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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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Preußisch - deutsches Consularwesen.

Der deutsche Handelstag hat im vorigen Herbste zu Frankfurt a. M. die
Forderung aufgestellt, daß das nationale Consularwesen in einer doppelten Richtung
reformirt werde: in der des Uebergangs Pou lauter Handelsconsuln zu einem
vornehmlich auf Fachconsuln begründeten Systeme, und in der der Abstellung
einer ebenso schädlichen als unwürdigen Vielheit der consularischen Vertretung
Deutschlands im Ausland. Der Handels- und Gewcrbevcrein für Rheinland
und Westfalen in Düsseldorf hat sich nach zweimaliger Verhandlung jetzt nicht
allein dieser Forderung angeschlossen, sondern ihr auch eine unmittelbare Adresse
gegeben, nämlich an die Regierung in Berlin. Graf Bismarck wird also ehestens
in die Lage komme" sich darüber zu äußern, ob er ^die Reform des preußisch¬
deutschen Consularwesens in die Hand nehmen will oder nicht.

In der wirksamen Organisation des Cvnsulardiensles ist Frankreich allen
übrigen Staaten der Welt mit einem nahezu vollendeten Muster vorausgegangen.
Die Einführung von Fachconsuln, d. h. von eigentlichen Staatsbeamten, an
der Stelle von Handelsconsuln, d. h. von Kaufleuten, welche den Posten eines
Consul neben ihrem Geschäft bekleiden, wird auf einen Gedanken des großen
Colbert zurückgeführt. Der große Canning adoptirte ihn 1823 für England,
aber da er vor vollständiger Durchführung desselben starb, und im Vertrauen
auf seine persönliche Kraft und Gewalt versäumt hatte, ihn zuvor gehörig ins
Bewußtsein des Parlaments und der öffentlichen Meinung zu prägen, so trat
noch 1830 im Zusammenhang mit dem allgemeinen Ruf nach Abschaffung der
Sinecuren und sparsamer Führung des Staatshaushalts eine Reaction ein. welche
erst nach zwei umfassenden parlamentarischen Untersuchungen, 1833 und 1838,
wieder überwunden ward. Ein dritter großer Minister, Cavour, hat die
gleiche Reform erst für das Königreich Sardinien und dann für seine stolze
diplomatische Schöpfung, das Königreich Italien durchgeführt. Ohne solche'
eminent persönliche Initiative hat sich der Gedanke eines auf Fachmänner
gegründeten Consularsystemcs in den Vereinigten Staaten Nordamerikas und in
Rußland, der Hauptsache nach auch in Oestreich, Spanien, Portugal, Schweden-
Norwegen, Holland und Belgien durchgesetzt.

Die Gründe dieser Umgestaltung des Consularwesens sind nicht schwer zu
verstehen. Es kann immer nur als ein Nothbehelf angesehen werden, rr5cum
wahre Staatsgeschäfte, wie die consularischen ohne Frage sind, von Männern
versehen werden sollen, welche von der Staatsgewalt in keiner Weise abhängig,
und keinem andern Strafmittel als dem einen äußersten der Entlassung unter¬
worfen sind, welche für ihre Dienste außer einer meist recht unbedeutenden Gebühr


Preußisch - deutsches Consularwesen.

Der deutsche Handelstag hat im vorigen Herbste zu Frankfurt a. M. die
Forderung aufgestellt, daß das nationale Consularwesen in einer doppelten Richtung
reformirt werde: in der des Uebergangs Pou lauter Handelsconsuln zu einem
vornehmlich auf Fachconsuln begründeten Systeme, und in der der Abstellung
einer ebenso schädlichen als unwürdigen Vielheit der consularischen Vertretung
Deutschlands im Ausland. Der Handels- und Gewcrbevcrein für Rheinland
und Westfalen in Düsseldorf hat sich nach zweimaliger Verhandlung jetzt nicht
allein dieser Forderung angeschlossen, sondern ihr auch eine unmittelbare Adresse
gegeben, nämlich an die Regierung in Berlin. Graf Bismarck wird also ehestens
in die Lage komme» sich darüber zu äußern, ob er ^die Reform des preußisch¬
deutschen Consularwesens in die Hand nehmen will oder nicht.

In der wirksamen Organisation des Cvnsulardiensles ist Frankreich allen
übrigen Staaten der Welt mit einem nahezu vollendeten Muster vorausgegangen.
Die Einführung von Fachconsuln, d. h. von eigentlichen Staatsbeamten, an
der Stelle von Handelsconsuln, d. h. von Kaufleuten, welche den Posten eines
Consul neben ihrem Geschäft bekleiden, wird auf einen Gedanken des großen
Colbert zurückgeführt. Der große Canning adoptirte ihn 1823 für England,
aber da er vor vollständiger Durchführung desselben starb, und im Vertrauen
auf seine persönliche Kraft und Gewalt versäumt hatte, ihn zuvor gehörig ins
Bewußtsein des Parlaments und der öffentlichen Meinung zu prägen, so trat
noch 1830 im Zusammenhang mit dem allgemeinen Ruf nach Abschaffung der
Sinecuren und sparsamer Führung des Staatshaushalts eine Reaction ein. welche
erst nach zwei umfassenden parlamentarischen Untersuchungen, 1833 und 1838,
wieder überwunden ward. Ein dritter großer Minister, Cavour, hat die
gleiche Reform erst für das Königreich Sardinien und dann für seine stolze
diplomatische Schöpfung, das Königreich Italien durchgeführt. Ohne solche'
eminent persönliche Initiative hat sich der Gedanke eines auf Fachmänner
gegründeten Consularsystemcs in den Vereinigten Staaten Nordamerikas und in
Rußland, der Hauptsache nach auch in Oestreich, Spanien, Portugal, Schweden-
Norwegen, Holland und Belgien durchgesetzt.

Die Gründe dieser Umgestaltung des Consularwesens sind nicht schwer zu
verstehen. Es kann immer nur als ein Nothbehelf angesehen werden, rr5cum
wahre Staatsgeschäfte, wie die consularischen ohne Frage sind, von Männern
versehen werden sollen, welche von der Staatsgewalt in keiner Weise abhängig,
und keinem andern Strafmittel als dem einen äußersten der Entlassung unter¬
worfen sind, welche für ihre Dienste außer einer meist recht unbedeutenden Gebühr


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[0072] Preußisch - deutsches Consularwesen. Der deutsche Handelstag hat im vorigen Herbste zu Frankfurt a. M. die Forderung aufgestellt, daß das nationale Consularwesen in einer doppelten Richtung reformirt werde: in der des Uebergangs Pou lauter Handelsconsuln zu einem vornehmlich auf Fachconsuln begründeten Systeme, und in der der Abstellung einer ebenso schädlichen als unwürdigen Vielheit der consularischen Vertretung Deutschlands im Ausland. Der Handels- und Gewcrbevcrein für Rheinland und Westfalen in Düsseldorf hat sich nach zweimaliger Verhandlung jetzt nicht allein dieser Forderung angeschlossen, sondern ihr auch eine unmittelbare Adresse gegeben, nämlich an die Regierung in Berlin. Graf Bismarck wird also ehestens in die Lage komme» sich darüber zu äußern, ob er ^die Reform des preußisch¬ deutschen Consularwesens in die Hand nehmen will oder nicht. In der wirksamen Organisation des Cvnsulardiensles ist Frankreich allen übrigen Staaten der Welt mit einem nahezu vollendeten Muster vorausgegangen. Die Einführung von Fachconsuln, d. h. von eigentlichen Staatsbeamten, an der Stelle von Handelsconsuln, d. h. von Kaufleuten, welche den Posten eines Consul neben ihrem Geschäft bekleiden, wird auf einen Gedanken des großen Colbert zurückgeführt. Der große Canning adoptirte ihn 1823 für England, aber da er vor vollständiger Durchführung desselben starb, und im Vertrauen auf seine persönliche Kraft und Gewalt versäumt hatte, ihn zuvor gehörig ins Bewußtsein des Parlaments und der öffentlichen Meinung zu prägen, so trat noch 1830 im Zusammenhang mit dem allgemeinen Ruf nach Abschaffung der Sinecuren und sparsamer Führung des Staatshaushalts eine Reaction ein. welche erst nach zwei umfassenden parlamentarischen Untersuchungen, 1833 und 1838, wieder überwunden ward. Ein dritter großer Minister, Cavour, hat die gleiche Reform erst für das Königreich Sardinien und dann für seine stolze diplomatische Schöpfung, das Königreich Italien durchgeführt. Ohne solche' eminent persönliche Initiative hat sich der Gedanke eines auf Fachmänner gegründeten Consularsystemcs in den Vereinigten Staaten Nordamerikas und in Rußland, der Hauptsache nach auch in Oestreich, Spanien, Portugal, Schweden- Norwegen, Holland und Belgien durchgesetzt. Die Gründe dieser Umgestaltung des Consularwesens sind nicht schwer zu verstehen. Es kann immer nur als ein Nothbehelf angesehen werden, rr5cum wahre Staatsgeschäfte, wie die consularischen ohne Frage sind, von Männern versehen werden sollen, welche von der Staatsgewalt in keiner Weise abhängig, und keinem andern Strafmittel als dem einen äußersten der Entlassung unter¬ worfen sind, welche für ihre Dienste außer einer meist recht unbedeutenden Gebühr

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/72>, abgerufen am 29.04.2024.