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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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Die Mächtigkeit des bekannten Steinkohlengebirgs beträgt im westlichen Theile
circa 1600. im östlichen ungefähr 800 sachter. Eigenthümlich ist, daß nicht
nur die Lager der Steinkohlenflötze des saarbrückner Districts. sondern auch
deren Gesammtmächtigkeit nach Osten hin wachsen. Die Flötze bilden dort zwei
durch ein flötzarmes Mittel getrennte Partieen, deren liegende nach Westen
ziemlich regelmäßig fortsetzt, während die Hangende weiter nach Westen an Breite
zunimmt und sich dabei in drei besondere Partieen scheidet. Die liegende Floh.
Partie liefert Fettkohle, die mittlere und Hangende Sinterkohle, die sich nach
der Hangenden hin der magern oder Sandkohle nähert. Das unterste Kohlen¬
flöz (bei Bettingen, nordöstlich von Saarlouis) geht bis 20,656 Fuß unter
den Meeresspiegel hinab, liegt also so tief unter demselben als der Gipfel des
Chimborasso über demselben.' Nach v. Dechen ist das Gewicht der zwischen
-Saar und Blies gelegenen Theils der saarbrückner Steinkohlenformation, soweit
sie preußisch. 30.8 Billionen Pfund, und sind darin 72.6 Billionen Pfund
Kohlenstoff enthalten, ein Quantum, mit dem wir noch reichlich ein halbes Jahr¬
tausend Dampfmaschinen heitzen und Erze schmelzen können.

Vor hundert Jahren schon verwendete der Sandmann dieser Gegend me
Kohlen zum Kalkbrennen, und auch der Hufschmied bediente sich ihrer. 1765
belehrte der wohlwollende Fürst Wilhelm Heinrich von Nassau-Saarbrücken in
einem Rundschreiben "an sämmtliche Meyer und Geistliche" seine Unterthanen,
"welchcrgestalten die Steinkohlen auch zur Erwärmung derer Stuben und Be-
Haltnisse füglich und nützlich angewendet werden können", und das Volk machte
von dieser Anweisung Gebrauch. 1815 konnten die Kohlenlager von den
Deputaten Saarbrückens in ihrer für Hardenberg bestimmten Denkschrift schon
unter den Reichthümern des Districts aufgeführt werden. Aber wie niedrig
wurde damals im Vergleich mit heute ihr Ertrag veranschlagt'. Als Beweis des
großen Reichthums, den man mit dem Kreise Saarbrücken gewinnen werde,
bemerkt jene Denkschrift, daß die Kohlen unter der französischen Verwaltung
effectiv jährlich 60,000 Franken eingetragen hätten. Zugleich aber wird hinzu¬
gefügt, daß sie "bei einer guten Verwaltung nach nassauischer Art" wenigstens
150.000 Franken einbringen würden. Heute, nach Verlauf von fünfzig Jahren
ertragen sie unter preußischer Verwaltung jährlich etwa 6,900.000 Franken oder
1.840,000 Thaler, also schon 46 Mal so viel, als jene Patrioten von 1815 erwartet
hatten, und zwar ohne daß noch der neu eröffnete Saarkanal, der die Abfuhr
der Kohlen nach Frankreich beträchtlich steigern wird, auf die Förderung ein¬
gewirkt hat. Schon damit aber dürfte genug gesagt sein gegen jedes der zu
Anfang erwähnten angeblichen Projecte, vorausgesetzt daß dieselben irgendwie
begründet wären.




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Die Mächtigkeit des bekannten Steinkohlengebirgs beträgt im westlichen Theile
circa 1600. im östlichen ungefähr 800 sachter. Eigenthümlich ist, daß nicht
nur die Lager der Steinkohlenflötze des saarbrückner Districts. sondern auch
deren Gesammtmächtigkeit nach Osten hin wachsen. Die Flötze bilden dort zwei
durch ein flötzarmes Mittel getrennte Partieen, deren liegende nach Westen
ziemlich regelmäßig fortsetzt, während die Hangende weiter nach Westen an Breite
zunimmt und sich dabei in drei besondere Partieen scheidet. Die liegende Floh.
Partie liefert Fettkohle, die mittlere und Hangende Sinterkohle, die sich nach
der Hangenden hin der magern oder Sandkohle nähert. Das unterste Kohlen¬
flöz (bei Bettingen, nordöstlich von Saarlouis) geht bis 20,656 Fuß unter
den Meeresspiegel hinab, liegt also so tief unter demselben als der Gipfel des
Chimborasso über demselben.' Nach v. Dechen ist das Gewicht der zwischen
-Saar und Blies gelegenen Theils der saarbrückner Steinkohlenformation, soweit
sie preußisch. 30.8 Billionen Pfund, und sind darin 72.6 Billionen Pfund
Kohlenstoff enthalten, ein Quantum, mit dem wir noch reichlich ein halbes Jahr¬
tausend Dampfmaschinen heitzen und Erze schmelzen können.

Vor hundert Jahren schon verwendete der Sandmann dieser Gegend me
Kohlen zum Kalkbrennen, und auch der Hufschmied bediente sich ihrer. 1765
belehrte der wohlwollende Fürst Wilhelm Heinrich von Nassau-Saarbrücken in
einem Rundschreiben „an sämmtliche Meyer und Geistliche" seine Unterthanen,
»welchcrgestalten die Steinkohlen auch zur Erwärmung derer Stuben und Be-
Haltnisse füglich und nützlich angewendet werden können", und das Volk machte
von dieser Anweisung Gebrauch. 1815 konnten die Kohlenlager von den
Deputaten Saarbrückens in ihrer für Hardenberg bestimmten Denkschrift schon
unter den Reichthümern des Districts aufgeführt werden. Aber wie niedrig
wurde damals im Vergleich mit heute ihr Ertrag veranschlagt'. Als Beweis des
großen Reichthums, den man mit dem Kreise Saarbrücken gewinnen werde,
bemerkt jene Denkschrift, daß die Kohlen unter der französischen Verwaltung
effectiv jährlich 60,000 Franken eingetragen hätten. Zugleich aber wird hinzu¬
gefügt, daß sie „bei einer guten Verwaltung nach nassauischer Art" wenigstens
150.000 Franken einbringen würden. Heute, nach Verlauf von fünfzig Jahren
ertragen sie unter preußischer Verwaltung jährlich etwa 6,900.000 Franken oder
1.840,000 Thaler, also schon 46 Mal so viel, als jene Patrioten von 1815 erwartet
hatten, und zwar ohne daß noch der neu eröffnete Saarkanal, der die Abfuhr
der Kohlen nach Frankreich beträchtlich steigern wird, auf die Förderung ein¬
gewirkt hat. Schon damit aber dürfte genug gesagt sein gegen jedes der zu
Anfang erwähnten angeblichen Projecte, vorausgesetzt daß dieselben irgendwie
begründet wären.




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[0071] Die Mächtigkeit des bekannten Steinkohlengebirgs beträgt im westlichen Theile circa 1600. im östlichen ungefähr 800 sachter. Eigenthümlich ist, daß nicht nur die Lager der Steinkohlenflötze des saarbrückner Districts. sondern auch deren Gesammtmächtigkeit nach Osten hin wachsen. Die Flötze bilden dort zwei durch ein flötzarmes Mittel getrennte Partieen, deren liegende nach Westen ziemlich regelmäßig fortsetzt, während die Hangende weiter nach Westen an Breite zunimmt und sich dabei in drei besondere Partieen scheidet. Die liegende Floh. Partie liefert Fettkohle, die mittlere und Hangende Sinterkohle, die sich nach der Hangenden hin der magern oder Sandkohle nähert. Das unterste Kohlen¬ flöz (bei Bettingen, nordöstlich von Saarlouis) geht bis 20,656 Fuß unter den Meeresspiegel hinab, liegt also so tief unter demselben als der Gipfel des Chimborasso über demselben.' Nach v. Dechen ist das Gewicht der zwischen -Saar und Blies gelegenen Theils der saarbrückner Steinkohlenformation, soweit sie preußisch. 30.8 Billionen Pfund, und sind darin 72.6 Billionen Pfund Kohlenstoff enthalten, ein Quantum, mit dem wir noch reichlich ein halbes Jahr¬ tausend Dampfmaschinen heitzen und Erze schmelzen können. Vor hundert Jahren schon verwendete der Sandmann dieser Gegend me Kohlen zum Kalkbrennen, und auch der Hufschmied bediente sich ihrer. 1765 belehrte der wohlwollende Fürst Wilhelm Heinrich von Nassau-Saarbrücken in einem Rundschreiben „an sämmtliche Meyer und Geistliche" seine Unterthanen, »welchcrgestalten die Steinkohlen auch zur Erwärmung derer Stuben und Be- Haltnisse füglich und nützlich angewendet werden können", und das Volk machte von dieser Anweisung Gebrauch. 1815 konnten die Kohlenlager von den Deputaten Saarbrückens in ihrer für Hardenberg bestimmten Denkschrift schon unter den Reichthümern des Districts aufgeführt werden. Aber wie niedrig wurde damals im Vergleich mit heute ihr Ertrag veranschlagt'. Als Beweis des großen Reichthums, den man mit dem Kreise Saarbrücken gewinnen werde, bemerkt jene Denkschrift, daß die Kohlen unter der französischen Verwaltung effectiv jährlich 60,000 Franken eingetragen hätten. Zugleich aber wird hinzu¬ gefügt, daß sie „bei einer guten Verwaltung nach nassauischer Art" wenigstens 150.000 Franken einbringen würden. Heute, nach Verlauf von fünfzig Jahren ertragen sie unter preußischer Verwaltung jährlich etwa 6,900.000 Franken oder 1.840,000 Thaler, also schon 46 Mal so viel, als jene Patrioten von 1815 erwartet hatten, und zwar ohne daß noch der neu eröffnete Saarkanal, der die Abfuhr der Kohlen nach Frankreich beträchtlich steigern wird, auf die Förderung ein¬ gewirkt hat. Schon damit aber dürfte genug gesagt sein gegen jedes der zu Anfang erwähnten angeblichen Projecte, vorausgesetzt daß dieselben irgendwie begründet wären. 8"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/71>, abgerufen am 15.05.2024.