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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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Me rechtliche Stellung der MtKathottKen.

Das Nachstehende ist die Antwort auf eine von der "Germania" in
Berlin in ihrer Ur. 119 vom 29. Mai 1874 aufgeworfene Frage. Diese
Frage, in welcher der Ultramontanismus eine seiner stärksten Waffen zu
schwingen glaubt, lautet wörtlich dahin: "wie kann und darf der preußische
Cultusminister ohne Mentalrestriction die im §. 15 der preußischen Ver¬
fassung gebrauchte Bezeichnung "römisch-katholisch" auf die Altkatholiken be¬
ziehen und den mit §. 16 der beschworenen preußischen Verfassung der "rö¬
misch-katholischen" Kirche garantirten Besitz und Genuß auch den Altkatholiken,
die nicht mehr "römisch-katholisch" sein wollen, zuwenden?

Stellen wir zuerst Sinn und Interesse der Frage klar, um die es sich
handelt. Beides liegt nicht, wie die Germania mit jesuitisch-schlauer Dialektik
die Frage stellt, darin, mit welchem Rechte der Cultusminister die Bezeichnung
"römisch-katholisch" auf die Altkatholiken beziehen und ihnen die Rechte der
"Römisch-Katholischen" in Preußen gewähren dürfe, während sie selbst nicht
mehr "römisch-katholisch" sein wollen, sondern die allein ins Gewicht fallende
Frage ist, wie der §. 15 der preußischen Verfassung die Bezeich¬
nung "römisch-katholisch" verstanden, d. h. welchen Umfang und
Inhalt damals die Bezeichnung "römisch-katholisch" gehabt, oder wer damals
unter dem Namen "römisch-katholisch" begriffen worden sei, und wem danach
die preußische Verfassung die Rechte garantirt, und somit der Cultusminister,
sofern er die Verfassung beschworen, auch zu gewähren habe. Das ist die
Frage.

Wenn sich nun ergeben sollte, daß der dz. 15 der Verfassung mit der
Bezeichnung "römisch-katholisch" einen andern Umfang und Inhalt verbunden
hat, so folgt zuerst, daß das Hauptargument, welches die "Germania" aus der
Bezeichnung "römisch-katholisch" nimmt, hinfällig wird, weil es der Bezeichnung
einen andern Sinn unterschiebt, als der §. 15 der Verfassung damit verbindet,
es folgt aber auch weiter, daß der Cultusminister im Sinne des §. 15 zu
handeln hat, und nicht in dem Sinne, welchen die "Germania" der Verfassung
unterlegt.

Offenbar rechnet nun der Cultusminister die Altkatholiken zu denen,


GrenchottN lit. 1874. l S
Me rechtliche Stellung der MtKathottKen.

Das Nachstehende ist die Antwort auf eine von der „Germania" in
Berlin in ihrer Ur. 119 vom 29. Mai 1874 aufgeworfene Frage. Diese
Frage, in welcher der Ultramontanismus eine seiner stärksten Waffen zu
schwingen glaubt, lautet wörtlich dahin: „wie kann und darf der preußische
Cultusminister ohne Mentalrestriction die im §. 15 der preußischen Ver¬
fassung gebrauchte Bezeichnung „römisch-katholisch" auf die Altkatholiken be¬
ziehen und den mit §. 16 der beschworenen preußischen Verfassung der „rö¬
misch-katholischen" Kirche garantirten Besitz und Genuß auch den Altkatholiken,
die nicht mehr „römisch-katholisch" sein wollen, zuwenden?

Stellen wir zuerst Sinn und Interesse der Frage klar, um die es sich
handelt. Beides liegt nicht, wie die Germania mit jesuitisch-schlauer Dialektik
die Frage stellt, darin, mit welchem Rechte der Cultusminister die Bezeichnung
„römisch-katholisch" auf die Altkatholiken beziehen und ihnen die Rechte der
„Römisch-Katholischen" in Preußen gewähren dürfe, während sie selbst nicht
mehr „römisch-katholisch" sein wollen, sondern die allein ins Gewicht fallende
Frage ist, wie der §. 15 der preußischen Verfassung die Bezeich¬
nung „römisch-katholisch" verstanden, d. h. welchen Umfang und
Inhalt damals die Bezeichnung „römisch-katholisch" gehabt, oder wer damals
unter dem Namen „römisch-katholisch" begriffen worden sei, und wem danach
die preußische Verfassung die Rechte garantirt, und somit der Cultusminister,
sofern er die Verfassung beschworen, auch zu gewähren habe. Das ist die
Frage.

Wenn sich nun ergeben sollte, daß der dz. 15 der Verfassung mit der
Bezeichnung „römisch-katholisch" einen andern Umfang und Inhalt verbunden
hat, so folgt zuerst, daß das Hauptargument, welches die „Germania" aus der
Bezeichnung „römisch-katholisch" nimmt, hinfällig wird, weil es der Bezeichnung
einen andern Sinn unterschiebt, als der §. 15 der Verfassung damit verbindet,
es folgt aber auch weiter, daß der Cultusminister im Sinne des §. 15 zu
handeln hat, und nicht in dem Sinne, welchen die „Germania" der Verfassung
unterlegt.

Offenbar rechnet nun der Cultusminister die Altkatholiken zu denen,


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[0129] Me rechtliche Stellung der MtKathottKen. Das Nachstehende ist die Antwort auf eine von der „Germania" in Berlin in ihrer Ur. 119 vom 29. Mai 1874 aufgeworfene Frage. Diese Frage, in welcher der Ultramontanismus eine seiner stärksten Waffen zu schwingen glaubt, lautet wörtlich dahin: „wie kann und darf der preußische Cultusminister ohne Mentalrestriction die im §. 15 der preußischen Ver¬ fassung gebrauchte Bezeichnung „römisch-katholisch" auf die Altkatholiken be¬ ziehen und den mit §. 16 der beschworenen preußischen Verfassung der „rö¬ misch-katholischen" Kirche garantirten Besitz und Genuß auch den Altkatholiken, die nicht mehr „römisch-katholisch" sein wollen, zuwenden? Stellen wir zuerst Sinn und Interesse der Frage klar, um die es sich handelt. Beides liegt nicht, wie die Germania mit jesuitisch-schlauer Dialektik die Frage stellt, darin, mit welchem Rechte der Cultusminister die Bezeichnung „römisch-katholisch" auf die Altkatholiken beziehen und ihnen die Rechte der „Römisch-Katholischen" in Preußen gewähren dürfe, während sie selbst nicht mehr „römisch-katholisch" sein wollen, sondern die allein ins Gewicht fallende Frage ist, wie der §. 15 der preußischen Verfassung die Bezeich¬ nung „römisch-katholisch" verstanden, d. h. welchen Umfang und Inhalt damals die Bezeichnung „römisch-katholisch" gehabt, oder wer damals unter dem Namen „römisch-katholisch" begriffen worden sei, und wem danach die preußische Verfassung die Rechte garantirt, und somit der Cultusminister, sofern er die Verfassung beschworen, auch zu gewähren habe. Das ist die Frage. Wenn sich nun ergeben sollte, daß der dz. 15 der Verfassung mit der Bezeichnung „römisch-katholisch" einen andern Umfang und Inhalt verbunden hat, so folgt zuerst, daß das Hauptargument, welches die „Germania" aus der Bezeichnung „römisch-katholisch" nimmt, hinfällig wird, weil es der Bezeichnung einen andern Sinn unterschiebt, als der §. 15 der Verfassung damit verbindet, es folgt aber auch weiter, daß der Cultusminister im Sinne des §. 15 zu handeln hat, und nicht in dem Sinne, welchen die „Germania" der Verfassung unterlegt. Offenbar rechnet nun der Cultusminister die Altkatholiken zu denen, GrenchottN lit. 1874. l S

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/129>, abgerufen am 06.05.2024.