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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band.

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G. E. Lessing's Bildnisse.

Es gibt einige schöne Bildnisse Lessing's, in verschiedenen Lebensepochen
gemalt und ohne Zweifel ähnlich, da sie unter einander sowie mit der Todten-
maske übereinstimmen; mit diesen vortrefflichen Hilfsmitteln ausgerüstet,
haben Schadow, Rauch, Rietschel, unsere größten Bildhauer, Lessing treu und
schön dargestellt; dennoch ist in neuer Zeit ein Bildniß von ihm, ein zier¬
licher Kupferstich, erschienen, welcher die Copie eines abscheulichen älteren
Blattes ist! Hier erscheint er so unähnlich, so aufgedunsen und häßlich, daß
er selber wohl höchst unzufrieden wäre, denn er legte bekanntlich großen
Werth auf sein anmuthiges Aeußere. Gewiß hatte er schon als Knabe mit
seinem bis auf den Kern der Dinge eindringenden Scharfblick aus den Klas¬
sikern gelernt, daß die uns so auffallende plastische Abgeschlossenheit der an¬
tiken Charaktere sich zum Theil aus dem großen Gewicht erklärt, welches
das Alterthum auf die körperliche Ausbildung gelegt; deshalb hatte er als
leipziger Student der Theologie gegen alle damalige Gewohnheit das Fechten,
Reiten und Tanzen so eifrig betrieben, daß er später, als er sich in Tauen-
zien's Gefolge begab, um nun die große Welt, die Soldatenwelt, kennen zu
lernen, auch in diesen äußerlichen Beziehungen sich den Offizieren bequem
an die Seite stellen konnte. Schreibt ihm doch seine Braut Frau König,
ein Schauspieler, welcher in Hamburg aufgetreten war, gefiele, weil man
ihn einem gewissen Herrn (Lessing nämlich) ähnlich fände, welcher allen
Frauen gefallen habe. Und wenn es auch nicht alle Traditionen sagten, daß
er auch äußerlich von der unbehilflichen Pedanterie seiner gelehrten Zeit¬
genossen völlig frei gewesen, die vollkommene und schöne Harmonie seines
Wesens, welche aus jeder Seite seiner Schriften spricht, beweist es.

Die Nachrichten über Lessing's Bildnisse in dem fleißigen und vortreff¬
lichen Buche von Danzel und Guhrauer sind nicht vollständig und nicht
völlig genau; eine Aufzählung der vorhandenen Bildnisse, so weit sie dem
Schreiber dieser Blätter bekannt sind, mit Hervorhebung der besten, fast ganz
auf eigener Anschauung beruhend, wird seinen Verehrern nicht werthlos
scheinen.


Grenzboten I. 18V8. 56
G. E. Lessing's Bildnisse.

Es gibt einige schöne Bildnisse Lessing's, in verschiedenen Lebensepochen
gemalt und ohne Zweifel ähnlich, da sie unter einander sowie mit der Todten-
maske übereinstimmen; mit diesen vortrefflichen Hilfsmitteln ausgerüstet,
haben Schadow, Rauch, Rietschel, unsere größten Bildhauer, Lessing treu und
schön dargestellt; dennoch ist in neuer Zeit ein Bildniß von ihm, ein zier¬
licher Kupferstich, erschienen, welcher die Copie eines abscheulichen älteren
Blattes ist! Hier erscheint er so unähnlich, so aufgedunsen und häßlich, daß
er selber wohl höchst unzufrieden wäre, denn er legte bekanntlich großen
Werth auf sein anmuthiges Aeußere. Gewiß hatte er schon als Knabe mit
seinem bis auf den Kern der Dinge eindringenden Scharfblick aus den Klas¬
sikern gelernt, daß die uns so auffallende plastische Abgeschlossenheit der an¬
tiken Charaktere sich zum Theil aus dem großen Gewicht erklärt, welches
das Alterthum auf die körperliche Ausbildung gelegt; deshalb hatte er als
leipziger Student der Theologie gegen alle damalige Gewohnheit das Fechten,
Reiten und Tanzen so eifrig betrieben, daß er später, als er sich in Tauen-
zien's Gefolge begab, um nun die große Welt, die Soldatenwelt, kennen zu
lernen, auch in diesen äußerlichen Beziehungen sich den Offizieren bequem
an die Seite stellen konnte. Schreibt ihm doch seine Braut Frau König,
ein Schauspieler, welcher in Hamburg aufgetreten war, gefiele, weil man
ihn einem gewissen Herrn (Lessing nämlich) ähnlich fände, welcher allen
Frauen gefallen habe. Und wenn es auch nicht alle Traditionen sagten, daß
er auch äußerlich von der unbehilflichen Pedanterie seiner gelehrten Zeit¬
genossen völlig frei gewesen, die vollkommene und schöne Harmonie seines
Wesens, welche aus jeder Seite seiner Schriften spricht, beweist es.

Die Nachrichten über Lessing's Bildnisse in dem fleißigen und vortreff¬
lichen Buche von Danzel und Guhrauer sind nicht vollständig und nicht
völlig genau; eine Aufzählung der vorhandenen Bildnisse, so weit sie dem
Schreiber dieser Blätter bekannt sind, mit Hervorhebung der besten, fast ganz
auf eigener Anschauung beruhend, wird seinen Verehrern nicht werthlos
scheinen.


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[0449] G. E. Lessing's Bildnisse. Es gibt einige schöne Bildnisse Lessing's, in verschiedenen Lebensepochen gemalt und ohne Zweifel ähnlich, da sie unter einander sowie mit der Todten- maske übereinstimmen; mit diesen vortrefflichen Hilfsmitteln ausgerüstet, haben Schadow, Rauch, Rietschel, unsere größten Bildhauer, Lessing treu und schön dargestellt; dennoch ist in neuer Zeit ein Bildniß von ihm, ein zier¬ licher Kupferstich, erschienen, welcher die Copie eines abscheulichen älteren Blattes ist! Hier erscheint er so unähnlich, so aufgedunsen und häßlich, daß er selber wohl höchst unzufrieden wäre, denn er legte bekanntlich großen Werth auf sein anmuthiges Aeußere. Gewiß hatte er schon als Knabe mit seinem bis auf den Kern der Dinge eindringenden Scharfblick aus den Klas¬ sikern gelernt, daß die uns so auffallende plastische Abgeschlossenheit der an¬ tiken Charaktere sich zum Theil aus dem großen Gewicht erklärt, welches das Alterthum auf die körperliche Ausbildung gelegt; deshalb hatte er als leipziger Student der Theologie gegen alle damalige Gewohnheit das Fechten, Reiten und Tanzen so eifrig betrieben, daß er später, als er sich in Tauen- zien's Gefolge begab, um nun die große Welt, die Soldatenwelt, kennen zu lernen, auch in diesen äußerlichen Beziehungen sich den Offizieren bequem an die Seite stellen konnte. Schreibt ihm doch seine Braut Frau König, ein Schauspieler, welcher in Hamburg aufgetreten war, gefiele, weil man ihn einem gewissen Herrn (Lessing nämlich) ähnlich fände, welcher allen Frauen gefallen habe. Und wenn es auch nicht alle Traditionen sagten, daß er auch äußerlich von der unbehilflichen Pedanterie seiner gelehrten Zeit¬ genossen völlig frei gewesen, die vollkommene und schöne Harmonie seines Wesens, welche aus jeder Seite seiner Schriften spricht, beweist es. Die Nachrichten über Lessing's Bildnisse in dem fleißigen und vortreff¬ lichen Buche von Danzel und Guhrauer sind nicht vollständig und nicht völlig genau; eine Aufzählung der vorhandenen Bildnisse, so weit sie dem Schreiber dieser Blätter bekannt sind, mit Hervorhebung der besten, fast ganz auf eigener Anschauung beruhend, wird seinen Verehrern nicht werthlos scheinen. Grenzboten I. 18V8. 56

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_117005/449>, abgerufen am 05.05.2024.