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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band.

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Dom preußischen Fandtag.

Die Sitzungen der Abgeordneten sind in dieser Woche nicht häufig ge¬
wesen, weil man den Commissionen, die mit der Vorberathung der Verwal¬
tungsgesetze beauftragt sind, Zeit zur Arbeit geben will. In den abgehaltenen
Sitzungen hat theils die Berathung des Staatshaushalts ihren Fortgang
genommen, theils ist das Gesetz wegen Abtretung der preußischen Bank an
das Reich durch seine drei Lesungen gegangen. Wir haben beiden Gegenstän¬
den keinen Stoff für unsere Berichterstattung zu entnehmen. Die Sitzung
vom 4. März aber wird dereinst zu den Gedenktagen der preußischen Geschichte
zählen. Denn in dieser Sitzung brachte der Cultusminister das Gesetz ein,
betreffend die Einstellung der Leistungen aus Staatsmitteln
für die römisch-katholischen Bisthümer und Geistlichen.

Am Schluß des letzten Briefes sprach ich aus, die Frage habe gestellt
werden müssen, ob der Reichskanzler an der Spitze der Geschäfte des Reichs
und des preußischen Staates verbleiben könne, so lange die Organisation dieser
Geschäfte eine Friction der gesammten Maschinerie herbeiführt, deren Ueber-
wältigung auf eine längere Dauer das Maß jeder menschlichen Kraft über¬
steigt. Ich fügte hinzu, daß über den Ausgang der Frage zur Zeit keine
Vermuthung zulässig sei. Inzwischen ist die Frage einfach vertagt worden,
und zwar vertagt, wie beinah der Augenschein zeigt, in Folge der päpstlichen
Encyclika vom 5. Februar d. I. Der Reichskanzler erkannte, daß jetzt die
Hauptschlacht geliefert werden müsse; und welcher steggewohnte Feldherr
hat je daran gedacht, beim Anbruch der Schlacht das Commando nieder¬
zulegen ?

Es fehlt nicht an Anzeichen, daß dem Reichskanzler im Kampfe gegen
Rom schon seit langer Zeit weder das Tempo noch die Angriffsmittel als
richtig gewählt erschienen sind. Man greift vielleicht nicht fehl, wenn man
in dieser Unzufriedenheit eine wenigstens mitwirkende Ursache für den noch
kürzlich wiederholten Wunsch sieht, von den Geschäften zeitweilig zurückzutre¬
ten. Jetzt hat Rom sich in Schlachtordnung gegen das deutsche Reich aufge¬
stellt, nun kann über Tempo und Angriff kein Zweifel mehr sein. Ein Theil
der Ursachen zum Rücktritt des Kanzlers ist damit von selbst entfallen. Und
dem andern Theil gegenüber hält den Kanzler der Beginn der Schlacht ge¬
bieterisch auf seinem Posten.

Die Einbehaltung der Staatsdotation für alle Mitglieder und Institute
des katholischen Clerus in Preußen, sofern die betreffenden Persönlichkeiten,
unmittelbar oder durch ihre maßgebenden Oberen nicht ausdrücklich den
Ltaatsgehorsam schriftlich geloben, ist einerseits eine so natürliche Maßregel,


Dom preußischen Fandtag.

Die Sitzungen der Abgeordneten sind in dieser Woche nicht häufig ge¬
wesen, weil man den Commissionen, die mit der Vorberathung der Verwal¬
tungsgesetze beauftragt sind, Zeit zur Arbeit geben will. In den abgehaltenen
Sitzungen hat theils die Berathung des Staatshaushalts ihren Fortgang
genommen, theils ist das Gesetz wegen Abtretung der preußischen Bank an
das Reich durch seine drei Lesungen gegangen. Wir haben beiden Gegenstän¬
den keinen Stoff für unsere Berichterstattung zu entnehmen. Die Sitzung
vom 4. März aber wird dereinst zu den Gedenktagen der preußischen Geschichte
zählen. Denn in dieser Sitzung brachte der Cultusminister das Gesetz ein,
betreffend die Einstellung der Leistungen aus Staatsmitteln
für die römisch-katholischen Bisthümer und Geistlichen.

Am Schluß des letzten Briefes sprach ich aus, die Frage habe gestellt
werden müssen, ob der Reichskanzler an der Spitze der Geschäfte des Reichs
und des preußischen Staates verbleiben könne, so lange die Organisation dieser
Geschäfte eine Friction der gesammten Maschinerie herbeiführt, deren Ueber-
wältigung auf eine längere Dauer das Maß jeder menschlichen Kraft über¬
steigt. Ich fügte hinzu, daß über den Ausgang der Frage zur Zeit keine
Vermuthung zulässig sei. Inzwischen ist die Frage einfach vertagt worden,
und zwar vertagt, wie beinah der Augenschein zeigt, in Folge der päpstlichen
Encyclika vom 5. Februar d. I. Der Reichskanzler erkannte, daß jetzt die
Hauptschlacht geliefert werden müsse; und welcher steggewohnte Feldherr
hat je daran gedacht, beim Anbruch der Schlacht das Commando nieder¬
zulegen ?

Es fehlt nicht an Anzeichen, daß dem Reichskanzler im Kampfe gegen
Rom schon seit langer Zeit weder das Tempo noch die Angriffsmittel als
richtig gewählt erschienen sind. Man greift vielleicht nicht fehl, wenn man
in dieser Unzufriedenheit eine wenigstens mitwirkende Ursache für den noch
kürzlich wiederholten Wunsch sieht, von den Geschäften zeitweilig zurückzutre¬
ten. Jetzt hat Rom sich in Schlachtordnung gegen das deutsche Reich aufge¬
stellt, nun kann über Tempo und Angriff kein Zweifel mehr sein. Ein Theil
der Ursachen zum Rücktritt des Kanzlers ist damit von selbst entfallen. Und
dem andern Theil gegenüber hält den Kanzler der Beginn der Schlacht ge¬
bieterisch auf seinem Posten.

Die Einbehaltung der Staatsdotation für alle Mitglieder und Institute
des katholischen Clerus in Preußen, sofern die betreffenden Persönlichkeiten,
unmittelbar oder durch ihre maßgebenden Oberen nicht ausdrücklich den
Ltaatsgehorsam schriftlich geloben, ist einerseits eine so natürliche Maßregel,


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[0444] Dom preußischen Fandtag. Die Sitzungen der Abgeordneten sind in dieser Woche nicht häufig ge¬ wesen, weil man den Commissionen, die mit der Vorberathung der Verwal¬ tungsgesetze beauftragt sind, Zeit zur Arbeit geben will. In den abgehaltenen Sitzungen hat theils die Berathung des Staatshaushalts ihren Fortgang genommen, theils ist das Gesetz wegen Abtretung der preußischen Bank an das Reich durch seine drei Lesungen gegangen. Wir haben beiden Gegenstän¬ den keinen Stoff für unsere Berichterstattung zu entnehmen. Die Sitzung vom 4. März aber wird dereinst zu den Gedenktagen der preußischen Geschichte zählen. Denn in dieser Sitzung brachte der Cultusminister das Gesetz ein, betreffend die Einstellung der Leistungen aus Staatsmitteln für die römisch-katholischen Bisthümer und Geistlichen. Am Schluß des letzten Briefes sprach ich aus, die Frage habe gestellt werden müssen, ob der Reichskanzler an der Spitze der Geschäfte des Reichs und des preußischen Staates verbleiben könne, so lange die Organisation dieser Geschäfte eine Friction der gesammten Maschinerie herbeiführt, deren Ueber- wältigung auf eine längere Dauer das Maß jeder menschlichen Kraft über¬ steigt. Ich fügte hinzu, daß über den Ausgang der Frage zur Zeit keine Vermuthung zulässig sei. Inzwischen ist die Frage einfach vertagt worden, und zwar vertagt, wie beinah der Augenschein zeigt, in Folge der päpstlichen Encyclika vom 5. Februar d. I. Der Reichskanzler erkannte, daß jetzt die Hauptschlacht geliefert werden müsse; und welcher steggewohnte Feldherr hat je daran gedacht, beim Anbruch der Schlacht das Commando nieder¬ zulegen ? Es fehlt nicht an Anzeichen, daß dem Reichskanzler im Kampfe gegen Rom schon seit langer Zeit weder das Tempo noch die Angriffsmittel als richtig gewählt erschienen sind. Man greift vielleicht nicht fehl, wenn man in dieser Unzufriedenheit eine wenigstens mitwirkende Ursache für den noch kürzlich wiederholten Wunsch sieht, von den Geschäften zeitweilig zurückzutre¬ ten. Jetzt hat Rom sich in Schlachtordnung gegen das deutsche Reich aufge¬ stellt, nun kann über Tempo und Angriff kein Zweifel mehr sein. Ein Theil der Ursachen zum Rücktritt des Kanzlers ist damit von selbst entfallen. Und dem andern Theil gegenüber hält den Kanzler der Beginn der Schlacht ge¬ bieterisch auf seinem Posten. Die Einbehaltung der Staatsdotation für alle Mitglieder und Institute des katholischen Clerus in Preußen, sofern die betreffenden Persönlichkeiten, unmittelbar oder durch ihre maßgebenden Oberen nicht ausdrücklich den Ltaatsgehorsam schriftlich geloben, ist einerseits eine so natürliche Maßregel,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134957/444>, abgerufen am 07.05.2024.