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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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Klmstliteratur.
Tagebuch einer italienischen Reise von Max Rost. Herausgegeben von
Wilhelm Lübke. Stuttgart, Ebner und seubert.

Das vorliegende Tagebuch ist ein Denkmal, einem zu früh Verstorbenen
von Freundeshand gesetzt, wozu er selbst das wesentlichste Material hinterließ.
Ein junger, reich veranlagter, durch begeistertes Studium zur vollen Entwicklung
seiner glänzenden und echten Begabung gelangter Architekt, dessen gereifteste
Pläne an der Ungunst der Zeit und der bezüglichen Verhältnisse des Staats, in
dem er erwachsen, scheiterten, wie er selbst vom Leben abberufen wurde, ehe es
ihm vergönnt gewesen wäre, die Fülle seines künstlerischen Gehalts in dauernden
Werken der Architektur auszugestalten -- so erweckt Max Rost ein tief weh¬
müthiges, ein tragisches Interesse, welchem die Vorrede, mit der Professor Lübke,
der bekannte Kunsthistoriker, die gesammelten Reisetagebuchblätter seines jungen
dahingeschiedenen Freundes einleitet, einen schönen und ergreifenden Ausdruck
giebt. Wenig konnte Rost in seinem kurzen Leben an eignen wirklich ausge¬
führten Schöpfungen hinterlassen, was selbstredend und des Urhebers ganze
Bedeutung verkündend von seinem Talent und Geist dauerndes Zeugniß gäbe.
Um so mehr ist es dem Herausgeber zu danken, daß er es übernahm, uns mit
diesem Buch das geistige Bild dieser schönen Künstlergestalt zu zeichnen und
festzuhalten. "Um sich unter den gefeierten Namen der heutigen Kunst einen
der ersten Ehrenplätze zu erringen, fehlte ihm nur Eines: das Glück." Aus
richtiger eigner Kenntniß unsrer preußischen Architekturzustände urtheilt Lübke,
wenn er das eigentlich Tragische in diesem Künstlerleben in "dem Anachronismus"
steht, "in einer Zeit und in einem Staat, der keine Baukünstler, sondern Beamte
verlangt, der seinen Baubeflissenen als höchste Aufgabe hinstellt, nicht Kunst¬
werke zu schaffen, sondern Carriere zu machen, in einer solchen Zeit und einem
solchen Staat Künstler sein zu wollen, sein Alles, sein Herzblut an die Ver-
wirklichung von Ideen zu setzen." An solchem Anachronismus sei Max Rost
zu Grunde gegangen. Und wahrlich, schon die Geschichte seiner Concurrenzen
(er hat dies moderne Künstlermartyrium mehrfach zu erproben gehabt!) giebt
diesen Worten des Herausgebers Recht.

Max Rost ist 1830 zu Iserlohn in Westfalen geboren. In seinem elter¬
lichen Hause, bei Vater und Mutter, herrschte jene idealistische Richtung, wehte
jene reine geistige Lebensluft, in welcher künstlerische Neigung und Talent der
Kinder am besten erwachsen und unter liebevoller Pflege gezeitigt werden. Die
Besonderheit seiner Anlage, welche mit einer schönen Begabung für die Musik


Klmstliteratur.
Tagebuch einer italienischen Reise von Max Rost. Herausgegeben von
Wilhelm Lübke. Stuttgart, Ebner und seubert.

Das vorliegende Tagebuch ist ein Denkmal, einem zu früh Verstorbenen
von Freundeshand gesetzt, wozu er selbst das wesentlichste Material hinterließ.
Ein junger, reich veranlagter, durch begeistertes Studium zur vollen Entwicklung
seiner glänzenden und echten Begabung gelangter Architekt, dessen gereifteste
Pläne an der Ungunst der Zeit und der bezüglichen Verhältnisse des Staats, in
dem er erwachsen, scheiterten, wie er selbst vom Leben abberufen wurde, ehe es
ihm vergönnt gewesen wäre, die Fülle seines künstlerischen Gehalts in dauernden
Werken der Architektur auszugestalten — so erweckt Max Rost ein tief weh¬
müthiges, ein tragisches Interesse, welchem die Vorrede, mit der Professor Lübke,
der bekannte Kunsthistoriker, die gesammelten Reisetagebuchblätter seines jungen
dahingeschiedenen Freundes einleitet, einen schönen und ergreifenden Ausdruck
giebt. Wenig konnte Rost in seinem kurzen Leben an eignen wirklich ausge¬
führten Schöpfungen hinterlassen, was selbstredend und des Urhebers ganze
Bedeutung verkündend von seinem Talent und Geist dauerndes Zeugniß gäbe.
Um so mehr ist es dem Herausgeber zu danken, daß er es übernahm, uns mit
diesem Buch das geistige Bild dieser schönen Künstlergestalt zu zeichnen und
festzuhalten. „Um sich unter den gefeierten Namen der heutigen Kunst einen
der ersten Ehrenplätze zu erringen, fehlte ihm nur Eines: das Glück." Aus
richtiger eigner Kenntniß unsrer preußischen Architekturzustände urtheilt Lübke,
wenn er das eigentlich Tragische in diesem Künstlerleben in „dem Anachronismus"
steht, «in einer Zeit und in einem Staat, der keine Baukünstler, sondern Beamte
verlangt, der seinen Baubeflissenen als höchste Aufgabe hinstellt, nicht Kunst¬
werke zu schaffen, sondern Carriere zu machen, in einer solchen Zeit und einem
solchen Staat Künstler sein zu wollen, sein Alles, sein Herzblut an die Ver-
wirklichung von Ideen zu setzen." An solchem Anachronismus sei Max Rost
zu Grunde gegangen. Und wahrlich, schon die Geschichte seiner Concurrenzen
(er hat dies moderne Künstlermartyrium mehrfach zu erproben gehabt!) giebt
diesen Worten des Herausgebers Recht.

Max Rost ist 1830 zu Iserlohn in Westfalen geboren. In seinem elter¬
lichen Hause, bei Vater und Mutter, herrschte jene idealistische Richtung, wehte
jene reine geistige Lebensluft, in welcher künstlerische Neigung und Talent der
Kinder am besten erwachsen und unter liebevoller Pflege gezeitigt werden. Die
Besonderheit seiner Anlage, welche mit einer schönen Begabung für die Musik


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[0166] Klmstliteratur. Tagebuch einer italienischen Reise von Max Rost. Herausgegeben von Wilhelm Lübke. Stuttgart, Ebner und seubert. Das vorliegende Tagebuch ist ein Denkmal, einem zu früh Verstorbenen von Freundeshand gesetzt, wozu er selbst das wesentlichste Material hinterließ. Ein junger, reich veranlagter, durch begeistertes Studium zur vollen Entwicklung seiner glänzenden und echten Begabung gelangter Architekt, dessen gereifteste Pläne an der Ungunst der Zeit und der bezüglichen Verhältnisse des Staats, in dem er erwachsen, scheiterten, wie er selbst vom Leben abberufen wurde, ehe es ihm vergönnt gewesen wäre, die Fülle seines künstlerischen Gehalts in dauernden Werken der Architektur auszugestalten — so erweckt Max Rost ein tief weh¬ müthiges, ein tragisches Interesse, welchem die Vorrede, mit der Professor Lübke, der bekannte Kunsthistoriker, die gesammelten Reisetagebuchblätter seines jungen dahingeschiedenen Freundes einleitet, einen schönen und ergreifenden Ausdruck giebt. Wenig konnte Rost in seinem kurzen Leben an eignen wirklich ausge¬ führten Schöpfungen hinterlassen, was selbstredend und des Urhebers ganze Bedeutung verkündend von seinem Talent und Geist dauerndes Zeugniß gäbe. Um so mehr ist es dem Herausgeber zu danken, daß er es übernahm, uns mit diesem Buch das geistige Bild dieser schönen Künstlergestalt zu zeichnen und festzuhalten. „Um sich unter den gefeierten Namen der heutigen Kunst einen der ersten Ehrenplätze zu erringen, fehlte ihm nur Eines: das Glück." Aus richtiger eigner Kenntniß unsrer preußischen Architekturzustände urtheilt Lübke, wenn er das eigentlich Tragische in diesem Künstlerleben in „dem Anachronismus" steht, «in einer Zeit und in einem Staat, der keine Baukünstler, sondern Beamte verlangt, der seinen Baubeflissenen als höchste Aufgabe hinstellt, nicht Kunst¬ werke zu schaffen, sondern Carriere zu machen, in einer solchen Zeit und einem solchen Staat Künstler sein zu wollen, sein Alles, sein Herzblut an die Ver- wirklichung von Ideen zu setzen." An solchem Anachronismus sei Max Rost zu Grunde gegangen. Und wahrlich, schon die Geschichte seiner Concurrenzen (er hat dies moderne Künstlermartyrium mehrfach zu erproben gehabt!) giebt diesen Worten des Herausgebers Recht. Max Rost ist 1830 zu Iserlohn in Westfalen geboren. In seinem elter¬ lichen Hause, bei Vater und Mutter, herrschte jene idealistische Richtung, wehte jene reine geistige Lebensluft, in welcher künstlerische Neigung und Talent der Kinder am besten erwachsen und unter liebevoller Pflege gezeitigt werden. Die Besonderheit seiner Anlage, welche mit einer schönen Begabung für die Musik

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/166>, abgerufen am 29.04.2024.