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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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keine Veranlassung und ebensowenig ein Grund vorliege, von dem Princip
des Entwurfs hier abzuweichen, wonach sich die Competenzfrage nach der
Schwere der abzuurtheilenden Delicte bestimmt, und wonach die durch die
Presse verübten eigentlichen Verbrechen, wie die Verbrechen überhaupt vor
die Schwurgerichte ressortiren. Es hat jedoch der Reichstag den Bundesrath
zur Aufnahme einer solchen Bestimmung über die von Amtswegen zu ver¬
folgenden Preßvergehen aufgefordert, (vergl. Stenogr. Ber. des Reichtags 41.
Sitz, vom 28. April 1874) und auch die Justtzcommisston hat sich dafür
ausgesprochen, so daß auch diese Frage gegenwärtig noch offen steht.




Oesterreich und der Serbenkrieg.

Deutschland hat an der orientalischen Angelegenheit nur in soweit
Interesse, als möglicherweise aus derselben eine Verschiebung der Machtverhält¬
nisse hervorgehen könnte. Es wird daher seine Haltung stets durch die Rücksicht
auf die allgemeine Lage und aus seine Beziehungen zu den übrigen Mächten
bestimmen lassen und aus einer abwartenden, vermittelnden Stellung nur her¬
austreten, wenn diese Beziehungen solches verlangen sollten. Daß Serbiens
durch eine lange Reihe von Jahren und unter mannichfachen Wechselfällen
bewährtes Band mit Rußland nur schwer gelöst werden würde, liegt auf der
Hand. Nicht nur ist es ein großes Gefühl von Dankbarkeit, wenn auch diese
in der Politik keinen Ausschlag geben kann, sondern auch die praktische
Erkenntniß, daß ein im Rücken durch Rußland geschütztes Deutschland den
mannigfachsten Eventualitäten mit voller Beruhigung entgegensehen kann.
Die von so Vielen mit Angst angedeutete Gefahr eines übermäßigen Expan-
fionsstrebens Rußlands gegen Westen liegt, wenn überhaupt möglich, doch noch
in viel weiterer Ferne, als daß dermalen es sich aus diesem Grunde recht¬
fertigen ließe, erprobte und rationelle Beziehungen ins Gegentheil zu kehren.
Auch darf man nicht vergessen, daß jenes Expansionsstreben in einer ganz
anderen Richtung -- namentlich gegen Osten zu -- ein weites Feld finden
wird, wozu durch die turkestanischen Züge. der erste Anlauf gemacht worden
ist, und daher nach dieser Richtung sich bethätigen wird.


keine Veranlassung und ebensowenig ein Grund vorliege, von dem Princip
des Entwurfs hier abzuweichen, wonach sich die Competenzfrage nach der
Schwere der abzuurtheilenden Delicte bestimmt, und wonach die durch die
Presse verübten eigentlichen Verbrechen, wie die Verbrechen überhaupt vor
die Schwurgerichte ressortiren. Es hat jedoch der Reichstag den Bundesrath
zur Aufnahme einer solchen Bestimmung über die von Amtswegen zu ver¬
folgenden Preßvergehen aufgefordert, (vergl. Stenogr. Ber. des Reichtags 41.
Sitz, vom 28. April 1874) und auch die Justtzcommisston hat sich dafür
ausgesprochen, so daß auch diese Frage gegenwärtig noch offen steht.




Oesterreich und der Serbenkrieg.

Deutschland hat an der orientalischen Angelegenheit nur in soweit
Interesse, als möglicherweise aus derselben eine Verschiebung der Machtverhält¬
nisse hervorgehen könnte. Es wird daher seine Haltung stets durch die Rücksicht
auf die allgemeine Lage und aus seine Beziehungen zu den übrigen Mächten
bestimmen lassen und aus einer abwartenden, vermittelnden Stellung nur her¬
austreten, wenn diese Beziehungen solches verlangen sollten. Daß Serbiens
durch eine lange Reihe von Jahren und unter mannichfachen Wechselfällen
bewährtes Band mit Rußland nur schwer gelöst werden würde, liegt auf der
Hand. Nicht nur ist es ein großes Gefühl von Dankbarkeit, wenn auch diese
in der Politik keinen Ausschlag geben kann, sondern auch die praktische
Erkenntniß, daß ein im Rücken durch Rußland geschütztes Deutschland den
mannigfachsten Eventualitäten mit voller Beruhigung entgegensehen kann.
Die von so Vielen mit Angst angedeutete Gefahr eines übermäßigen Expan-
fionsstrebens Rußlands gegen Westen liegt, wenn überhaupt möglich, doch noch
in viel weiterer Ferne, als daß dermalen es sich aus diesem Grunde recht¬
fertigen ließe, erprobte und rationelle Beziehungen ins Gegentheil zu kehren.
Auch darf man nicht vergessen, daß jenes Expansionsstreben in einer ganz
anderen Richtung — namentlich gegen Osten zu — ein weites Feld finden
wird, wozu durch die turkestanischen Züge. der erste Anlauf gemacht worden
ist, und daher nach dieser Richtung sich bethätigen wird.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/379>, abgerufen am 14.05.2024.