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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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ergründet werden kann. Es ist deswegen auch kein Nachtheil dieses Dichters,
daß dem mehr aus das Idyllische und Beschauliche angelegten Sinne unseres
Verfassers in seinen Personen "ein übernormaler Pulsschlag" zu leben scheint.
(S. 135.) Dieser Pulsschlag gehört zu den Mitteln, die in der Menschennatur
liegende Energie und Unergründlichkeit ihrer Willens- und Affectseite zu
zeichnen.

Doch genug mit unseren Versuchen, gegen unsern Gegner das verkannte
Recht der echtdramatischen und tragischen Dichtung zu retten. Um so beredter
und überzeugender weiß er bei seinem gebildeten Geschmack die gleichfalls gute
Sache der Lyrik und des Epos und damit die Sache unserer großen Dichter¬
heroen gegen die mit Absicht oder ohne Absicht unternommenen Ansätze zu
ihrer Verkleinerung zu führen, wobei besonders alles über Goethe Gesagte
(vergl. z. B. S. 241 ff.) abgesehen von der etwaigen polemischen Tendenz und
Wendung eine große Feinheit der Beobachtung und ein vertrautes Eindringen
in den goetheschen Genius zeigt. Kommt ja doch auch bei unserem Schutz¬
befohlenen seine lyrische Thätigkeit in den Sonetten und in einzelnen bedeu¬
tenderen Dramen zu ihrer Anerkennung. (S. 164. 228 f.)




Die slmrvrückener Frage.

Immer von Neuem werden von Zeit zu Zeit Gerüchte laut, daß eine Ab¬
tretung des Kreises Saarbrücken an Frankreich oder, wie Andere wollen, ein
Verkauf der dortigen Kohlenschätze an eine französische Gesellschaft, hinter welcher
die kaiserliche Regierung stehe, oder -- die neueste Gestalt, in welcher die Sache
vor circa zwei Wochen auftrat -- wenigstens eine pachtweise Überlassung der
saarbrückner Steinkohlengruben an eine solche Gesellschaft im Werke sei.

Seit zwei Jahren schon tauchen solche unheimliche Reden in den Zeitungen
auf, und in diesen Tagen so bestimmt, daß man schon die Pachtsumme wissen
wollte, über die Preußen mit den Pächtern übereingekommen. Jedesmal haben
officiöse Stimmen den Handel in Abrede gestellt, und für die nicht direct von
demselben Berührten war das immer wiederkehrende Gerücht damit so ziemlich
in das Capitel der Seeschlangen verwiesen. Nur solche, die der Politik des
Grafen Bismarck alles, auch das Unglaublichste zutrauen zu dürfen meinten,


ergründet werden kann. Es ist deswegen auch kein Nachtheil dieses Dichters,
daß dem mehr aus das Idyllische und Beschauliche angelegten Sinne unseres
Verfassers in seinen Personen „ein übernormaler Pulsschlag" zu leben scheint.
(S. 135.) Dieser Pulsschlag gehört zu den Mitteln, die in der Menschennatur
liegende Energie und Unergründlichkeit ihrer Willens- und Affectseite zu
zeichnen.

Doch genug mit unseren Versuchen, gegen unsern Gegner das verkannte
Recht der echtdramatischen und tragischen Dichtung zu retten. Um so beredter
und überzeugender weiß er bei seinem gebildeten Geschmack die gleichfalls gute
Sache der Lyrik und des Epos und damit die Sache unserer großen Dichter¬
heroen gegen die mit Absicht oder ohne Absicht unternommenen Ansätze zu
ihrer Verkleinerung zu führen, wobei besonders alles über Goethe Gesagte
(vergl. z. B. S. 241 ff.) abgesehen von der etwaigen polemischen Tendenz und
Wendung eine große Feinheit der Beobachtung und ein vertrautes Eindringen
in den goetheschen Genius zeigt. Kommt ja doch auch bei unserem Schutz¬
befohlenen seine lyrische Thätigkeit in den Sonetten und in einzelnen bedeu¬
tenderen Dramen zu ihrer Anerkennung. (S. 164. 228 f.)




Die slmrvrückener Frage.

Immer von Neuem werden von Zeit zu Zeit Gerüchte laut, daß eine Ab¬
tretung des Kreises Saarbrücken an Frankreich oder, wie Andere wollen, ein
Verkauf der dortigen Kohlenschätze an eine französische Gesellschaft, hinter welcher
die kaiserliche Regierung stehe, oder — die neueste Gestalt, in welcher die Sache
vor circa zwei Wochen auftrat — wenigstens eine pachtweise Überlassung der
saarbrückner Steinkohlengruben an eine solche Gesellschaft im Werke sei.

Seit zwei Jahren schon tauchen solche unheimliche Reden in den Zeitungen
auf, und in diesen Tagen so bestimmt, daß man schon die Pachtsumme wissen
wollte, über die Preußen mit den Pächtern übereingekommen. Jedesmal haben
officiöse Stimmen den Handel in Abrede gestellt, und für die nicht direct von
demselben Berührten war das immer wiederkehrende Gerücht damit so ziemlich
in das Capitel der Seeschlangen verwiesen. Nur solche, die der Politik des
Grafen Bismarck alles, auch das Unglaublichste zutrauen zu dürfen meinten,


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[0064] ergründet werden kann. Es ist deswegen auch kein Nachtheil dieses Dichters, daß dem mehr aus das Idyllische und Beschauliche angelegten Sinne unseres Verfassers in seinen Personen „ein übernormaler Pulsschlag" zu leben scheint. (S. 135.) Dieser Pulsschlag gehört zu den Mitteln, die in der Menschennatur liegende Energie und Unergründlichkeit ihrer Willens- und Affectseite zu zeichnen. Doch genug mit unseren Versuchen, gegen unsern Gegner das verkannte Recht der echtdramatischen und tragischen Dichtung zu retten. Um so beredter und überzeugender weiß er bei seinem gebildeten Geschmack die gleichfalls gute Sache der Lyrik und des Epos und damit die Sache unserer großen Dichter¬ heroen gegen die mit Absicht oder ohne Absicht unternommenen Ansätze zu ihrer Verkleinerung zu führen, wobei besonders alles über Goethe Gesagte (vergl. z. B. S. 241 ff.) abgesehen von der etwaigen polemischen Tendenz und Wendung eine große Feinheit der Beobachtung und ein vertrautes Eindringen in den goetheschen Genius zeigt. Kommt ja doch auch bei unserem Schutz¬ befohlenen seine lyrische Thätigkeit in den Sonetten und in einzelnen bedeu¬ tenderen Dramen zu ihrer Anerkennung. (S. 164. 228 f.) Die slmrvrückener Frage. Immer von Neuem werden von Zeit zu Zeit Gerüchte laut, daß eine Ab¬ tretung des Kreises Saarbrücken an Frankreich oder, wie Andere wollen, ein Verkauf der dortigen Kohlenschätze an eine französische Gesellschaft, hinter welcher die kaiserliche Regierung stehe, oder — die neueste Gestalt, in welcher die Sache vor circa zwei Wochen auftrat — wenigstens eine pachtweise Überlassung der saarbrückner Steinkohlengruben an eine solche Gesellschaft im Werke sei. Seit zwei Jahren schon tauchen solche unheimliche Reden in den Zeitungen auf, und in diesen Tagen so bestimmt, daß man schon die Pachtsumme wissen wollte, über die Preußen mit den Pächtern übereingekommen. Jedesmal haben officiöse Stimmen den Handel in Abrede gestellt, und für die nicht direct von demselben Berührten war das immer wiederkehrende Gerücht damit so ziemlich in das Capitel der Seeschlangen verwiesen. Nur solche, die der Politik des Grafen Bismarck alles, auch das Unglaublichste zutrauen zu dürfen meinten,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/64>, abgerufen am 29.04.2024.