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Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band.

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Z)as Hlermächtnisz des Pfarrers Icchrenbruch von Hors-
leben aus dem Jahre 1545.
Eine Kriminalgeschichte aus deutscher Vergangenheit
mitgetheilt von Dr. Gustav Dannehl.

Nicht weit oberhalb der Stelle, wo sich die Unstrut zwischen der von
Heinleite und Schmücke gebildeten sogenannten Sachsenburgpforte hindurch¬
windet, liegt am Fuß dieses Höhenzuges in freundlicher Flußthalebene inmitten
saftiger Wiesen und wohlangebauter Felder im Kranze üppiger Baumgruppen
das Dorf Gvrsleben hart an den Ufern des Flusses. Oberhalb der engen
Durchbruchpforte streckt sich das Unstrutthal von waldgrünen Gebirgszügen
begrenzt behaglich in die Breite. Die fruchtbare Flußthalebene, welche einem
Garten gleicht, ist in eminenten Sinne historischer Boden und uraltes Kul¬
turland. Reiche Klöster, stolze Burgen, kaiserliche Pfalzen mit Namen,
welche auf jedem Blatt der Geschichte des deutschen Mittelalters wiederkehren
und die deshalb auch den ferne Wohnenden so bekannt klingen, deuten noch
in Trümmern an, daß einst die Mächtigsten der Erde das Thal aus und
niederzogen und an den Ufern des Flusses heimisch waren.

Nicht gar weit von Gorsleben flußabwärts liegt die herrliche Ruine der
kaiserlichen Pfalz Memleben, zwischen beiden Orten bei Rietheburg an der
Unstrut ist nach der neuesten Forschung die Wahlstatt zu suchen, auf der
Heinrich I. den fälschlich nach Merseburg benannten entscheidenden Sieg über
die Ungarn davon trug. Der Name der Bonifaciuskirche in Gorsleben selbst
und die Bezeichnung Bonifaciuspfennige für die auf der Sachsenburg sich fin¬
denden münzenartig gestalteten Versteinerungen deuten darauf hin, daß das
Unstrutthal zu den ältesten Strichen christlicher Cultur in Mitteldeutschland
gehörte.

In dem erwähnten Dorfe Gorsleben spielte sich vor mehr als 300 Jahren
eine Geschichte ab, die ich im Nachstehenden mittheile, und welche Fahrenbruch,
in den Jahren 1539 -- 45 Pfarrer des Ortes, als etwas Selbsterlebtes auf¬
gezeichnet hat. Die Pergamenthandschrift, welcher ich dieselbe entnehme, wurde
auf folgende Weise ans Licht gezogen.

Im Jahre 1823 besuchte der noch jetzt auf dem rothen Hofe, -- einem
alten Rittersitz, in Gorsleben ansässige Herr von Hausen, als Roßleber
Klosterschüler in Begleitung eines Commilitonen, des nachmaligen Advocaten
Robert sinket in Leipzig, seine Eltern und die beiden jungen Männer sahen
sich eines Tages in der alten Bonifaciuskirche um. Im Thurm greift sinket


Z)as Hlermächtnisz des Pfarrers Icchrenbruch von Hors-
leben aus dem Jahre 1545.
Eine Kriminalgeschichte aus deutscher Vergangenheit
mitgetheilt von Dr. Gustav Dannehl.

Nicht weit oberhalb der Stelle, wo sich die Unstrut zwischen der von
Heinleite und Schmücke gebildeten sogenannten Sachsenburgpforte hindurch¬
windet, liegt am Fuß dieses Höhenzuges in freundlicher Flußthalebene inmitten
saftiger Wiesen und wohlangebauter Felder im Kranze üppiger Baumgruppen
das Dorf Gvrsleben hart an den Ufern des Flusses. Oberhalb der engen
Durchbruchpforte streckt sich das Unstrutthal von waldgrünen Gebirgszügen
begrenzt behaglich in die Breite. Die fruchtbare Flußthalebene, welche einem
Garten gleicht, ist in eminenten Sinne historischer Boden und uraltes Kul¬
turland. Reiche Klöster, stolze Burgen, kaiserliche Pfalzen mit Namen,
welche auf jedem Blatt der Geschichte des deutschen Mittelalters wiederkehren
und die deshalb auch den ferne Wohnenden so bekannt klingen, deuten noch
in Trümmern an, daß einst die Mächtigsten der Erde das Thal aus und
niederzogen und an den Ufern des Flusses heimisch waren.

Nicht gar weit von Gorsleben flußabwärts liegt die herrliche Ruine der
kaiserlichen Pfalz Memleben, zwischen beiden Orten bei Rietheburg an der
Unstrut ist nach der neuesten Forschung die Wahlstatt zu suchen, auf der
Heinrich I. den fälschlich nach Merseburg benannten entscheidenden Sieg über
die Ungarn davon trug. Der Name der Bonifaciuskirche in Gorsleben selbst
und die Bezeichnung Bonifaciuspfennige für die auf der Sachsenburg sich fin¬
denden münzenartig gestalteten Versteinerungen deuten darauf hin, daß das
Unstrutthal zu den ältesten Strichen christlicher Cultur in Mitteldeutschland
gehörte.

In dem erwähnten Dorfe Gorsleben spielte sich vor mehr als 300 Jahren
eine Geschichte ab, die ich im Nachstehenden mittheile, und welche Fahrenbruch,
in den Jahren 1539 — 45 Pfarrer des Ortes, als etwas Selbsterlebtes auf¬
gezeichnet hat. Die Pergamenthandschrift, welcher ich dieselbe entnehme, wurde
auf folgende Weise ans Licht gezogen.

Im Jahre 1823 besuchte der noch jetzt auf dem rothen Hofe, — einem
alten Rittersitz, in Gorsleben ansässige Herr von Hausen, als Roßleber
Klosterschüler in Begleitung eines Commilitonen, des nachmaligen Advocaten
Robert sinket in Leipzig, seine Eltern und die beiden jungen Männer sahen
sich eines Tages in der alten Bonifaciuskirche um. Im Thurm greift sinket


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[0472] Z)as Hlermächtnisz des Pfarrers Icchrenbruch von Hors- leben aus dem Jahre 1545. Eine Kriminalgeschichte aus deutscher Vergangenheit mitgetheilt von Dr. Gustav Dannehl. Nicht weit oberhalb der Stelle, wo sich die Unstrut zwischen der von Heinleite und Schmücke gebildeten sogenannten Sachsenburgpforte hindurch¬ windet, liegt am Fuß dieses Höhenzuges in freundlicher Flußthalebene inmitten saftiger Wiesen und wohlangebauter Felder im Kranze üppiger Baumgruppen das Dorf Gvrsleben hart an den Ufern des Flusses. Oberhalb der engen Durchbruchpforte streckt sich das Unstrutthal von waldgrünen Gebirgszügen begrenzt behaglich in die Breite. Die fruchtbare Flußthalebene, welche einem Garten gleicht, ist in eminenten Sinne historischer Boden und uraltes Kul¬ turland. Reiche Klöster, stolze Burgen, kaiserliche Pfalzen mit Namen, welche auf jedem Blatt der Geschichte des deutschen Mittelalters wiederkehren und die deshalb auch den ferne Wohnenden so bekannt klingen, deuten noch in Trümmern an, daß einst die Mächtigsten der Erde das Thal aus und niederzogen und an den Ufern des Flusses heimisch waren. Nicht gar weit von Gorsleben flußabwärts liegt die herrliche Ruine der kaiserlichen Pfalz Memleben, zwischen beiden Orten bei Rietheburg an der Unstrut ist nach der neuesten Forschung die Wahlstatt zu suchen, auf der Heinrich I. den fälschlich nach Merseburg benannten entscheidenden Sieg über die Ungarn davon trug. Der Name der Bonifaciuskirche in Gorsleben selbst und die Bezeichnung Bonifaciuspfennige für die auf der Sachsenburg sich fin¬ denden münzenartig gestalteten Versteinerungen deuten darauf hin, daß das Unstrutthal zu den ältesten Strichen christlicher Cultur in Mitteldeutschland gehörte. In dem erwähnten Dorfe Gorsleben spielte sich vor mehr als 300 Jahren eine Geschichte ab, die ich im Nachstehenden mittheile, und welche Fahrenbruch, in den Jahren 1539 — 45 Pfarrer des Ortes, als etwas Selbsterlebtes auf¬ gezeichnet hat. Die Pergamenthandschrift, welcher ich dieselbe entnehme, wurde auf folgende Weise ans Licht gezogen. Im Jahre 1823 besuchte der noch jetzt auf dem rothen Hofe, — einem alten Rittersitz, in Gorsleben ansässige Herr von Hausen, als Roßleber Klosterschüler in Begleitung eines Commilitonen, des nachmaligen Advocaten Robert sinket in Leipzig, seine Eltern und die beiden jungen Männer sahen sich eines Tages in der alten Bonifaciuskirche um. Im Thurm greift sinket

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 34, 1875, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341821_134976/472>, abgerufen am 06.05.2024.