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Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band.

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slavismus und gegen die Anlehnung der westlichen Slaven an das Russen-
thum auf der Tagesordnung ist, wäre dringend zu wünschen, daß die öffent¬
liche Meinung sich eingehender mit einem Gegenstande beschäftigte, den die
Russen selbst als das Urphänomen ihres Volkslebens bezeichnen*) und der
-- nach den Vorgängen in Litthauen und russisch Polen -- zunächst unter
den Ruthenen in nicht allzuferner Zukunft eine wichtige Rolle spielen muß.
Wir halten das französische Buch, welches zu den vorliegenden Bemerkungen
die Veranlassung gegeben, für besonders geeignet, die in Rede stehenden Ver¬
hältnisse occidentalen Verständniß zu vermitteln.




norddeutsche Kriegshafen.
9. Die Hafenstraße an der Jahde.

Wir führen unsere Leser diesmal zur Vervollständigung des in Ur. 38
gegebenen Bildes der Jahdeanlagen an die Hafenstraße. -- Noch stehen
Werkstätten und Magazine um den Binnenhafen nicht da, noch enthält der¬
selbe kein Wasser und wir können daher auf dem Boden des ungeheuern
Bassins trockenen Fußes in den Hafencanal treten, der in ganz kolossaler
Ausdehnung aus dem Bassin gerade nach Osten führt und dessen Sohle in
gleichem Niveau mit dem Boden des Hafenbassins und der Docks liegt. Wie
zwei Berghänge begleiten uns zu beiden Seiten die hohen schwarzen Erdufer
des Canals; fast eine halbe Stunde Weges von der See hat man das Bin¬
nenhafenbassin angelegt, um ein Bombardement von Seiten einer feindlichen
Flotte oder eine wirksame Landung unmöglich zu machen, und so lang mußte
demnach der Camen sein, der von hier in das Seewasser des Jahdebusens
führen sollte. Der eigentliche Hafencanal hat nun im Ganzen eine Länge
von 400 Ruthen, und ohne den zum Binnenhafen gehörigen Theil 310
Ruthen (3720 Fuß), bei sechs Ruthen (71 Fuß) Breite in der Sohle, acht-
zehn Ruthen (216 Fuß) Breite im Wasserspiegel (222--260 Fuß oben, hun¬
dert Fuß in mittlerer Tiefe) und wird beiderseits gegen das umliegende
niedrige Land durch mächtige Deiche abgeschlossen.**)




") Eine ausführliche Darstellung der russischen Vorstellungen, welche sich an das Institut
des Gcmeindevrsitzes knüpfen, wird in dem demnächst erscheinenden Buch: "Baltische und
Russische Culturstudien von Julius Eckardt" (Leipzig bei Duncker und Humblot) enthalten sein.
Das Ausgraben und Ausbaggern dieses Vcrbindungscanals und die Anlage von Stein-
dossirungen auf seiner Böschung über Wasser ist auf L35.760 Thlr. veranschlagt, da die Dos-

slavismus und gegen die Anlehnung der westlichen Slaven an das Russen-
thum auf der Tagesordnung ist, wäre dringend zu wünschen, daß die öffent¬
liche Meinung sich eingehender mit einem Gegenstande beschäftigte, den die
Russen selbst als das Urphänomen ihres Volkslebens bezeichnen*) und der
— nach den Vorgängen in Litthauen und russisch Polen — zunächst unter
den Ruthenen in nicht allzuferner Zukunft eine wichtige Rolle spielen muß.
Wir halten das französische Buch, welches zu den vorliegenden Bemerkungen
die Veranlassung gegeben, für besonders geeignet, die in Rede stehenden Ver¬
hältnisse occidentalen Verständniß zu vermitteln.




norddeutsche Kriegshafen.
9. Die Hafenstraße an der Jahde.

Wir führen unsere Leser diesmal zur Vervollständigung des in Ur. 38
gegebenen Bildes der Jahdeanlagen an die Hafenstraße. — Noch stehen
Werkstätten und Magazine um den Binnenhafen nicht da, noch enthält der¬
selbe kein Wasser und wir können daher auf dem Boden des ungeheuern
Bassins trockenen Fußes in den Hafencanal treten, der in ganz kolossaler
Ausdehnung aus dem Bassin gerade nach Osten führt und dessen Sohle in
gleichem Niveau mit dem Boden des Hafenbassins und der Docks liegt. Wie
zwei Berghänge begleiten uns zu beiden Seiten die hohen schwarzen Erdufer
des Canals; fast eine halbe Stunde Weges von der See hat man das Bin¬
nenhafenbassin angelegt, um ein Bombardement von Seiten einer feindlichen
Flotte oder eine wirksame Landung unmöglich zu machen, und so lang mußte
demnach der Camen sein, der von hier in das Seewasser des Jahdebusens
führen sollte. Der eigentliche Hafencanal hat nun im Ganzen eine Länge
von 400 Ruthen, und ohne den zum Binnenhafen gehörigen Theil 310
Ruthen (3720 Fuß), bei sechs Ruthen (71 Fuß) Breite in der Sohle, acht-
zehn Ruthen (216 Fuß) Breite im Wasserspiegel (222—260 Fuß oben, hun¬
dert Fuß in mittlerer Tiefe) und wird beiderseits gegen das umliegende
niedrige Land durch mächtige Deiche abgeschlossen.**)




") Eine ausführliche Darstellung der russischen Vorstellungen, welche sich an das Institut
des Gcmeindevrsitzes knüpfen, wird in dem demnächst erscheinenden Buch: „Baltische und
Russische Culturstudien von Julius Eckardt" (Leipzig bei Duncker und Humblot) enthalten sein.
Das Ausgraben und Ausbaggern dieses Vcrbindungscanals und die Anlage von Stein-
dossirungen auf seiner Böschung über Wasser ist auf L35.760 Thlr. veranschlagt, da die Dos-
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 27, 1868, II. Semester. II Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341807_287271/16>, abgerufen am 02.05.2024.