Unterthanen waren überaus klar und einfach,
und da die Gestaltung ganz von dem Willen des Herrschers abhing, wenig
geeignet, das allgemeine Interesse zu beschäftigen. Die Ueberreste der feudalen
Stände waren politisch machtlos und so unselbständig, daß sie für die Ver¬
fassung des Staates kaum in Frage kommen. Eine selbständige Stellung im
Organismus des Staates nahmen nur die Gerichte ein, deren Wirksamkeit
innerhalb des ihnen zugemessenen Kreises in Preußen eine ungehemmte und
unbehinderte war. Die ganze weiterbildende, entwickelnde und, wenn der Aus¬
druck erlaubt ist, productive Thätigkeit des Staates vollzog sich innerhalb des
Von dem gesetzlich unbeschränkten Willen des Staatsoberhauptes geleiteten Ver-



') Vrgl, die Besprechung desselben in dem vorigen Jahrgange dieser Blatter.
Die Mängel des preußischen Verwaltungsrechts.

Dr. Ludwig von Nonne, das Staatsrecht der preußischen Monarchie. Zweite ver«
mehrte und verbesserte Auflage. Zweiter Band in zwei Abtheilungen, ent¬
haltend das Verwaltungsrecht. Leipzig, F, A Brockhaus. 1865.

Die Vorzüge, die den ersten Band des rönneschen Werkes auszeichnen,")
treten in vollem Maße auch in dem zweiten das Verwaltungsrecht der preu¬
ßischen Monarchie enthaltenden Haupttheile hervor. Vollkommene Beherrschung
und übersichtliche systematische Gruppirung des überreichen Stoffes, Klarheit
und Bestimmtheit der Darstellung. Besonnenheit und Sicherheit des Urtheils
sichern diesem Buche einen ehrenvollen Platz unter den staatsrechtlichen Werken
der Gegenwart und machen es zu einem durchaus unentbehrlichen Hilfsmittel
für einen jeden, der sich eine eingehende Kenntniß des preußischen Staatswesens
verschaffen will.

Es ist gegenwärtig wohl kein Zweifel darüber, daß das Verwaltungsrecht
für die Entwicklung des constitutionellen Staatswesens von fast ebenso großer
Bedeutung ist als das Verfassungsrecht. Die größere oder geringere Wichtigkeit,
die der einen oder der andern Seite des Staatsorganismus beigemessen ist,
ist wie überall, so auch in Preußen zu verschiedenen Zeiten sehr verschieden ge¬
wesen. So lange der Absolutismus des Königthums für die beste, ja für die
einzig denkbare Form des Staates galt, concentrirte sich die öffentliche Auf«
merksamkeit, soweit sie überhaupt an den innern Verhältnissen des Staates
Antheil nahm, ausschließlich auf die Verwaltung. Im Verfassungsstaat trat
das Verfassungsrecht völlig hinter das Verwaltungsrecht zurück. Die rechtlichen
Beziehungen zwischen König und Unterthanen waren überaus klar und einfach,
und da die Gestaltung ganz von dem Willen des Herrschers abhing, wenig
geeignet, das allgemeine Interesse zu beschäftigen. Die Ueberreste der feudalen
Stände waren politisch machtlos und so unselbständig, daß sie für die Ver¬
fassung des Staates kaum in Frage kommen. Eine selbständige Stellung im
Organismus des Staates nahmen nur die Gerichte ein, deren Wirksamkeit
innerhalb des ihnen zugemessenen Kreises in Preußen eine ungehemmte und
unbehinderte war. Die ganze weiterbildende, entwickelnde und, wenn der Aus¬
druck erlaubt ist, productive Thätigkeit des Staates vollzog sich innerhalb des
Von dem gesetzlich unbeschränkten Willen des Staatsoberhauptes geleiteten Ver-



') Vrgl, die Besprechung desselben in dem vorigen Jahrgange dieser Blatter.
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[0494] Die Mängel des preußischen Verwaltungsrechts. Dr. Ludwig von Nonne, das Staatsrecht der preußischen Monarchie. Zweite ver« mehrte und verbesserte Auflage. Zweiter Band in zwei Abtheilungen, ent¬ haltend das Verwaltungsrecht. Leipzig, F, A Brockhaus. 1865. Die Vorzüge, die den ersten Band des rönneschen Werkes auszeichnen,") treten in vollem Maße auch in dem zweiten das Verwaltungsrecht der preu¬ ßischen Monarchie enthaltenden Haupttheile hervor. Vollkommene Beherrschung und übersichtliche systematische Gruppirung des überreichen Stoffes, Klarheit und Bestimmtheit der Darstellung. Besonnenheit und Sicherheit des Urtheils sichern diesem Buche einen ehrenvollen Platz unter den staatsrechtlichen Werken der Gegenwart und machen es zu einem durchaus unentbehrlichen Hilfsmittel für einen jeden, der sich eine eingehende Kenntniß des preußischen Staatswesens verschaffen will. Es ist gegenwärtig wohl kein Zweifel darüber, daß das Verwaltungsrecht für die Entwicklung des constitutionellen Staatswesens von fast ebenso großer Bedeutung ist als das Verfassungsrecht. Die größere oder geringere Wichtigkeit, die der einen oder der andern Seite des Staatsorganismus beigemessen ist, ist wie überall, so auch in Preußen zu verschiedenen Zeiten sehr verschieden ge¬ wesen. So lange der Absolutismus des Königthums für die beste, ja für die einzig denkbare Form des Staates galt, concentrirte sich die öffentliche Auf« merksamkeit, soweit sie überhaupt an den innern Verhältnissen des Staates Antheil nahm, ausschließlich auf die Verwaltung. Im Verfassungsstaat trat das Verfassungsrecht völlig hinter das Verwaltungsrecht zurück. Die rechtlichen Beziehungen zwischen König und Unterthanen waren überaus klar und einfach, und da die Gestaltung ganz von dem Willen des Herrschers abhing, wenig geeignet, das allgemeine Interesse zu beschäftigen. Die Ueberreste der feudalen Stände waren politisch machtlos und so unselbständig, daß sie für die Ver¬ fassung des Staates kaum in Frage kommen. Eine selbständige Stellung im Organismus des Staates nahmen nur die Gerichte ein, deren Wirksamkeit innerhalb des ihnen zugemessenen Kreises in Preußen eine ungehemmte und unbehinderte war. Die ganze weiterbildende, entwickelnde und, wenn der Aus¬ druck erlaubt ist, productive Thätigkeit des Staates vollzog sich innerhalb des Von dem gesetzlich unbeschränkten Willen des Staatsoberhauptes geleiteten Ver- ') Vrgl, die Besprechung desselben in dem vorigen Jahrgange dieser Blatter.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/494>, abgerufen am 26.05.2024.