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Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band.

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Nesenbach, Andersdenkende zu beschimpfen und zu verleumden, so schnöde
durchkreuzte. Aber das Unglaubliche ist geschehen. Herr v. Hasenkamp,
Redacteur des Stuttgarter Beobachters, und sein Freund Herr Ludwig Wales¬
rode fordern von der Redaction der Grenzboten "Berichtigungen nach § 11
des Gesetzes vom 7. Mai 1874" wegen unserer Correspondenz "Aus Schwaben"
in No. 32 vom 7. August d. I. --

Die Forderung ist für den Kenner der Stuttgarter Demokratie durchaus
nicht überraschend. Sie besitzt eine erstaunliche Virtuosität in Inconsequenz.
Sie hat vielleicht -- trotz ihres kurzen Gedächtnisses -- die Tage noch in
Erinnerung, wo sie mit der für solche Fälle vorräthigen sittlichen Entrüstung
über die nationalen Organe herfiel, welche die Corruption ihres Frese behaup¬
teten, aus dessen schamloser "Democr. Correspondenz" der "Beobachter" in der
Hauptsache seine Leitartikel entnahm. Heute geben die Herren, und namentlich
Herr Carl Maier, die sittliche Depravation des Herrn Frese mit den am Nesen-
bach üblichen Kraftausdrücken zu -- aber das hindert den "Beobachter" nicht,
fast Tag für Tag die Artikel der von Frese geleiteten Wiener "Tagespresse"
abzudrucken, gerade wie s. Z. die Artikel der "Democratischen Correspondenz".

Die Forderung aus diesem Lager also, eine "Berichtigung" nach dem¬
selben Gesetz zu erzwingen, das man als den Niedergang aller germanischen
Libertät schadenfroh begrüßt hatte, durfte nicht überraschen. Auch das über¬
raschte nicht, daß diese Berichtigung gefordert wurde von einem Manne, den
der Beobachter fast tagtäglich mit Unrath bewirft, ohne deßhalb diesseits
jemals seit sieben Jahren an die Strenge des Gesetzes erinnert zu werden;
selbst dann nicht, als der Beobachter es für angemessen fand, das schmerz¬
lichste Ereigniß, welches das Herz eines Sohnes betreffen kann, den Tod der
Mutter, zu den gemeinsten Verleumdungen gegen den Sohn zu benutzen.

Das Erstaunlichste an dem Ansinnen der Herren war vielmehr lediglich die
Dreistigkeit, mit welcher "Berichtigungen nach dem Gesetz" von uns gefordert
wurden, die mit keiner Silbe auf dieses Gesetz sich stützen konnten, weil nicht
weniger als aller thatsächliche und aller berichtigende Inhalt ihnen abging.

Zuerst kam Herr Ludwig Walesrode mit seinem Ansinnen. Herr Ludwig
Walesrode war in der Correspondenz "Aus Schwaben" vom 7. August nur
erwähnt worden in einem wörtlichen Auszug aus einer gerichtlichen Klage,
die der bekannte Frankfurter Senator a. D. von Bernus gegen den bekannten
Herrn Haußmcnin beim Stuttgarter Kreisgerichtshof erhoben und die unser
Correspondent im Wortlaut in der "Frankfurter Presse" gefunden hatte.
Herr Walesrode war darin nur als einer der Vermittler erwähnt, an die
Herr von Bernus sich gewandt, um bei Herrn Haußmann die Erlangung
einer Abrechnung zu erwirken über diejenigen 1S00 si., die Herr von Bernus
Herrn Haußmann zu Zwecken der demokratischen Partei in Württemberg an-


Nesenbach, Andersdenkende zu beschimpfen und zu verleumden, so schnöde
durchkreuzte. Aber das Unglaubliche ist geschehen. Herr v. Hasenkamp,
Redacteur des Stuttgarter Beobachters, und sein Freund Herr Ludwig Wales¬
rode fordern von der Redaction der Grenzboten „Berichtigungen nach § 11
des Gesetzes vom 7. Mai 1874" wegen unserer Correspondenz „Aus Schwaben"
in No. 32 vom 7. August d. I. —

Die Forderung ist für den Kenner der Stuttgarter Demokratie durchaus
nicht überraschend. Sie besitzt eine erstaunliche Virtuosität in Inconsequenz.
Sie hat vielleicht — trotz ihres kurzen Gedächtnisses — die Tage noch in
Erinnerung, wo sie mit der für solche Fälle vorräthigen sittlichen Entrüstung
über die nationalen Organe herfiel, welche die Corruption ihres Frese behaup¬
teten, aus dessen schamloser „Democr. Correspondenz" der „Beobachter" in der
Hauptsache seine Leitartikel entnahm. Heute geben die Herren, und namentlich
Herr Carl Maier, die sittliche Depravation des Herrn Frese mit den am Nesen-
bach üblichen Kraftausdrücken zu — aber das hindert den „Beobachter" nicht,
fast Tag für Tag die Artikel der von Frese geleiteten Wiener „Tagespresse"
abzudrucken, gerade wie s. Z. die Artikel der „Democratischen Correspondenz".

Die Forderung aus diesem Lager also, eine „Berichtigung" nach dem¬
selben Gesetz zu erzwingen, das man als den Niedergang aller germanischen
Libertät schadenfroh begrüßt hatte, durfte nicht überraschen. Auch das über¬
raschte nicht, daß diese Berichtigung gefordert wurde von einem Manne, den
der Beobachter fast tagtäglich mit Unrath bewirft, ohne deßhalb diesseits
jemals seit sieben Jahren an die Strenge des Gesetzes erinnert zu werden;
selbst dann nicht, als der Beobachter es für angemessen fand, das schmerz¬
lichste Ereigniß, welches das Herz eines Sohnes betreffen kann, den Tod der
Mutter, zu den gemeinsten Verleumdungen gegen den Sohn zu benutzen.

Das Erstaunlichste an dem Ansinnen der Herren war vielmehr lediglich die
Dreistigkeit, mit welcher „Berichtigungen nach dem Gesetz" von uns gefordert
wurden, die mit keiner Silbe auf dieses Gesetz sich stützen konnten, weil nicht
weniger als aller thatsächliche und aller berichtigende Inhalt ihnen abging.

Zuerst kam Herr Ludwig Walesrode mit seinem Ansinnen. Herr Ludwig
Walesrode war in der Correspondenz „Aus Schwaben" vom 7. August nur
erwähnt worden in einem wörtlichen Auszug aus einer gerichtlichen Klage,
die der bekannte Frankfurter Senator a. D. von Bernus gegen den bekannten
Herrn Haußmcnin beim Stuttgarter Kreisgerichtshof erhoben und die unser
Correspondent im Wortlaut in der „Frankfurter Presse" gefunden hatte.
Herr Walesrode war darin nur als einer der Vermittler erwähnt, an die
Herr von Bernus sich gewandt, um bei Herrn Haußmann die Erlangung
einer Abrechnung zu erwirken über diejenigen 1S00 si., die Herr von Bernus
Herrn Haußmann zu Zwecken der demokratischen Partei in Württemberg an-


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[0447] Nesenbach, Andersdenkende zu beschimpfen und zu verleumden, so schnöde durchkreuzte. Aber das Unglaubliche ist geschehen. Herr v. Hasenkamp, Redacteur des Stuttgarter Beobachters, und sein Freund Herr Ludwig Wales¬ rode fordern von der Redaction der Grenzboten „Berichtigungen nach § 11 des Gesetzes vom 7. Mai 1874" wegen unserer Correspondenz „Aus Schwaben" in No. 32 vom 7. August d. I. — Die Forderung ist für den Kenner der Stuttgarter Demokratie durchaus nicht überraschend. Sie besitzt eine erstaunliche Virtuosität in Inconsequenz. Sie hat vielleicht — trotz ihres kurzen Gedächtnisses — die Tage noch in Erinnerung, wo sie mit der für solche Fälle vorräthigen sittlichen Entrüstung über die nationalen Organe herfiel, welche die Corruption ihres Frese behaup¬ teten, aus dessen schamloser „Democr. Correspondenz" der „Beobachter" in der Hauptsache seine Leitartikel entnahm. Heute geben die Herren, und namentlich Herr Carl Maier, die sittliche Depravation des Herrn Frese mit den am Nesen- bach üblichen Kraftausdrücken zu — aber das hindert den „Beobachter" nicht, fast Tag für Tag die Artikel der von Frese geleiteten Wiener „Tagespresse" abzudrucken, gerade wie s. Z. die Artikel der „Democratischen Correspondenz". Die Forderung aus diesem Lager also, eine „Berichtigung" nach dem¬ selben Gesetz zu erzwingen, das man als den Niedergang aller germanischen Libertät schadenfroh begrüßt hatte, durfte nicht überraschen. Auch das über¬ raschte nicht, daß diese Berichtigung gefordert wurde von einem Manne, den der Beobachter fast tagtäglich mit Unrath bewirft, ohne deßhalb diesseits jemals seit sieben Jahren an die Strenge des Gesetzes erinnert zu werden; selbst dann nicht, als der Beobachter es für angemessen fand, das schmerz¬ lichste Ereigniß, welches das Herz eines Sohnes betreffen kann, den Tod der Mutter, zu den gemeinsten Verleumdungen gegen den Sohn zu benutzen. Das Erstaunlichste an dem Ansinnen der Herren war vielmehr lediglich die Dreistigkeit, mit welcher „Berichtigungen nach dem Gesetz" von uns gefordert wurden, die mit keiner Silbe auf dieses Gesetz sich stützen konnten, weil nicht weniger als aller thatsächliche und aller berichtigende Inhalt ihnen abging. Zuerst kam Herr Ludwig Walesrode mit seinem Ansinnen. Herr Ludwig Walesrode war in der Correspondenz „Aus Schwaben" vom 7. August nur erwähnt worden in einem wörtlichen Auszug aus einer gerichtlichen Klage, die der bekannte Frankfurter Senator a. D. von Bernus gegen den bekannten Herrn Haußmcnin beim Stuttgarter Kreisgerichtshof erhoben und die unser Correspondent im Wortlaut in der „Frankfurter Presse" gefunden hatte. Herr Walesrode war darin nur als einer der Vermittler erwähnt, an die Herr von Bernus sich gewandt, um bei Herrn Haußmann die Erlangung einer Abrechnung zu erwirken über diejenigen 1S00 si., die Herr von Bernus Herrn Haußmann zu Zwecken der demokratischen Partei in Württemberg an-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 33, 1874, II. Semester, I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341819_359152/447>, abgerufen am 18.05.2024.