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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band.

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der Continuität seines durch eine ununterbrochene Reihe von Staatsacten
staatsrechtlich gewährleisteten Bestandes nicht präjudicirt haben und nicht
präjudiciren können.

Nach dem Gesagten wird auch klar, was die czechisch-nationale Partei
in Böhmen gegenwärtig anstrebt. Sie will eine möglichst große Autonomie
der Länder'der Krone Böhmens; sie will ferner eine veränderte Wahlord¬
nung. Während jetzt alle wichtigen Entscheidungen beim wiener Reichstage
liegen, und dem böhmischen Landtag nur Ausnahmsfälle bleiben, soll viel¬
mehr Alles Angelegenheit des Landtags werden und der Reichsvertretungs-
competenz nur die Ausnahmen zustehen. Die Machtstellung der Monarchie sei
durch eine gemeinsame Behandlung der höchsten Staatsausgaben zu wahren
und die Einheit des Reichs in der Beachtung der Mannigfaltigkeit seiner Be¬
standtheile und ihrer geschichtlichen Rechtsentwicklung zu sichern.

Die Bedeutung der böhmischen Wenzelkrone liegt sonach darin, daß Böh¬
men eine staatsrechtliche Individualität, eine staatsrechtliche Persönlichkeit
beansprucht. Diese staatsrechtliche Individualität manifestirt sich vornehmlich
in folgenden Rechten, welche die Landesvertretung Böhmens ohne alle Rück¬
sicht auf die neueste Landesordnung Schmerlings hat:

Erstens die Integrität des Territoriums, also die Zusammengehörig¬
keit mit Mähren und Schlesien, sammt dem eventuellen Heimfallsrecht
auf die Lausitz und dem Lehnverhältnisse zum Egerer Gebiete; dann das
Recht, beim Erlöschen des Hauses Habsburg einen König von Böhmen zu
wählen; das alleinige Recht, die Verfassung zu ändern; das Recht, alle
Steuern in Böhmen zu bewilligen; die Mitwirkung bei der Landesgesetz¬
gebung; die Mitverwaltung-im Handel und in Polizeisachen; das Recht, über
die Landesdomänen zu disponiren, Landestheile abzutreten oder zu erwer¬
ben; über Aufnahme von Mitgliedern in seine Mitte zu entscheiden; einen
Landesausschuß zu wählen, welcher das Landesvermögen verwaltet; Gleich¬
berechtigung der böhmischen Sprache mit der deutschen in Schule und Ge¬
richt; das Recht, zu verlangen, daß sich der Kaiser von Oestreich als König
von Böhmen krönen lasse und einen Eid dahin schwöre, daß er alle Rechte
und Freiheiten der böhmischen Krone -- oder mit einem Ausdrucke der Pietät
-~ der h. Wenzelskrone wahren und schützen wolle und solle.




Aus Schwaben.
Die würtenbergische Regierung und die Parlamentswahlen.

Auch bei den Zollparlamentswahlen ist das Loos, die letzten zu sein,
uns Schwaben nicht erspart worden. Indessen, wir sind es gewöhnt; our-


der Continuität seines durch eine ununterbrochene Reihe von Staatsacten
staatsrechtlich gewährleisteten Bestandes nicht präjudicirt haben und nicht
präjudiciren können.

Nach dem Gesagten wird auch klar, was die czechisch-nationale Partei
in Böhmen gegenwärtig anstrebt. Sie will eine möglichst große Autonomie
der Länder'der Krone Böhmens; sie will ferner eine veränderte Wahlord¬
nung. Während jetzt alle wichtigen Entscheidungen beim wiener Reichstage
liegen, und dem böhmischen Landtag nur Ausnahmsfälle bleiben, soll viel¬
mehr Alles Angelegenheit des Landtags werden und der Reichsvertretungs-
competenz nur die Ausnahmen zustehen. Die Machtstellung der Monarchie sei
durch eine gemeinsame Behandlung der höchsten Staatsausgaben zu wahren
und die Einheit des Reichs in der Beachtung der Mannigfaltigkeit seiner Be¬
standtheile und ihrer geschichtlichen Rechtsentwicklung zu sichern.

Die Bedeutung der böhmischen Wenzelkrone liegt sonach darin, daß Böh¬
men eine staatsrechtliche Individualität, eine staatsrechtliche Persönlichkeit
beansprucht. Diese staatsrechtliche Individualität manifestirt sich vornehmlich
in folgenden Rechten, welche die Landesvertretung Böhmens ohne alle Rück¬
sicht auf die neueste Landesordnung Schmerlings hat:

Erstens die Integrität des Territoriums, also die Zusammengehörig¬
keit mit Mähren und Schlesien, sammt dem eventuellen Heimfallsrecht
auf die Lausitz und dem Lehnverhältnisse zum Egerer Gebiete; dann das
Recht, beim Erlöschen des Hauses Habsburg einen König von Böhmen zu
wählen; das alleinige Recht, die Verfassung zu ändern; das Recht, alle
Steuern in Böhmen zu bewilligen; die Mitwirkung bei der Landesgesetz¬
gebung; die Mitverwaltung-im Handel und in Polizeisachen; das Recht, über
die Landesdomänen zu disponiren, Landestheile abzutreten oder zu erwer¬
ben; über Aufnahme von Mitgliedern in seine Mitte zu entscheiden; einen
Landesausschuß zu wählen, welcher das Landesvermögen verwaltet; Gleich¬
berechtigung der böhmischen Sprache mit der deutschen in Schule und Ge¬
richt; das Recht, zu verlangen, daß sich der Kaiser von Oestreich als König
von Böhmen krönen lasse und einen Eid dahin schwöre, daß er alle Rechte
und Freiheiten der böhmischen Krone — oder mit einem Ausdrucke der Pietät
-~ der h. Wenzelskrone wahren und schützen wolle und solle.




Aus Schwaben.
Die würtenbergische Regierung und die Parlamentswahlen.

Auch bei den Zollparlamentswahlen ist das Loos, die letzten zu sein,
uns Schwaben nicht erspart worden. Indessen, wir sind es gewöhnt; our-


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[0437] der Continuität seines durch eine ununterbrochene Reihe von Staatsacten staatsrechtlich gewährleisteten Bestandes nicht präjudicirt haben und nicht präjudiciren können. Nach dem Gesagten wird auch klar, was die czechisch-nationale Partei in Böhmen gegenwärtig anstrebt. Sie will eine möglichst große Autonomie der Länder'der Krone Böhmens; sie will ferner eine veränderte Wahlord¬ nung. Während jetzt alle wichtigen Entscheidungen beim wiener Reichstage liegen, und dem böhmischen Landtag nur Ausnahmsfälle bleiben, soll viel¬ mehr Alles Angelegenheit des Landtags werden und der Reichsvertretungs- competenz nur die Ausnahmen zustehen. Die Machtstellung der Monarchie sei durch eine gemeinsame Behandlung der höchsten Staatsausgaben zu wahren und die Einheit des Reichs in der Beachtung der Mannigfaltigkeit seiner Be¬ standtheile und ihrer geschichtlichen Rechtsentwicklung zu sichern. Die Bedeutung der böhmischen Wenzelkrone liegt sonach darin, daß Böh¬ men eine staatsrechtliche Individualität, eine staatsrechtliche Persönlichkeit beansprucht. Diese staatsrechtliche Individualität manifestirt sich vornehmlich in folgenden Rechten, welche die Landesvertretung Böhmens ohne alle Rück¬ sicht auf die neueste Landesordnung Schmerlings hat: Erstens die Integrität des Territoriums, also die Zusammengehörig¬ keit mit Mähren und Schlesien, sammt dem eventuellen Heimfallsrecht auf die Lausitz und dem Lehnverhältnisse zum Egerer Gebiete; dann das Recht, beim Erlöschen des Hauses Habsburg einen König von Böhmen zu wählen; das alleinige Recht, die Verfassung zu ändern; das Recht, alle Steuern in Böhmen zu bewilligen; die Mitwirkung bei der Landesgesetz¬ gebung; die Mitverwaltung-im Handel und in Polizeisachen; das Recht, über die Landesdomänen zu disponiren, Landestheile abzutreten oder zu erwer¬ ben; über Aufnahme von Mitgliedern in seine Mitte zu entscheiden; einen Landesausschuß zu wählen, welcher das Landesvermögen verwaltet; Gleich¬ berechtigung der böhmischen Sprache mit der deutschen in Schule und Ge¬ richt; das Recht, zu verlangen, daß sich der Kaiser von Oestreich als König von Böhmen krönen lasse und einen Eid dahin schwöre, daß er alle Rechte und Freiheiten der böhmischen Krone — oder mit einem Ausdrucke der Pietät -~ der h. Wenzelskrone wahren und schützen wolle und solle. Aus Schwaben. Die würtenbergische Regierung und die Parlamentswahlen. Auch bei den Zollparlamentswahlen ist das Loos, die letzten zu sein, uns Schwaben nicht erspart worden. Indessen, wir sind es gewöhnt; our-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005/437>, abgerufen am 05.05.2024.