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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

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JeliF Dahn's "Kampf um Ava".

Mag man über den historischen Roman der Gegenwart urtheilen wie
wan will, soviel wird man zugestehen müssen, daß die Entwickelung der ganzen
Gattung wie die günstige Aufnahme ihrer Haupterscheinungen ein gutes Zeugniß
ablegt für das Erwachen des historischen Sinnes. Und in der That haben
Werke wie Scheffels "Ekkehard" oder Ebers "Aegyptische Königstochter"
Kreisen, die einer streng historischen Darstellung wenig Geschmack abgewinnen
und lebendige Anschauungen längst vergangener Epochen und Menschen ge¬
geben, lebendigere vielleicht, als ihnen Geschichtswerke vermittelt haben würden.
Daraus vor allem ist es sicher zu erklären, wenn Männer von der wissen¬
schaftlichen Bedeutung Felix Dahn's Ergebnisse strenger Forschung im Gewände
der Dichtung einem größeren Publikum nahe zu bringen versuchen. Allbe¬
kannt und in der Hauptsache auch anerkannt sind Dahn's Arbeiten über die
Geschichte der germanischen Stämme während und nach der Völkerwanderung in
seinen "Königen der Germanen" und seinem "Procopius von Cäsarea." War
er also stofflich vorzüglich ausgerüstet für eine poetische Darstellung aus dieser
Zeit, so hatte er seine dichterische Begabung längst durch eine Reihe von
Gedichten epischen Inhalts, wie durch seine Dramen und seinen culturhistorischen
Roman "Sind Götter?" dargethan. Beides, umfassende Sachkenntntß und
poetisches Talent, wird auch in seinem neuesten Werke "Ein Kampf um
Rom" Niemand vermissen und seine überaus günstige Aufnahme -- der erste
Band erlebte in wenigen Wochen die dritte Auflage -- sprach für die gelungene
Lösung des schwierigen Problems, ein modernes Publikum für Verhältnisse,
Personen und Ereignisse zu erwärmen, die durch die Kluft von 1300 Jahren
weniger noch als durch ihre innere Frsmdartigkeit von ihm getrennt sind.

Sein Stoff freilich: der Untergang des ostgothischen Reiches in Italien,
Me dem Dichter diese Lösung wesentlich erleichtert. Keine Volksgeschschte des
'


W'enzlwten IV. 187". i"
JeliF Dahn's „Kampf um Ava".

Mag man über den historischen Roman der Gegenwart urtheilen wie
wan will, soviel wird man zugestehen müssen, daß die Entwickelung der ganzen
Gattung wie die günstige Aufnahme ihrer Haupterscheinungen ein gutes Zeugniß
ablegt für das Erwachen des historischen Sinnes. Und in der That haben
Werke wie Scheffels „Ekkehard" oder Ebers „Aegyptische Königstochter"
Kreisen, die einer streng historischen Darstellung wenig Geschmack abgewinnen
und lebendige Anschauungen längst vergangener Epochen und Menschen ge¬
geben, lebendigere vielleicht, als ihnen Geschichtswerke vermittelt haben würden.
Daraus vor allem ist es sicher zu erklären, wenn Männer von der wissen¬
schaftlichen Bedeutung Felix Dahn's Ergebnisse strenger Forschung im Gewände
der Dichtung einem größeren Publikum nahe zu bringen versuchen. Allbe¬
kannt und in der Hauptsache auch anerkannt sind Dahn's Arbeiten über die
Geschichte der germanischen Stämme während und nach der Völkerwanderung in
seinen „Königen der Germanen" und seinem „Procopius von Cäsarea." War
er also stofflich vorzüglich ausgerüstet für eine poetische Darstellung aus dieser
Zeit, so hatte er seine dichterische Begabung längst durch eine Reihe von
Gedichten epischen Inhalts, wie durch seine Dramen und seinen culturhistorischen
Roman „Sind Götter?" dargethan. Beides, umfassende Sachkenntntß und
poetisches Talent, wird auch in seinem neuesten Werke „Ein Kampf um
Rom" Niemand vermissen und seine überaus günstige Aufnahme — der erste
Band erlebte in wenigen Wochen die dritte Auflage — sprach für die gelungene
Lösung des schwierigen Problems, ein modernes Publikum für Verhältnisse,
Personen und Ereignisse zu erwärmen, die durch die Kluft von 1300 Jahren
weniger noch als durch ihre innere Frsmdartigkeit von ihm getrennt sind.

Sein Stoff freilich: der Untergang des ostgothischen Reiches in Italien,
Me dem Dichter diese Lösung wesentlich erleichtert. Keine Volksgeschschte des
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[0125] JeliF Dahn's „Kampf um Ava". Mag man über den historischen Roman der Gegenwart urtheilen wie wan will, soviel wird man zugestehen müssen, daß die Entwickelung der ganzen Gattung wie die günstige Aufnahme ihrer Haupterscheinungen ein gutes Zeugniß ablegt für das Erwachen des historischen Sinnes. Und in der That haben Werke wie Scheffels „Ekkehard" oder Ebers „Aegyptische Königstochter" Kreisen, die einer streng historischen Darstellung wenig Geschmack abgewinnen und lebendige Anschauungen längst vergangener Epochen und Menschen ge¬ geben, lebendigere vielleicht, als ihnen Geschichtswerke vermittelt haben würden. Daraus vor allem ist es sicher zu erklären, wenn Männer von der wissen¬ schaftlichen Bedeutung Felix Dahn's Ergebnisse strenger Forschung im Gewände der Dichtung einem größeren Publikum nahe zu bringen versuchen. Allbe¬ kannt und in der Hauptsache auch anerkannt sind Dahn's Arbeiten über die Geschichte der germanischen Stämme während und nach der Völkerwanderung in seinen „Königen der Germanen" und seinem „Procopius von Cäsarea." War er also stofflich vorzüglich ausgerüstet für eine poetische Darstellung aus dieser Zeit, so hatte er seine dichterische Begabung längst durch eine Reihe von Gedichten epischen Inhalts, wie durch seine Dramen und seinen culturhistorischen Roman „Sind Götter?" dargethan. Beides, umfassende Sachkenntntß und poetisches Talent, wird auch in seinem neuesten Werke „Ein Kampf um Rom" Niemand vermissen und seine überaus günstige Aufnahme — der erste Band erlebte in wenigen Wochen die dritte Auflage — sprach für die gelungene Lösung des schwierigen Problems, ein modernes Publikum für Verhältnisse, Personen und Ereignisse zu erwärmen, die durch die Kluft von 1300 Jahren weniger noch als durch ihre innere Frsmdartigkeit von ihm getrennt sind. Sein Stoff freilich: der Untergang des ostgothischen Reiches in Italien, Me dem Dichter diese Lösung wesentlich erleichtert. Keine Volksgeschschte des ' W'enzlwten IV. 187«. i«

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/125>, abgerufen am 29.04.2024.