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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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gegen die Gebote der Religion verstößt und mit dem wirthschciftlichen Ruin
der Gläubigen droht, tritt noch, daß den Organen der Regierung in den
Provinzen, den Wessiren, Paschas und Begs in der Regel jede Spur von
Verständniß für Staatsbürgerrechte im modernen Sinne und jede Neigung
abgeht, sich ernstlich und wohlwollend der Einführung und Durchführung
derselben zu widmen, und daß infolge dessen auch das Gute und Weise, was
die Leiter des Staatswesens einzurichten beabsichtigen, in der Ausführung
meist verkehrt, verletzend und unpraktisch wird. Dieß gilt von den jetzt ins
Auge gefaßten Reformen, welche ganz andere Menschen und Verhältnisse
voraussetzen, als sie in den muhamedanischen Kreisen namentlich Bosniens
und der Herzegowina thatsächlich existiren. Dieß galt, wie wir in einem
Schlußartikel sehen werden, auch im Jahre 1849. Den Christen gerecht
werden, ruft die Muslime zur Empörung ; es beim Alten belassen, rechtfertigt
den Aufstand der bedrückten, gemißhandelten und fast machtlosen Christen.
Aus dieser Sackgasse ist nicht herauszukommen, ausgenommen durch einen
Sieg des Aufstandes, der jetzt entbrannt ist, und durch Lostrennung Bos¬
niens oder zunächst der Herzegowina von Konstantinopel, nach welcher die
serbischen Muslime entweder Christen und strebsame, fleißige Leute werden
oder allmälig auswandern müßten.




Jon preußischen Landtag.

Die Sitzungen der Herren am 26. und am 27. Juni betrafen technische
Gegenstände. Am 29. Juni lag das aus dem Abgeordnetenhaus zurück¬
gekommene Gesetz über die Befähigung für den höheren Verwaltungsdienst
vor. Im letzten Brief war mitgetheilt, wie bei den Herren die Landraths¬
klausel bei der ersten Rückkunft aus dem Abgeordnetenhause gestaltet worden.
Nämlich so, daß präsentabel durch die Kreistage außer denjenigen Personen,
welche das große Staatsexamen bestanden, auch solche Personen sein sollten,
welche die zweite juristische Prüfung abgelegt, oder nach bestandener erster
Prüfung vier Jahre im Vorbereitungsdienst zugebracht haben. Diese Be¬
stimmung hatte zwar bei den Abgeordneten, als das Gesetz diesen zum dritten
Mal vorlag, Annahme gefunden, aber mit dem Zusatz, daß alle anderweitig
bestehenden Beschränkungen in Bezug auf die Wahl der zu präsentirenden
Landrathscandidaten aufgehoben sein sollten. Dieser Zusatz hatte den Zweck,


gegen die Gebote der Religion verstößt und mit dem wirthschciftlichen Ruin
der Gläubigen droht, tritt noch, daß den Organen der Regierung in den
Provinzen, den Wessiren, Paschas und Begs in der Regel jede Spur von
Verständniß für Staatsbürgerrechte im modernen Sinne und jede Neigung
abgeht, sich ernstlich und wohlwollend der Einführung und Durchführung
derselben zu widmen, und daß infolge dessen auch das Gute und Weise, was
die Leiter des Staatswesens einzurichten beabsichtigen, in der Ausführung
meist verkehrt, verletzend und unpraktisch wird. Dieß gilt von den jetzt ins
Auge gefaßten Reformen, welche ganz andere Menschen und Verhältnisse
voraussetzen, als sie in den muhamedanischen Kreisen namentlich Bosniens
und der Herzegowina thatsächlich existiren. Dieß galt, wie wir in einem
Schlußartikel sehen werden, auch im Jahre 1849. Den Christen gerecht
werden, ruft die Muslime zur Empörung ; es beim Alten belassen, rechtfertigt
den Aufstand der bedrückten, gemißhandelten und fast machtlosen Christen.
Aus dieser Sackgasse ist nicht herauszukommen, ausgenommen durch einen
Sieg des Aufstandes, der jetzt entbrannt ist, und durch Lostrennung Bos¬
niens oder zunächst der Herzegowina von Konstantinopel, nach welcher die
serbischen Muslime entweder Christen und strebsame, fleißige Leute werden
oder allmälig auswandern müßten.




Jon preußischen Landtag.

Die Sitzungen der Herren am 26. und am 27. Juni betrafen technische
Gegenstände. Am 29. Juni lag das aus dem Abgeordnetenhaus zurück¬
gekommene Gesetz über die Befähigung für den höheren Verwaltungsdienst
vor. Im letzten Brief war mitgetheilt, wie bei den Herren die Landraths¬
klausel bei der ersten Rückkunft aus dem Abgeordnetenhause gestaltet worden.
Nämlich so, daß präsentabel durch die Kreistage außer denjenigen Personen,
welche das große Staatsexamen bestanden, auch solche Personen sein sollten,
welche die zweite juristische Prüfung abgelegt, oder nach bestandener erster
Prüfung vier Jahre im Vorbereitungsdienst zugebracht haben. Diese Be¬
stimmung hatte zwar bei den Abgeordneten, als das Gesetz diesen zum dritten
Mal vorlag, Annahme gefunden, aber mit dem Zusatz, daß alle anderweitig
bestehenden Beschränkungen in Bezug auf die Wahl der zu präsentirenden
Landrathscandidaten aufgehoben sein sollten. Dieser Zusatz hatte den Zweck,


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[0077] gegen die Gebote der Religion verstößt und mit dem wirthschciftlichen Ruin der Gläubigen droht, tritt noch, daß den Organen der Regierung in den Provinzen, den Wessiren, Paschas und Begs in der Regel jede Spur von Verständniß für Staatsbürgerrechte im modernen Sinne und jede Neigung abgeht, sich ernstlich und wohlwollend der Einführung und Durchführung derselben zu widmen, und daß infolge dessen auch das Gute und Weise, was die Leiter des Staatswesens einzurichten beabsichtigen, in der Ausführung meist verkehrt, verletzend und unpraktisch wird. Dieß gilt von den jetzt ins Auge gefaßten Reformen, welche ganz andere Menschen und Verhältnisse voraussetzen, als sie in den muhamedanischen Kreisen namentlich Bosniens und der Herzegowina thatsächlich existiren. Dieß galt, wie wir in einem Schlußartikel sehen werden, auch im Jahre 1849. Den Christen gerecht werden, ruft die Muslime zur Empörung ; es beim Alten belassen, rechtfertigt den Aufstand der bedrückten, gemißhandelten und fast machtlosen Christen. Aus dieser Sackgasse ist nicht herauszukommen, ausgenommen durch einen Sieg des Aufstandes, der jetzt entbrannt ist, und durch Lostrennung Bos¬ niens oder zunächst der Herzegowina von Konstantinopel, nach welcher die serbischen Muslime entweder Christen und strebsame, fleißige Leute werden oder allmälig auswandern müßten. Jon preußischen Landtag. Die Sitzungen der Herren am 26. und am 27. Juni betrafen technische Gegenstände. Am 29. Juni lag das aus dem Abgeordnetenhaus zurück¬ gekommene Gesetz über die Befähigung für den höheren Verwaltungsdienst vor. Im letzten Brief war mitgetheilt, wie bei den Herren die Landraths¬ klausel bei der ersten Rückkunft aus dem Abgeordnetenhause gestaltet worden. Nämlich so, daß präsentabel durch die Kreistage außer denjenigen Personen, welche das große Staatsexamen bestanden, auch solche Personen sein sollten, welche die zweite juristische Prüfung abgelegt, oder nach bestandener erster Prüfung vier Jahre im Vorbereitungsdienst zugebracht haben. Diese Be¬ stimmung hatte zwar bei den Abgeordneten, als das Gesetz diesen zum dritten Mal vorlag, Annahme gefunden, aber mit dem Zusatz, daß alle anderweitig bestehenden Beschränkungen in Bezug auf die Wahl der zu präsentirenden Landrathscandidaten aufgehoben sein sollten. Dieser Zusatz hatte den Zweck,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/77>, abgerufen am 26.04.2024.