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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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liebes Herz und ein geachtetes Leben wünscht, und mit diesem Gedanken soll
er für das Einzige sprechen und handeln, was jetzt ihn und sein Volk aus
der Verwirrung herausheben kann, für ein frei gewähltes Parlament.

Wenn er jetzt durch die blühenden Anlagen seiner Stadt geht und auf
den Kieswegen die neue Einquartierung Arm in Arm mit jungen Leuten aus
der Stadt schreiten sieht, mag er sich seiner höchsten Pflicht erinnern, welche
ist, daß er in Wahrheit ein Deutscher werde, daß er selbst oder seine gewähl¬
ten Vertreter über seine und der Nation höchste Interessen wache und dieselben
verwalten helfe. Und wenn er in seinem Comptoir sitzt und finster die Ab¬
sagebriefe alter Geschäftsfreunde durchliest, über die unbeschäftigten Federn sei¬
ner Commis blickt und die Verluste dieses harten Jahres erwägt, soll er an
dieselbe Pflicht gedenken, und wieder an sie. wenn er seine aufblühenden Kin¬
der betrachtet und in der Stille fleht, daß ein gnädiges Schicksal die Schrecken
der nächsten Zukunft von ihrem Leben fern halte und ihnen dereinst gestatte,
sich mit berechtigtem Bürgerstolz als Deutsche zu fühlen.


G. F.


Die Stimmung in Preußen.

Schnell lebt der Mensch in großer Zeit. Was gestern noch unmöglich
schien, wird heute Thatsache, und Manches, was gestern ein Unrecht gewesen
ist, wird heut zur Pflicht.

Der Krieg in Deutschland ist ausgebrochen. JeKt ist jede Frage unnütz,
ob er nöthig war, ob er so entstehen mußte, die Existenz des Staates, die
letzten Grundlagen jedes nationalen Gedeihens sind der Entscheidung des blu¬
tigen Kampfes preisgegeben; die erste Aufgabe ist jetzt, nicht mehr im Innern des
Staates zu bessern, sondern zur Rettung aus der drohenden Gefahr nach Kräften
zu helfen.

In Berlin ist ein ComitS zusammengetreten, in welchem Wagner, Mommsen,
Tochter, Virchow einmüthig neben einander Unterstützung für Krieger im Felde
suchen. Das ist erst der Anfang, wir sind überzeugt, Andres wird schnell nach¬
folgen. Die Gegner haben sich getäuscht, welche aus dem erbitterten Oppo-


liebes Herz und ein geachtetes Leben wünscht, und mit diesem Gedanken soll
er für das Einzige sprechen und handeln, was jetzt ihn und sein Volk aus
der Verwirrung herausheben kann, für ein frei gewähltes Parlament.

Wenn er jetzt durch die blühenden Anlagen seiner Stadt geht und auf
den Kieswegen die neue Einquartierung Arm in Arm mit jungen Leuten aus
der Stadt schreiten sieht, mag er sich seiner höchsten Pflicht erinnern, welche
ist, daß er in Wahrheit ein Deutscher werde, daß er selbst oder seine gewähl¬
ten Vertreter über seine und der Nation höchste Interessen wache und dieselben
verwalten helfe. Und wenn er in seinem Comptoir sitzt und finster die Ab¬
sagebriefe alter Geschäftsfreunde durchliest, über die unbeschäftigten Federn sei¬
ner Commis blickt und die Verluste dieses harten Jahres erwägt, soll er an
dieselbe Pflicht gedenken, und wieder an sie. wenn er seine aufblühenden Kin¬
der betrachtet und in der Stille fleht, daß ein gnädiges Schicksal die Schrecken
der nächsten Zukunft von ihrem Leben fern halte und ihnen dereinst gestatte,
sich mit berechtigtem Bürgerstolz als Deutsche zu fühlen.


G. F.


Die Stimmung in Preußen.

Schnell lebt der Mensch in großer Zeit. Was gestern noch unmöglich
schien, wird heute Thatsache, und Manches, was gestern ein Unrecht gewesen
ist, wird heut zur Pflicht.

Der Krieg in Deutschland ist ausgebrochen. JeKt ist jede Frage unnütz,
ob er nöthig war, ob er so entstehen mußte, die Existenz des Staates, die
letzten Grundlagen jedes nationalen Gedeihens sind der Entscheidung des blu¬
tigen Kampfes preisgegeben; die erste Aufgabe ist jetzt, nicht mehr im Innern des
Staates zu bessern, sondern zur Rettung aus der drohenden Gefahr nach Kräften
zu helfen.

In Berlin ist ein ComitS zusammengetreten, in welchem Wagner, Mommsen,
Tochter, Virchow einmüthig neben einander Unterstützung für Krieger im Felde
suchen. Das ist erst der Anfang, wir sind überzeugt, Andres wird schnell nach¬
folgen. Die Gegner haben sich getäuscht, welche aus dem erbitterten Oppo-


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[0526] liebes Herz und ein geachtetes Leben wünscht, und mit diesem Gedanken soll er für das Einzige sprechen und handeln, was jetzt ihn und sein Volk aus der Verwirrung herausheben kann, für ein frei gewähltes Parlament. Wenn er jetzt durch die blühenden Anlagen seiner Stadt geht und auf den Kieswegen die neue Einquartierung Arm in Arm mit jungen Leuten aus der Stadt schreiten sieht, mag er sich seiner höchsten Pflicht erinnern, welche ist, daß er in Wahrheit ein Deutscher werde, daß er selbst oder seine gewähl¬ ten Vertreter über seine und der Nation höchste Interessen wache und dieselben verwalten helfe. Und wenn er in seinem Comptoir sitzt und finster die Ab¬ sagebriefe alter Geschäftsfreunde durchliest, über die unbeschäftigten Federn sei¬ ner Commis blickt und die Verluste dieses harten Jahres erwägt, soll er an dieselbe Pflicht gedenken, und wieder an sie. wenn er seine aufblühenden Kin¬ der betrachtet und in der Stille fleht, daß ein gnädiges Schicksal die Schrecken der nächsten Zukunft von ihrem Leben fern halte und ihnen dereinst gestatte, sich mit berechtigtem Bürgerstolz als Deutsche zu fühlen. G. F. Die Stimmung in Preußen. Schnell lebt der Mensch in großer Zeit. Was gestern noch unmöglich schien, wird heute Thatsache, und Manches, was gestern ein Unrecht gewesen ist, wird heut zur Pflicht. Der Krieg in Deutschland ist ausgebrochen. JeKt ist jede Frage unnütz, ob er nöthig war, ob er so entstehen mußte, die Existenz des Staates, die letzten Grundlagen jedes nationalen Gedeihens sind der Entscheidung des blu¬ tigen Kampfes preisgegeben; die erste Aufgabe ist jetzt, nicht mehr im Innern des Staates zu bessern, sondern zur Rettung aus der drohenden Gefahr nach Kräften zu helfen. In Berlin ist ein ComitS zusammengetreten, in welchem Wagner, Mommsen, Tochter, Virchow einmüthig neben einander Unterstützung für Krieger im Felde suchen. Das ist erst der Anfang, wir sind überzeugt, Andres wird schnell nach¬ folgen. Die Gegner haben sich getäuscht, welche aus dem erbitterten Oppo-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/526>, abgerufen am 29.04.2024.