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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band.

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denselben die erste der Künste, ohne die es keine Könige, Kaufleute, Dichter
und Philosophen gebe. Das Bild des Mannes wird erst abgerundet und
vollständig, seitdem der Anfang gemacht ist, auch diesen Zweig seiner Regen¬
tenthätigkeit in das rechte Licht zu stellen. Wir begrüßen deshalb das unten-
genannte Buch, welches die werthvollen Forschungen Schmoller's, sowie die
Specialarbeiten Wehrmann's und Danneman's weiterführt und die trefflichen
Publikationen Meitzen's über die Bodenverhältnisse Preußens und die von
Böheim-Schwarzbach über die hohenzollerischen Kolonisationen ergänzt, mit
lebhafter Freude. Dasselbe beruht auf eingehenden, in den Berliner Archiven
angestellten Studien und bietet für weitere Detailausführungen des Gegen¬
standes, die aus den Provinzialarchiven zu stützen sein werden, einen Anhalt
und Wegweiser, wie er nicht besser gewünscht werden kann.

Nach einer kurzen Uebersicht über die Lage der Dinge vor 1740 wendet
sich der Verfasser sofort zu den Landesmeliorativnen. Die größte und be¬
deutendste derselben ist diejenige, in Folge deren Friedrich durch die Regu-
lirung der Oder in ihrem Laufe von Küstrin bis Schwedt einen Landstrich
von einigen Quadratmeilen dem Ackerbau gewann. Es ist das jetzige Oder¬
bruch, die Ebene am linken Ufer des Flusses, die vor noch nicht zu langer
Zeit, als noch nicht alle Produkte des Landes nach der Hauptstadt zusammen¬
flossen, die Speisekammer Berlins bildete. Wie seltsam nun, daß ein gün¬
stiger Zufall gerade in diese Gegend die Leute führte, welche in ihrer privaten
Wirksamkeit die Nachfolger des Königs, die glänzendsten Führer in der Land¬
wirthschaft geworden sind. Am Rande des Oderbruchs saß zu Anfang dieses
Jahrhunderts die sonderbare Frau von Friedland, eine Tochter jenes Lestwltz,
welchem Friedrich das Gelingen des Kampfes von Torgau verdankte; sie ist,
in der einsichtigen Energie, mit welcher sie ihre Güter Cunersdorf und Fried¬
land ganz selbständig und etwas amazonenartig, doch erfolgreich bewirth¬
schaftete, vorbildlich für die ganze Umgegend geworden. Sie gab auch den
Anstoß dazu, daß die erste Autorität der modernen Landwirthschaft, daß
Thaer sich in Möglin, gleichfalls an der Grenze des Bezirks gelegen, nieder¬
ließ, seine Musterwirthschaft gründete und seine Schüler zog. Und auch der
letzte der großen norddeutschen Wirthe aus der Schule Thaer's, Koppe, hat
hier gewirkt, ja dieser recht eigentlich auf dem Boden, den Friedrich dem
Wasser abgerungen; Wollup und Kienitz, wo Koppe seine reifsten Jahre
verlebte, liegen mitten im Bruche, dicht hinter den neuen Oderwällen.

Schon Friedrich Wilhelm I. hatte erkannt, daß von der 10--12 IHM.
umfassenden Fläche der größte Theil durch ein systematisch angelegtes Deich¬
system ausgetrocknet werden könne, hatte jedoch die dazu angefertigten Ent¬
würfe mit der Bemerkung "für meinen Sohn" zurückgestellt. Dieser Sohn
begann nun sofort nach dem dresdener Frieden 1746 die Arbeit, berief dazu


denselben die erste der Künste, ohne die es keine Könige, Kaufleute, Dichter
und Philosophen gebe. Das Bild des Mannes wird erst abgerundet und
vollständig, seitdem der Anfang gemacht ist, auch diesen Zweig seiner Regen¬
tenthätigkeit in das rechte Licht zu stellen. Wir begrüßen deshalb das unten-
genannte Buch, welches die werthvollen Forschungen Schmoller's, sowie die
Specialarbeiten Wehrmann's und Danneman's weiterführt und die trefflichen
Publikationen Meitzen's über die Bodenverhältnisse Preußens und die von
Böheim-Schwarzbach über die hohenzollerischen Kolonisationen ergänzt, mit
lebhafter Freude. Dasselbe beruht auf eingehenden, in den Berliner Archiven
angestellten Studien und bietet für weitere Detailausführungen des Gegen¬
standes, die aus den Provinzialarchiven zu stützen sein werden, einen Anhalt
und Wegweiser, wie er nicht besser gewünscht werden kann.

Nach einer kurzen Uebersicht über die Lage der Dinge vor 1740 wendet
sich der Verfasser sofort zu den Landesmeliorativnen. Die größte und be¬
deutendste derselben ist diejenige, in Folge deren Friedrich durch die Regu-
lirung der Oder in ihrem Laufe von Küstrin bis Schwedt einen Landstrich
von einigen Quadratmeilen dem Ackerbau gewann. Es ist das jetzige Oder¬
bruch, die Ebene am linken Ufer des Flusses, die vor noch nicht zu langer
Zeit, als noch nicht alle Produkte des Landes nach der Hauptstadt zusammen¬
flossen, die Speisekammer Berlins bildete. Wie seltsam nun, daß ein gün¬
stiger Zufall gerade in diese Gegend die Leute führte, welche in ihrer privaten
Wirksamkeit die Nachfolger des Königs, die glänzendsten Führer in der Land¬
wirthschaft geworden sind. Am Rande des Oderbruchs saß zu Anfang dieses
Jahrhunderts die sonderbare Frau von Friedland, eine Tochter jenes Lestwltz,
welchem Friedrich das Gelingen des Kampfes von Torgau verdankte; sie ist,
in der einsichtigen Energie, mit welcher sie ihre Güter Cunersdorf und Fried¬
land ganz selbständig und etwas amazonenartig, doch erfolgreich bewirth¬
schaftete, vorbildlich für die ganze Umgegend geworden. Sie gab auch den
Anstoß dazu, daß die erste Autorität der modernen Landwirthschaft, daß
Thaer sich in Möglin, gleichfalls an der Grenze des Bezirks gelegen, nieder¬
ließ, seine Musterwirthschaft gründete und seine Schüler zog. Und auch der
letzte der großen norddeutschen Wirthe aus der Schule Thaer's, Koppe, hat
hier gewirkt, ja dieser recht eigentlich auf dem Boden, den Friedrich dem
Wasser abgerungen; Wollup und Kienitz, wo Koppe seine reifsten Jahre
verlebte, liegen mitten im Bruche, dicht hinter den neuen Oderwällen.

Schon Friedrich Wilhelm I. hatte erkannt, daß von der 10—12 IHM.
umfassenden Fläche der größte Theil durch ein systematisch angelegtes Deich¬
system ausgetrocknet werden könne, hatte jedoch die dazu angefertigten Ent¬
würfe mit der Bemerkung „für meinen Sohn" zurückgestellt. Dieser Sohn
begann nun sofort nach dem dresdener Frieden 1746 die Arbeit, berief dazu


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157684/100>, abgerufen am 07.05.2024.