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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

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Amerikaner) gern durch freudige Aufnahme jenes Trinkspruchs. Eine Ame¬
rikanerin, die schon erwähnte Mrs. Doggett, fügte ihrerseits sogar noch
Königin Victoria von England als ein Muster weiblicher Tugend und
Würde hinzu.

Wir gehen hier auf den Inhalt der sachlichen Verhandlungen, die außer
den genannten Stoffen noch Arbeitsnachweisungsanstalten und Fachschulen
für das weibliche Geschlecht betrafen, nicht weiter ein. Es wird wichtiger
sein, auf so weitschichtige Fragen in einem anderen Zusammenhang gelegent¬
lich zurückzukommen. Für diesmal genüge es schließlich auszusprechen, daß
die Berliner Zusammenkunft ihre Aufgabe erfüllt, d. h. die Bewegung in ein
breiteres, höheres Bette geleitet, ohne die Bürgschaften geordneter Weiter¬
entwickelung im mindesten zu schwächen, und ihr damit die nationale Würdig¬
keit gewährt hat, die ihr in der bisherigen Zerstreuung durch so viele ver¬
schiedene kleine Canäle noch abging.




Deutsche Dichtung in englischen Uebersetzungen.

Daß der Abstand zwischen dem Sprachgenius Griechenlands und Roms,
'selbst in dem Zeitalter der Virgil, Ovid und Horaz, den talentvollen Nach-
eiferern griechischer Dichtung, ein ungleich weiterer gewesen als der des
Deutschen und Englischen, bedarf für Kundige keines Beweises; aber auch
bei den Schwesterzungen der Franzosen und Italiener ist das beide um¬
schlingende Band loser und lockerer geknüpft, als die Sprachähnlichkeit zwischen
ihren nordischen Gegensätzen, Briten und Deutschen. Und da jedes volks¬
tümliche Idiom nur der verkörperte Ausdruck des Volksgeistes ist, so wird
auch die in den höchsten Blüthen der Sprache entfaltete Dichtung zweier eng¬
verwandter Nationen eine Fülle von Analogien darbieten, welche den Kenner
oder auch nur Liebhaber beiter zu unwillkürlichen Vergleichen auffordern und
dadurch ganz naturgemäß zu Übertragungen aus der einen in die andere
Form reizen. So ist es denn auch im Laufe des letzten Jahrhunderts, welches
erst bei uns, dann drüben die gegenseitige Erkenntniß geweckt und stetig
etweitert hat, den Deutschen und ihren angelsächsischen Vettern jenseit des
deutschen Meeres ergangen.

Kaum war man du uns vor reichlich hundert Jahren, seit Bodmer,
Breitinger und Hagedorn, mit den literarischen Schätzen des früher entwickelten
Englands bekannt und vertraut geworden, da regte sich alsbald das Streben


Amerikaner) gern durch freudige Aufnahme jenes Trinkspruchs. Eine Ame¬
rikanerin, die schon erwähnte Mrs. Doggett, fügte ihrerseits sogar noch
Königin Victoria von England als ein Muster weiblicher Tugend und
Würde hinzu.

Wir gehen hier auf den Inhalt der sachlichen Verhandlungen, die außer
den genannten Stoffen noch Arbeitsnachweisungsanstalten und Fachschulen
für das weibliche Geschlecht betrafen, nicht weiter ein. Es wird wichtiger
sein, auf so weitschichtige Fragen in einem anderen Zusammenhang gelegent¬
lich zurückzukommen. Für diesmal genüge es schließlich auszusprechen, daß
die Berliner Zusammenkunft ihre Aufgabe erfüllt, d. h. die Bewegung in ein
breiteres, höheres Bette geleitet, ohne die Bürgschaften geordneter Weiter¬
entwickelung im mindesten zu schwächen, und ihr damit die nationale Würdig¬
keit gewährt hat, die ihr in der bisherigen Zerstreuung durch so viele ver¬
schiedene kleine Canäle noch abging.




Deutsche Dichtung in englischen Uebersetzungen.

Daß der Abstand zwischen dem Sprachgenius Griechenlands und Roms,
'selbst in dem Zeitalter der Virgil, Ovid und Horaz, den talentvollen Nach-
eiferern griechischer Dichtung, ein ungleich weiterer gewesen als der des
Deutschen und Englischen, bedarf für Kundige keines Beweises; aber auch
bei den Schwesterzungen der Franzosen und Italiener ist das beide um¬
schlingende Band loser und lockerer geknüpft, als die Sprachähnlichkeit zwischen
ihren nordischen Gegensätzen, Briten und Deutschen. Und da jedes volks¬
tümliche Idiom nur der verkörperte Ausdruck des Volksgeistes ist, so wird
auch die in den höchsten Blüthen der Sprache entfaltete Dichtung zweier eng¬
verwandter Nationen eine Fülle von Analogien darbieten, welche den Kenner
oder auch nur Liebhaber beiter zu unwillkürlichen Vergleichen auffordern und
dadurch ganz naturgemäß zu Übertragungen aus der einen in die andere
Form reizen. So ist es denn auch im Laufe des letzten Jahrhunderts, welches
erst bei uns, dann drüben die gegenseitige Erkenntniß geweckt und stetig
etweitert hat, den Deutschen und ihren angelsächsischen Vettern jenseit des
deutschen Meeres ergangen.

Kaum war man du uns vor reichlich hundert Jahren, seit Bodmer,
Breitinger und Hagedorn, mit den literarischen Schätzen des früher entwickelten
Englands bekannt und vertraut geworden, da regte sich alsbald das Streben


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[0293] Amerikaner) gern durch freudige Aufnahme jenes Trinkspruchs. Eine Ame¬ rikanerin, die schon erwähnte Mrs. Doggett, fügte ihrerseits sogar noch Königin Victoria von England als ein Muster weiblicher Tugend und Würde hinzu. Wir gehen hier auf den Inhalt der sachlichen Verhandlungen, die außer den genannten Stoffen noch Arbeitsnachweisungsanstalten und Fachschulen für das weibliche Geschlecht betrafen, nicht weiter ein. Es wird wichtiger sein, auf so weitschichtige Fragen in einem anderen Zusammenhang gelegent¬ lich zurückzukommen. Für diesmal genüge es schließlich auszusprechen, daß die Berliner Zusammenkunft ihre Aufgabe erfüllt, d. h. die Bewegung in ein breiteres, höheres Bette geleitet, ohne die Bürgschaften geordneter Weiter¬ entwickelung im mindesten zu schwächen, und ihr damit die nationale Würdig¬ keit gewährt hat, die ihr in der bisherigen Zerstreuung durch so viele ver¬ schiedene kleine Canäle noch abging. Deutsche Dichtung in englischen Uebersetzungen. Daß der Abstand zwischen dem Sprachgenius Griechenlands und Roms, 'selbst in dem Zeitalter der Virgil, Ovid und Horaz, den talentvollen Nach- eiferern griechischer Dichtung, ein ungleich weiterer gewesen als der des Deutschen und Englischen, bedarf für Kundige keines Beweises; aber auch bei den Schwesterzungen der Franzosen und Italiener ist das beide um¬ schlingende Band loser und lockerer geknüpft, als die Sprachähnlichkeit zwischen ihren nordischen Gegensätzen, Briten und Deutschen. Und da jedes volks¬ tümliche Idiom nur der verkörperte Ausdruck des Volksgeistes ist, so wird auch die in den höchsten Blüthen der Sprache entfaltete Dichtung zweier eng¬ verwandter Nationen eine Fülle von Analogien darbieten, welche den Kenner oder auch nur Liebhaber beiter zu unwillkürlichen Vergleichen auffordern und dadurch ganz naturgemäß zu Übertragungen aus der einen in die andere Form reizen. So ist es denn auch im Laufe des letzten Jahrhunderts, welches erst bei uns, dann drüben die gegenseitige Erkenntniß geweckt und stetig etweitert hat, den Deutschen und ihren angelsächsischen Vettern jenseit des deutschen Meeres ergangen. Kaum war man du uns vor reichlich hundert Jahren, seit Bodmer, Breitinger und Hagedorn, mit den literarischen Schätzen des früher entwickelten Englands bekannt und vertraut geworden, da regte sich alsbald das Streben

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/293>, abgerufen am 28.04.2024.