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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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Partei bekehrte Inäustnczl in Mülhausen läßt sich sogar aus Straßburg
schreiben: "Die Regierung hat nun keinen Grund mehr, uns die Führung
unserer Angelegenheiten zu verweigern. Mir wollen eine eigene Vertretung,
die hier sitzt und nicht in Berlin, die uns ein Regime verschafft, das im
Einklang ist mit den Interessen und Bedürfnissen der zwei Millionen (?)
Elsaß-Lothringer, die mit den Interessen und Bedürfnissen der 40 Millionen
Deutschen im Reich nichts gemein (!) haben. Mit Einem Wort: Elsaß-
Lothringen ist reif für die Autonomie!" -- Gegen derartige Phrasenprogramme
sticht der lothringische Antrag wohlthätig ab. Derselbe sagt u. A., nüchtern
das Erreichbare ins Auge fassend: "Wenn die Regierung den Wunsch,
welchen wir in der Januar-Session ausgesprochen, nicht vollständig entgegen¬
nehmen kann, so stellt die Kommission nunmehr den Antrag, daß das Gesetz
vom 10. Mai 1838 in folgender Weise abgeändert werde: 1) In der Session
für 1875 werden in jedem der drei Bezirkstage von Elsaß-Lothringen zehn
Mitglieder gewählt, um die Fragen zu prüfen, welche die drei Bezirke gemein¬
schaftlich angehen. Die Amtsdauer dieser Mitglieder wird auf drei Jahre
festgesetzt. 2) Diese Kommission, welche abwechselnd in Straßburg, Metz und
Kolmar zusammentritt, wird durch kaiserliche Verordnung einberufen. 3) Die¬
selbe hat das Steuercontingent für die verschiedenen Bezirke Elsaß-Lothringens
zu vertheilen, nach Artikel 1 und 4 des Gesetzes vom 10. Mai 1838. 4) Die
Seitens der Finanzverwaltung über die Einnahmen und Ausgaben der Ver¬
waltung des Reichslandes Elsaß-Lothringen angefertigten Rechnungsauszüge
sollen dieser Kommission mitgetheilt werden, damit sie die ihr nützlich schei¬
nenden Modifikationen der Regierung kund geben kann." Und mehr, als
hier verlangt wird, dürfte in der That zunächst auch kaum bewilligt werden
können. Denn das Reichsland soll kein eigener Staat werden -- deren haben
wir genug -- sondern eine Reichsprovinz unter der Landeshoheit des Königs
von Preußen als Kaisers von Deutschland.




Die Zerren vom Stuttgarter Beobachter.

Als das deutsche Reichspreßgesetz von unseren Reichsbehörden vorbereitet
wurde, war der jetzige § 11 desselben, welcher von der Pflicht der Presse
handelt, thatsächliche Berichtigungen aufzunehmen, einer derjenigen, an welchem
die reichsfeindliche Presse der sog. deutschen Demokratie wieder einmal die
tiefe Erniedrigung der deutschen Nation durch die Reichsgesetzgebung zu ver¬
anschaulichen suchte. Niemand hätte wagen dürfen zu prophezeien, daß diese
reinlichen Charaktere sich jemals soweit verirren könnten, ihrerseits selbst diesen
Paragraphen anzurufen, der das Ur- und Grundrecht des Radicalismus vom


Partei bekehrte Inäustnczl in Mülhausen läßt sich sogar aus Straßburg
schreiben: „Die Regierung hat nun keinen Grund mehr, uns die Führung
unserer Angelegenheiten zu verweigern. Mir wollen eine eigene Vertretung,
die hier sitzt und nicht in Berlin, die uns ein Regime verschafft, das im
Einklang ist mit den Interessen und Bedürfnissen der zwei Millionen (?)
Elsaß-Lothringer, die mit den Interessen und Bedürfnissen der 40 Millionen
Deutschen im Reich nichts gemein (!) haben. Mit Einem Wort: Elsaß-
Lothringen ist reif für die Autonomie!" — Gegen derartige Phrasenprogramme
sticht der lothringische Antrag wohlthätig ab. Derselbe sagt u. A., nüchtern
das Erreichbare ins Auge fassend: „Wenn die Regierung den Wunsch,
welchen wir in der Januar-Session ausgesprochen, nicht vollständig entgegen¬
nehmen kann, so stellt die Kommission nunmehr den Antrag, daß das Gesetz
vom 10. Mai 1838 in folgender Weise abgeändert werde: 1) In der Session
für 1875 werden in jedem der drei Bezirkstage von Elsaß-Lothringen zehn
Mitglieder gewählt, um die Fragen zu prüfen, welche die drei Bezirke gemein¬
schaftlich angehen. Die Amtsdauer dieser Mitglieder wird auf drei Jahre
festgesetzt. 2) Diese Kommission, welche abwechselnd in Straßburg, Metz und
Kolmar zusammentritt, wird durch kaiserliche Verordnung einberufen. 3) Die¬
selbe hat das Steuercontingent für die verschiedenen Bezirke Elsaß-Lothringens
zu vertheilen, nach Artikel 1 und 4 des Gesetzes vom 10. Mai 1838. 4) Die
Seitens der Finanzverwaltung über die Einnahmen und Ausgaben der Ver¬
waltung des Reichslandes Elsaß-Lothringen angefertigten Rechnungsauszüge
sollen dieser Kommission mitgetheilt werden, damit sie die ihr nützlich schei¬
nenden Modifikationen der Regierung kund geben kann." Und mehr, als
hier verlangt wird, dürfte in der That zunächst auch kaum bewilligt werden
können. Denn das Reichsland soll kein eigener Staat werden — deren haben
wir genug — sondern eine Reichsprovinz unter der Landeshoheit des Königs
von Preußen als Kaisers von Deutschland.




Die Zerren vom Stuttgarter Beobachter.

Als das deutsche Reichspreßgesetz von unseren Reichsbehörden vorbereitet
wurde, war der jetzige § 11 desselben, welcher von der Pflicht der Presse
handelt, thatsächliche Berichtigungen aufzunehmen, einer derjenigen, an welchem
die reichsfeindliche Presse der sog. deutschen Demokratie wieder einmal die
tiefe Erniedrigung der deutschen Nation durch die Reichsgesetzgebung zu ver¬
anschaulichen suchte. Niemand hätte wagen dürfen zu prophezeien, daß diese
reinlichen Charaktere sich jemals soweit verirren könnten, ihrerseits selbst diesen
Paragraphen anzurufen, der das Ur- und Grundrecht des Radicalismus vom


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[0446] Partei bekehrte Inäustnczl in Mülhausen läßt sich sogar aus Straßburg schreiben: „Die Regierung hat nun keinen Grund mehr, uns die Führung unserer Angelegenheiten zu verweigern. Mir wollen eine eigene Vertretung, die hier sitzt und nicht in Berlin, die uns ein Regime verschafft, das im Einklang ist mit den Interessen und Bedürfnissen der zwei Millionen (?) Elsaß-Lothringer, die mit den Interessen und Bedürfnissen der 40 Millionen Deutschen im Reich nichts gemein (!) haben. Mit Einem Wort: Elsaß- Lothringen ist reif für die Autonomie!" — Gegen derartige Phrasenprogramme sticht der lothringische Antrag wohlthätig ab. Derselbe sagt u. A., nüchtern das Erreichbare ins Auge fassend: „Wenn die Regierung den Wunsch, welchen wir in der Januar-Session ausgesprochen, nicht vollständig entgegen¬ nehmen kann, so stellt die Kommission nunmehr den Antrag, daß das Gesetz vom 10. Mai 1838 in folgender Weise abgeändert werde: 1) In der Session für 1875 werden in jedem der drei Bezirkstage von Elsaß-Lothringen zehn Mitglieder gewählt, um die Fragen zu prüfen, welche die drei Bezirke gemein¬ schaftlich angehen. Die Amtsdauer dieser Mitglieder wird auf drei Jahre festgesetzt. 2) Diese Kommission, welche abwechselnd in Straßburg, Metz und Kolmar zusammentritt, wird durch kaiserliche Verordnung einberufen. 3) Die¬ selbe hat das Steuercontingent für die verschiedenen Bezirke Elsaß-Lothringens zu vertheilen, nach Artikel 1 und 4 des Gesetzes vom 10. Mai 1838. 4) Die Seitens der Finanzverwaltung über die Einnahmen und Ausgaben der Ver¬ waltung des Reichslandes Elsaß-Lothringen angefertigten Rechnungsauszüge sollen dieser Kommission mitgetheilt werden, damit sie die ihr nützlich schei¬ nenden Modifikationen der Regierung kund geben kann." Und mehr, als hier verlangt wird, dürfte in der That zunächst auch kaum bewilligt werden können. Denn das Reichsland soll kein eigener Staat werden — deren haben wir genug — sondern eine Reichsprovinz unter der Landeshoheit des Königs von Preußen als Kaisers von Deutschland. Die Zerren vom Stuttgarter Beobachter. Als das deutsche Reichspreßgesetz von unseren Reichsbehörden vorbereitet wurde, war der jetzige § 11 desselben, welcher von der Pflicht der Presse handelt, thatsächliche Berichtigungen aufzunehmen, einer derjenigen, an welchem die reichsfeindliche Presse der sog. deutschen Demokratie wieder einmal die tiefe Erniedrigung der deutschen Nation durch die Reichsgesetzgebung zu ver¬ anschaulichen suchte. Niemand hätte wagen dürfen zu prophezeien, daß diese reinlichen Charaktere sich jemals soweit verirren könnten, ihrerseits selbst diesen Paragraphen anzurufen, der das Ur- und Grundrecht des Radicalismus vom

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/446>, abgerufen am 05.05.2024.