Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

An Kenntniß und Bildung übertreffen die preußischen Generale die fran¬
zösischen vielleicht mit wenig Ausnahmen, ob an Charakter, was in jedem Kampf,
im Leben wie auf dem Schlachtfelde die Hauptsache ist. das steht dahin. Die
Reibung, welche der Avancementsmodus in der französischen Armee unausgesetzt
hervorruft, muß den Charakter stählen, der lange Frieden und das Princip der
Gnade im preußischen Beförderungssystem können gleiche Wirkung kaum her¬
verrufen. Erzieht Preußen künftig charakterstarke Generale, so braucht es keinen
Feind zu fürchten.




A us

Wenn man sich erinnert, daß der süddeutsche Liberalismus viele Jahre
davon leben mußte, gegen die Bevormundung durch die beiden Großmächte an¬
zukämpfen, und die Regierungen selbst die liberalen Forderungen nicht selten
mit der Berufung auf die Polizei des Bundes ablehnten, so sollte man denken,
es sei jetzt eine Periode paradiesischer Glückseligkeit für die süddeutschen Staaten
eingetreten. Der Alp des Bundes ist weg. jeder Staat erfreut sich so voll¬
kommener Selbständigkeit, wie nur jemals die Republik Krakau oder die von
San Marino. Mit einigem Nachdruck, meint man, müßten jetzt die Völker im
Stande sein, alle ihre politischen Ideale den Regierungen abzuringen, und diese
selbst, des ewigen Hemmschuhs ledig, müßten sich beeilen, ihren oft betheuerte"
ausgezeichneten Willen jetzt zu bethätigen und aus dem Füllhorn ihrer voll¬
souveränen Macht die Segnungen verschwenderisch auszustreuen. Kein finsterer
Schatten drängt sich mehr zwischen Negierende und Negierte. Für die kühnsten
Rcformentwürfe ist die Bahn geebnet, und so scheint es ja endlich wahr zu
werden, daß hier, wo das deutsche Volksthum sich allein in unbefleckter Rein¬
heit, frei von sarmatischer und obotritischer Mischung erhalten hat, auch der
deutsche Musterstaat sich erheben wird, eine Stätte urgermanischer Freiheit, be¬
neidenswert!) für Freund und Feind, und der feste Kern, um den sich einst alle
deutschen Stämme, bekehrt von den Irrwegen des Machtschwindels, sehnsuchts¬
voll schaaren werden.

So lauteten ja wörtlich die Redewendungen, mit denen man hier zu Lande


An Kenntniß und Bildung übertreffen die preußischen Generale die fran¬
zösischen vielleicht mit wenig Ausnahmen, ob an Charakter, was in jedem Kampf,
im Leben wie auf dem Schlachtfelde die Hauptsache ist. das steht dahin. Die
Reibung, welche der Avancementsmodus in der französischen Armee unausgesetzt
hervorruft, muß den Charakter stählen, der lange Frieden und das Princip der
Gnade im preußischen Beförderungssystem können gleiche Wirkung kaum her¬
verrufen. Erzieht Preußen künftig charakterstarke Generale, so braucht es keinen
Feind zu fürchten.




A us

Wenn man sich erinnert, daß der süddeutsche Liberalismus viele Jahre
davon leben mußte, gegen die Bevormundung durch die beiden Großmächte an¬
zukämpfen, und die Regierungen selbst die liberalen Forderungen nicht selten
mit der Berufung auf die Polizei des Bundes ablehnten, so sollte man denken,
es sei jetzt eine Periode paradiesischer Glückseligkeit für die süddeutschen Staaten
eingetreten. Der Alp des Bundes ist weg. jeder Staat erfreut sich so voll¬
kommener Selbständigkeit, wie nur jemals die Republik Krakau oder die von
San Marino. Mit einigem Nachdruck, meint man, müßten jetzt die Völker im
Stande sein, alle ihre politischen Ideale den Regierungen abzuringen, und diese
selbst, des ewigen Hemmschuhs ledig, müßten sich beeilen, ihren oft betheuerte»
ausgezeichneten Willen jetzt zu bethätigen und aus dem Füllhorn ihrer voll¬
souveränen Macht die Segnungen verschwenderisch auszustreuen. Kein finsterer
Schatten drängt sich mehr zwischen Negierende und Negierte. Für die kühnsten
Rcformentwürfe ist die Bahn geebnet, und so scheint es ja endlich wahr zu
werden, daß hier, wo das deutsche Volksthum sich allein in unbefleckter Rein¬
heit, frei von sarmatischer und obotritischer Mischung erhalten hat, auch der
deutsche Musterstaat sich erheben wird, eine Stätte urgermanischer Freiheit, be¬
neidenswert!) für Freund und Feind, und der feste Kern, um den sich einst alle
deutschen Stämme, bekehrt von den Irrwegen des Machtschwindels, sehnsuchts¬
voll schaaren werden.

So lauteten ja wörtlich die Redewendungen, mit denen man hier zu Lande


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0485" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/286633"/>
          <p xml:id="ID_1442"> An Kenntniß und Bildung übertreffen die preußischen Generale die fran¬<lb/>
zösischen vielleicht mit wenig Ausnahmen, ob an Charakter, was in jedem Kampf,<lb/>
im Leben wie auf dem Schlachtfelde die Hauptsache ist. das steht dahin. Die<lb/>
Reibung, welche der Avancementsmodus in der französischen Armee unausgesetzt<lb/>
hervorruft, muß den Charakter stählen, der lange Frieden und das Princip der<lb/>
Gnade im preußischen Beförderungssystem können gleiche Wirkung kaum her¬<lb/>
verrufen. Erzieht Preußen künftig charakterstarke Generale, so braucht es keinen<lb/>
Feind zu fürchten.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> A us </head><lb/>
          <p xml:id="ID_1443"> Wenn man sich erinnert, daß der süddeutsche Liberalismus viele Jahre<lb/>
davon leben mußte, gegen die Bevormundung durch die beiden Großmächte an¬<lb/>
zukämpfen, und die Regierungen selbst die liberalen Forderungen nicht selten<lb/>
mit der Berufung auf die Polizei des Bundes ablehnten, so sollte man denken,<lb/>
es sei jetzt eine Periode paradiesischer Glückseligkeit für die süddeutschen Staaten<lb/>
eingetreten. Der Alp des Bundes ist weg. jeder Staat erfreut sich so voll¬<lb/>
kommener Selbständigkeit, wie nur jemals die Republik Krakau oder die von<lb/>
San Marino. Mit einigem Nachdruck, meint man, müßten jetzt die Völker im<lb/>
Stande sein, alle ihre politischen Ideale den Regierungen abzuringen, und diese<lb/>
selbst, des ewigen Hemmschuhs ledig, müßten sich beeilen, ihren oft betheuerte»<lb/>
ausgezeichneten Willen jetzt zu bethätigen und aus dem Füllhorn ihrer voll¬<lb/>
souveränen Macht die Segnungen verschwenderisch auszustreuen. Kein finsterer<lb/>
Schatten drängt sich mehr zwischen Negierende und Negierte. Für die kühnsten<lb/>
Rcformentwürfe ist die Bahn geebnet, und so scheint es ja endlich wahr zu<lb/>
werden, daß hier, wo das deutsche Volksthum sich allein in unbefleckter Rein¬<lb/>
heit, frei von sarmatischer und obotritischer Mischung erhalten hat, auch der<lb/>
deutsche Musterstaat sich erheben wird, eine Stätte urgermanischer Freiheit, be¬<lb/>
neidenswert!) für Freund und Feind, und der feste Kern, um den sich einst alle<lb/>
deutschen Stämme, bekehrt von den Irrwegen des Machtschwindels, sehnsuchts¬<lb/>
voll schaaren werden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1444" next="#ID_1445"> So lauteten ja wörtlich die Redewendungen, mit denen man hier zu Lande</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0485] An Kenntniß und Bildung übertreffen die preußischen Generale die fran¬ zösischen vielleicht mit wenig Ausnahmen, ob an Charakter, was in jedem Kampf, im Leben wie auf dem Schlachtfelde die Hauptsache ist. das steht dahin. Die Reibung, welche der Avancementsmodus in der französischen Armee unausgesetzt hervorruft, muß den Charakter stählen, der lange Frieden und das Princip der Gnade im preußischen Beförderungssystem können gleiche Wirkung kaum her¬ verrufen. Erzieht Preußen künftig charakterstarke Generale, so braucht es keinen Feind zu fürchten. A us Wenn man sich erinnert, daß der süddeutsche Liberalismus viele Jahre davon leben mußte, gegen die Bevormundung durch die beiden Großmächte an¬ zukämpfen, und die Regierungen selbst die liberalen Forderungen nicht selten mit der Berufung auf die Polizei des Bundes ablehnten, so sollte man denken, es sei jetzt eine Periode paradiesischer Glückseligkeit für die süddeutschen Staaten eingetreten. Der Alp des Bundes ist weg. jeder Staat erfreut sich so voll¬ kommener Selbständigkeit, wie nur jemals die Republik Krakau oder die von San Marino. Mit einigem Nachdruck, meint man, müßten jetzt die Völker im Stande sein, alle ihre politischen Ideale den Regierungen abzuringen, und diese selbst, des ewigen Hemmschuhs ledig, müßten sich beeilen, ihren oft betheuerte» ausgezeichneten Willen jetzt zu bethätigen und aus dem Füllhorn ihrer voll¬ souveränen Macht die Segnungen verschwenderisch auszustreuen. Kein finsterer Schatten drängt sich mehr zwischen Negierende und Negierte. Für die kühnsten Rcformentwürfe ist die Bahn geebnet, und so scheint es ja endlich wahr zu werden, daß hier, wo das deutsche Volksthum sich allein in unbefleckter Rein¬ heit, frei von sarmatischer und obotritischer Mischung erhalten hat, auch der deutsche Musterstaat sich erheben wird, eine Stätte urgermanischer Freiheit, be¬ neidenswert!) für Freund und Feind, und der feste Kern, um den sich einst alle deutschen Stämme, bekehrt von den Irrwegen des Machtschwindels, sehnsuchts¬ voll schaaren werden. So lauteten ja wörtlich die Redewendungen, mit denen man hier zu Lande

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/485
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_286147/485>, abgerufen am 04.05.2024.