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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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Kinderstreich; Eilboten brachten die Nachricht nach New-York und Phila¬
delphia, die Bauern meldeten sie in ihren Dörfern und allüberall pries man
den Muth und die Entschlossenheit Bostons, welches unter der Maske
eines wilden Stammes offen gegen Englands Handel die Hand erhoben
hatte. Was half Hutchinson seine Wuth; all seine Nachforschungen in den
Gesetzbüchern nach Beweisen für Hochverrath und nach Ursachen zu Hin¬
richtungen waren gleich vergeblich. Dem ohnmächtigen Zorne königlicher
Juristerei stand jugendkräftig die emporwachsende Eintracht eines Volkes
entgegen, welches nach Freiheit dürstete. Am 2. December langte ein Thee¬
schiff in Charleston (Südcarolina) an, man brachte die Agenten zur Amts¬
entsagung; als die zwanzig Tage um waren, belegte der Zollbeamte am
22. December den Thee mit Beschlag, und da Niemand welchen kaufte, so
brachte er die 257 Kisten in Keller, wo sie verdarben. In Philadelphia
aber wurde der Capitain des Theeschtffes bewogen, gar nicht zu landen,
sondern sofort umzukehren, am 28. December. Nirgends jedoch ging man
so weit wie in Boston, und wurde daher kein Ort in den englischen Colonien
mit solchem Hasse vom Ministerium und vom Könige betrachtet, ihm solche
Rache geschworen wie Boston.




Friedrich der Hrosze als Landwirth.*)

Hat man auch lange gewußt, daß Preußens großer König, weit entfernt
nur virtuoser Feldherr oder Diplomat zu sein, ein äußerst lebhaftes Interesse
für die Landwirthschaft hatte, so gewährt es doch ein besonderes Vergnügen,
seine Wirksamkeit auf diesem Gebiete in der Nähe zu betrachten. Wir haben
uns vielleicht zu lange daran gewöhnt, den König nur als eminenten Poli¬
tiker und Soldaten zu bewundern, und haben das um so leichter gethan, weil
Wir ihn wegen seiner Jugend und ihrer Irrungen in einen directen Gegensatz
Zu seinem Vater zu stellen pflegen. Allein er würde nicht der echte preußische
König gewesen sein, wäre er nicht auch der gewissenhafteste und sorgsamste
Haushalter gewesen, hätte er nicht auch den Landbau hoch gehalten, diese
vornehmste und eigentliche Grundlage der Landeskraft; mit Recht nennt er



*) Und. Stadelmann, Friedrich der Große in seiner Thätigkeit für den Landbau Preußens.
Berlin. Wiegandt, Hempel und Parey, 1876.

Kinderstreich; Eilboten brachten die Nachricht nach New-York und Phila¬
delphia, die Bauern meldeten sie in ihren Dörfern und allüberall pries man
den Muth und die Entschlossenheit Bostons, welches unter der Maske
eines wilden Stammes offen gegen Englands Handel die Hand erhoben
hatte. Was half Hutchinson seine Wuth; all seine Nachforschungen in den
Gesetzbüchern nach Beweisen für Hochverrath und nach Ursachen zu Hin¬
richtungen waren gleich vergeblich. Dem ohnmächtigen Zorne königlicher
Juristerei stand jugendkräftig die emporwachsende Eintracht eines Volkes
entgegen, welches nach Freiheit dürstete. Am 2. December langte ein Thee¬
schiff in Charleston (Südcarolina) an, man brachte die Agenten zur Amts¬
entsagung; als die zwanzig Tage um waren, belegte der Zollbeamte am
22. December den Thee mit Beschlag, und da Niemand welchen kaufte, so
brachte er die 257 Kisten in Keller, wo sie verdarben. In Philadelphia
aber wurde der Capitain des Theeschtffes bewogen, gar nicht zu landen,
sondern sofort umzukehren, am 28. December. Nirgends jedoch ging man
so weit wie in Boston, und wurde daher kein Ort in den englischen Colonien
mit solchem Hasse vom Ministerium und vom Könige betrachtet, ihm solche
Rache geschworen wie Boston.




Friedrich der Hrosze als Landwirth.*)

Hat man auch lange gewußt, daß Preußens großer König, weit entfernt
nur virtuoser Feldherr oder Diplomat zu sein, ein äußerst lebhaftes Interesse
für die Landwirthschaft hatte, so gewährt es doch ein besonderes Vergnügen,
seine Wirksamkeit auf diesem Gebiete in der Nähe zu betrachten. Wir haben
uns vielleicht zu lange daran gewöhnt, den König nur als eminenten Poli¬
tiker und Soldaten zu bewundern, und haben das um so leichter gethan, weil
Wir ihn wegen seiner Jugend und ihrer Irrungen in einen directen Gegensatz
Zu seinem Vater zu stellen pflegen. Allein er würde nicht der echte preußische
König gewesen sein, wäre er nicht auch der gewissenhafteste und sorgsamste
Haushalter gewesen, hätte er nicht auch den Landbau hoch gehalten, diese
vornehmste und eigentliche Grundlage der Landeskraft; mit Recht nennt er



*) Und. Stadelmann, Friedrich der Große in seiner Thätigkeit für den Landbau Preußens.
Berlin. Wiegandt, Hempel und Parey, 1876.
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[0099] Kinderstreich; Eilboten brachten die Nachricht nach New-York und Phila¬ delphia, die Bauern meldeten sie in ihren Dörfern und allüberall pries man den Muth und die Entschlossenheit Bostons, welches unter der Maske eines wilden Stammes offen gegen Englands Handel die Hand erhoben hatte. Was half Hutchinson seine Wuth; all seine Nachforschungen in den Gesetzbüchern nach Beweisen für Hochverrath und nach Ursachen zu Hin¬ richtungen waren gleich vergeblich. Dem ohnmächtigen Zorne königlicher Juristerei stand jugendkräftig die emporwachsende Eintracht eines Volkes entgegen, welches nach Freiheit dürstete. Am 2. December langte ein Thee¬ schiff in Charleston (Südcarolina) an, man brachte die Agenten zur Amts¬ entsagung; als die zwanzig Tage um waren, belegte der Zollbeamte am 22. December den Thee mit Beschlag, und da Niemand welchen kaufte, so brachte er die 257 Kisten in Keller, wo sie verdarben. In Philadelphia aber wurde der Capitain des Theeschtffes bewogen, gar nicht zu landen, sondern sofort umzukehren, am 28. December. Nirgends jedoch ging man so weit wie in Boston, und wurde daher kein Ort in den englischen Colonien mit solchem Hasse vom Ministerium und vom Könige betrachtet, ihm solche Rache geschworen wie Boston. Friedrich der Hrosze als Landwirth.*) Hat man auch lange gewußt, daß Preußens großer König, weit entfernt nur virtuoser Feldherr oder Diplomat zu sein, ein äußerst lebhaftes Interesse für die Landwirthschaft hatte, so gewährt es doch ein besonderes Vergnügen, seine Wirksamkeit auf diesem Gebiete in der Nähe zu betrachten. Wir haben uns vielleicht zu lange daran gewöhnt, den König nur als eminenten Poli¬ tiker und Soldaten zu bewundern, und haben das um so leichter gethan, weil Wir ihn wegen seiner Jugend und ihrer Irrungen in einen directen Gegensatz Zu seinem Vater zu stellen pflegen. Allein er würde nicht der echte preußische König gewesen sein, wäre er nicht auch der gewissenhafteste und sorgsamste Haushalter gewesen, hätte er nicht auch den Landbau hoch gehalten, diese vornehmste und eigentliche Grundlage der Landeskraft; mit Recht nennt er *) Und. Stadelmann, Friedrich der Große in seiner Thätigkeit für den Landbau Preußens. Berlin. Wiegandt, Hempel und Parey, 1876.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/99>, abgerufen am 26.04.2024.