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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band.

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dern würdrn wir uns nur, wenn es einmal anders wäre. Wir sind zufrie-
den, daß unsre Abgeordneten überhaupt rechtzeitig nach Berlin kommen wer¬
den, um an der Eröffnung und den Arbeiten des Parlaments Theil zu neh¬
men. Denn eine Zeit lang stand selbst dies in Frage. Und nur der Nach¬
sicht, die man in Berlin mit unsern Eigenthümlichkeiten und Canzleigewohn-
heiten hatte, ist zu verdanken, daß es nicht anders kam. Ein seltsamer
Unstern schien überhaupt über den schwäbischen Vorbereitungen zu der ge-
sammtdeutschen Versammlung zu walten.

Man hätte denken sollen, für eine mäßig geordnete und mäßig willige
Verwaltung hätte das Geschäft der Wahlvorbereitung keine übergroßen
Schwierigkeiten darbieten können. Man durfte sich in allem nur nach dem
richten, was im ganzen übrigen Deutschland bereits in aller Ordnung ge¬
schehen war. Die Versuchung zu originellen Experimenten schien doch bei
diesem Anlaß am wenigsten gerechtfertigt. Alles war glatt und eben, allein
offenbar viel zu glatt und eben für unsre Regierung, die sich ein Vergnügen
daraus machte, sich selbst Steine des Anstoßes in den Weg zu wälzen, über
die sie nothwendig straucheln mußte.

Schon die Frage machte der Regierung viel Kopfzerbrechen, wie viele
Abgeordnete Würtemberg eigentlich zu wählen habe. Nach der Zählung von
von 1864 waren es deren unstreitig 17, nach der neuesten von 1867 stieg
diese Zahl ohne Zweifel auf 18. Nun war nicht blos im Nordbund nach
der Zählung von 1864 gewählt, sondern auch Baden und Baiern hatten
selbstverständlich nach dieser Rechnung ihre Wahlen angeordnet. Für die wür-
tenbergische Regierung konnte dies freilich nicht bestimmend sein. Als man
ungeduldig verlangte, die Regierung möge endlich die Eintheilung der Wahl¬
bezirke veröffentlichen, die für diesmal ihrer discretionären Gewalt anheim¬
gegeben war, wurde mit schlauem Blinzeln erwidert, man möge sich doch
gedulden, es werde nur das noch nicht officiell festgestellte Resultat der jüng¬
sten Zählung abgewartet, auf welche die Wahlen zu basiren seien. Die Re¬
gierung hatte allen Ernstes die Absicht, auf Kosten der Gleichheit mit dem
übrigen Deutschland ihrem Land ein Benefiz, ein ganz kleines Prositchen zu¬
zuwenden. Erst als das officielle Resultat der Zählung länger aus sich warten
ließ, als die Regierung in den Kammern über ihre Absichten interpellirt und
ihr vorgehalten wurde, daß das Parlament in Berlin das zuständige Tribunal
für die Gültigkeit der Wahlen sei, entschloß sie sich, ungern, zur Nach'
giebigkeit.

War über solchen Speculationen ziemlich viel Zeit hingegangen, so war
man bemüht auf andere Weise den Verlust wieder zu decken. Es war be¬
zeichnend für die Manieren unserer Verwaltung, daß eines Tags plötzlich
ein Rescript des Ministers erschien, welches die Wahlcommissionen in Furn-


dern würdrn wir uns nur, wenn es einmal anders wäre. Wir sind zufrie-
den, daß unsre Abgeordneten überhaupt rechtzeitig nach Berlin kommen wer¬
den, um an der Eröffnung und den Arbeiten des Parlaments Theil zu neh¬
men. Denn eine Zeit lang stand selbst dies in Frage. Und nur der Nach¬
sicht, die man in Berlin mit unsern Eigenthümlichkeiten und Canzleigewohn-
heiten hatte, ist zu verdanken, daß es nicht anders kam. Ein seltsamer
Unstern schien überhaupt über den schwäbischen Vorbereitungen zu der ge-
sammtdeutschen Versammlung zu walten.

Man hätte denken sollen, für eine mäßig geordnete und mäßig willige
Verwaltung hätte das Geschäft der Wahlvorbereitung keine übergroßen
Schwierigkeiten darbieten können. Man durfte sich in allem nur nach dem
richten, was im ganzen übrigen Deutschland bereits in aller Ordnung ge¬
schehen war. Die Versuchung zu originellen Experimenten schien doch bei
diesem Anlaß am wenigsten gerechtfertigt. Alles war glatt und eben, allein
offenbar viel zu glatt und eben für unsre Regierung, die sich ein Vergnügen
daraus machte, sich selbst Steine des Anstoßes in den Weg zu wälzen, über
die sie nothwendig straucheln mußte.

Schon die Frage machte der Regierung viel Kopfzerbrechen, wie viele
Abgeordnete Würtemberg eigentlich zu wählen habe. Nach der Zählung von
von 1864 waren es deren unstreitig 17, nach der neuesten von 1867 stieg
diese Zahl ohne Zweifel auf 18. Nun war nicht blos im Nordbund nach
der Zählung von 1864 gewählt, sondern auch Baden und Baiern hatten
selbstverständlich nach dieser Rechnung ihre Wahlen angeordnet. Für die wür-
tenbergische Regierung konnte dies freilich nicht bestimmend sein. Als man
ungeduldig verlangte, die Regierung möge endlich die Eintheilung der Wahl¬
bezirke veröffentlichen, die für diesmal ihrer discretionären Gewalt anheim¬
gegeben war, wurde mit schlauem Blinzeln erwidert, man möge sich doch
gedulden, es werde nur das noch nicht officiell festgestellte Resultat der jüng¬
sten Zählung abgewartet, auf welche die Wahlen zu basiren seien. Die Re¬
gierung hatte allen Ernstes die Absicht, auf Kosten der Gleichheit mit dem
übrigen Deutschland ihrem Land ein Benefiz, ein ganz kleines Prositchen zu¬
zuwenden. Erst als das officielle Resultat der Zählung länger aus sich warten
ließ, als die Regierung in den Kammern über ihre Absichten interpellirt und
ihr vorgehalten wurde, daß das Parlament in Berlin das zuständige Tribunal
für die Gültigkeit der Wahlen sei, entschloß sie sich, ungern, zur Nach'
giebigkeit.

War über solchen Speculationen ziemlich viel Zeit hingegangen, so war
man bemüht auf andere Weise den Verlust wieder zu decken. Es war be¬
zeichnend für die Manieren unserer Verwaltung, daß eines Tags plötzlich
ein Rescript des Ministers erschien, welches die Wahlcommissionen in Furn-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005/438>, abgerufen am 18.05.2024.