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Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band.

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der ursprünglichen Fassung des Entwurfes entsprechend, eine bindende Be¬
stimmung über diesen Punkt möglichst auszuschließen; er erklärte sich aber
schließlich mit dem von dem Abgeordneten von Bennigsen vorgeschlagene
Amendement einverstanden, welches die jährlichen Etatsüberschüsse ein für
allemal für die Amortisation bestimmt und eine Ausnahme von dieser
Regel nur in dem Falle statuirt, daß in dem Staatshaushaltsgesetz aus¬
drücklich eine anderweitige Verfügung getroffen wird. Für die practischen
Chancen der beabsichtigten Operation und ihre eventuelle Aufnahme Sei¬
tens des Publtcums ist die Aufstellung jenes Grundsatzes jedenfalls von
großer Bedeutung, da er entschieden dazu beitragen wird, den Glauben
an die Solidität der Anlage zu stärken. Für die schließlich" Entscheidung
des Hauses bietet auch der vorliegende Commissionsbeschluß noch keinerlei
Garantien, zumal die Annahme des Entwurfs nur mit einer Majorität von
vier Stimmen erfolgte. Die Fortschrittspartei ist, wie ich schon neulich schrieb,
principiell gegen die Convertirung, weil sie fürchtet, daß die dadurch frei
werdenden Mittel lediglich der Ausbeutung durch den Militäretat verfallen
werden. Von den Conservativen wird ein Theil vielleicht für das Gesetz
stimmen, um die Gefahr eines neuen Steuerzuschlages dadurch abzuwenden.
Der äußerste Flügel der Rechten strebt danach, den Entwurf und mit ihm
Herrn Camphausen, der nicht der Mann nach ihrem Herzen ist, zu Falle zu
bringen. Es wird danach wesentlich von dem Zusammenhalten der Mittel¬
parteien abhängen, ob das Gesetz zu Stande kommt oder nicht.




Polnischer Monatsbericht.

X

Der November 1869 hat den Zeitgenossen all' die Dinge gebracht,
die mit größerer oder geringerer Aufmerksamkeit von ihm erwartet worden
waren: die feierliche (wenn auch noch nicht die factische) Eröffnung des Suez-
canals, die Pariser Nachwahlen, die Eröffnung des Corps ligislattf, das
Scheitern der spanischen Hoffnungen auf den Herzog von Genua, endlich den
Camphausen'schen Plan zur Beseitigung des kleinsten aber meist besprochenen
Deficits im Haushalt der europäischen Großmächte. Zu diesen Ereignissen
ist noch eine Reihe anderer Vorgänge gekommen, welche sich unangemeldet
eingestellt haben: das Fiasco der k. k. Unternehmungen gegen die aufrühre¬
rische Bocca ti Cataro, das vorläufige Verbleiben der galizischen Landboten
im Wiener Reichstage, der erneute Wahlsieg der bayrischen Ultramontanen


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der ursprünglichen Fassung des Entwurfes entsprechend, eine bindende Be¬
stimmung über diesen Punkt möglichst auszuschließen; er erklärte sich aber
schließlich mit dem von dem Abgeordneten von Bennigsen vorgeschlagene
Amendement einverstanden, welches die jährlichen Etatsüberschüsse ein für
allemal für die Amortisation bestimmt und eine Ausnahme von dieser
Regel nur in dem Falle statuirt, daß in dem Staatshaushaltsgesetz aus¬
drücklich eine anderweitige Verfügung getroffen wird. Für die practischen
Chancen der beabsichtigten Operation und ihre eventuelle Aufnahme Sei¬
tens des Publtcums ist die Aufstellung jenes Grundsatzes jedenfalls von
großer Bedeutung, da er entschieden dazu beitragen wird, den Glauben
an die Solidität der Anlage zu stärken. Für die schließlich« Entscheidung
des Hauses bietet auch der vorliegende Commissionsbeschluß noch keinerlei
Garantien, zumal die Annahme des Entwurfs nur mit einer Majorität von
vier Stimmen erfolgte. Die Fortschrittspartei ist, wie ich schon neulich schrieb,
principiell gegen die Convertirung, weil sie fürchtet, daß die dadurch frei
werdenden Mittel lediglich der Ausbeutung durch den Militäretat verfallen
werden. Von den Conservativen wird ein Theil vielleicht für das Gesetz
stimmen, um die Gefahr eines neuen Steuerzuschlages dadurch abzuwenden.
Der äußerste Flügel der Rechten strebt danach, den Entwurf und mit ihm
Herrn Camphausen, der nicht der Mann nach ihrem Herzen ist, zu Falle zu
bringen. Es wird danach wesentlich von dem Zusammenhalten der Mittel¬
parteien abhängen, ob das Gesetz zu Stande kommt oder nicht.




Polnischer Monatsbericht.

X

Der November 1869 hat den Zeitgenossen all' die Dinge gebracht,
die mit größerer oder geringerer Aufmerksamkeit von ihm erwartet worden
waren: die feierliche (wenn auch noch nicht die factische) Eröffnung des Suez-
canals, die Pariser Nachwahlen, die Eröffnung des Corps ligislattf, das
Scheitern der spanischen Hoffnungen auf den Herzog von Genua, endlich den
Camphausen'schen Plan zur Beseitigung des kleinsten aber meist besprochenen
Deficits im Haushalt der europäischen Großmächte. Zu diesen Ereignissen
ist noch eine Reihe anderer Vorgänge gekommen, welche sich unangemeldet
eingestellt haben: das Fiasco der k. k. Unternehmungen gegen die aufrühre¬
rische Bocca ti Cataro, das vorläufige Verbleiben der galizischen Landboten
im Wiener Reichstage, der erneute Wahlsieg der bayrischen Ultramontanen


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[0435] der ursprünglichen Fassung des Entwurfes entsprechend, eine bindende Be¬ stimmung über diesen Punkt möglichst auszuschließen; er erklärte sich aber schließlich mit dem von dem Abgeordneten von Bennigsen vorgeschlagene Amendement einverstanden, welches die jährlichen Etatsüberschüsse ein für allemal für die Amortisation bestimmt und eine Ausnahme von dieser Regel nur in dem Falle statuirt, daß in dem Staatshaushaltsgesetz aus¬ drücklich eine anderweitige Verfügung getroffen wird. Für die practischen Chancen der beabsichtigten Operation und ihre eventuelle Aufnahme Sei¬ tens des Publtcums ist die Aufstellung jenes Grundsatzes jedenfalls von großer Bedeutung, da er entschieden dazu beitragen wird, den Glauben an die Solidität der Anlage zu stärken. Für die schließlich« Entscheidung des Hauses bietet auch der vorliegende Commissionsbeschluß noch keinerlei Garantien, zumal die Annahme des Entwurfs nur mit einer Majorität von vier Stimmen erfolgte. Die Fortschrittspartei ist, wie ich schon neulich schrieb, principiell gegen die Convertirung, weil sie fürchtet, daß die dadurch frei werdenden Mittel lediglich der Ausbeutung durch den Militäretat verfallen werden. Von den Conservativen wird ein Theil vielleicht für das Gesetz stimmen, um die Gefahr eines neuen Steuerzuschlages dadurch abzuwenden. Der äußerste Flügel der Rechten strebt danach, den Entwurf und mit ihm Herrn Camphausen, der nicht der Mann nach ihrem Herzen ist, zu Falle zu bringen. Es wird danach wesentlich von dem Zusammenhalten der Mittel¬ parteien abhängen, ob das Gesetz zu Stande kommt oder nicht. Polnischer Monatsbericht. X Der November 1869 hat den Zeitgenossen all' die Dinge gebracht, die mit größerer oder geringerer Aufmerksamkeit von ihm erwartet worden waren: die feierliche (wenn auch noch nicht die factische) Eröffnung des Suez- canals, die Pariser Nachwahlen, die Eröffnung des Corps ligislattf, das Scheitern der spanischen Hoffnungen auf den Herzog von Genua, endlich den Camphausen'schen Plan zur Beseitigung des kleinsten aber meist besprochenen Deficits im Haushalt der europäischen Großmächte. Zu diesen Ereignissen ist noch eine Reihe anderer Vorgänge gekommen, welche sich unangemeldet eingestellt haben: das Fiasco der k. k. Unternehmungen gegen die aufrühre¬ rische Bocca ti Cataro, das vorläufige Verbleiben der galizischen Landboten im Wiener Reichstage, der erneute Wahlsieg der bayrischen Ultramontanen 64*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 28, 1869, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341809_121754/435>, abgerufen am 28.04.2024.