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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

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Gespräch der Gebildeten und ihr Verständniß der fast absolute Maßstab der
Bildung (S. 83).

Das Studium desMenschen aber ist derMensch, und deshalb
muß auch die Erkenntniß der Gesetze des geistigen Lebens, ein psychologisches
Verständniß des eigenen Innern ein wesentliches Moment sür die Bildung sein
(S. 92). Hiermit kommt L. auf die Bedeutung der Psychologie für die Bil¬
dung zu reden und knüpft S. 93 eine Gliederung seiner Schrift an. In
kürzeren Ausführungen folgen dann die Vergleiche zwischen Bildung und
Sittlichkeit, zwischen Bildung und Schönheit, doch verweisen wir des Raumes
wegen auf die Schrift selbst. Nur möchte ich noch speciell S. 111 hervor¬
heben, weil hier unser Völkerpsycholog von dem zweideutig sittlichen
Standpunkt der Griechen spricht, der eine Folge ihrer Verwechslung des
Schönen und des Guten gewesen sei. Dieses Urtheil zeigt, wie klar das
ethische Princip von L. erkannt ist und wie rein er es verwirklicht haben
will. Anstand und Schicklichkeit sind ihm noch keine Sittlichkeit, das Handeln
nach Principien des Schönen ist ihm noch kein Handeln aus dem Sittlichen. Das
Urtheil ist aber auch um so bedeutender, weil es von einem Manne stammt,
der voll Begeisterung ist für griechischen Volksgeist, und weil man auch heut"
noch oft sagt, da man diesen Mangel freier Sittlichkeit in Griechenland über¬
sieht oder übersehen will: im Griechenthum sei die wahrste Menschlichkeit vev
wirkliche worden.




Literatur.
Di e Luft, ihr Wesen und Wirken, mit Beziehung auf die geographische Verbreit""!
der Pflanzen, Thiere und Menschenrassen dargestellt von Professor Friedrich
Körner. Jena, H. Costenoble, 1876.

Eine gute populäre Zusammenstellung der neuesten Forschungsergebnis!
auf dem vom Titel genannten Gebiete, bestimmt zur Ergänzung einer frühere'
Schrift des Verfassers, welche die Erde, ihren Bau und ihr organisches Lebe'
zum Gegenstande hatte und Beifall beim Publikum fand. Die Erscheinung"
und Wirkungen des Luftlebens sind vom höchsten Interesse, da unsere Gesuni
heit wie , unsere Cultur von der Luft, der Trägerin des Lichtes und de
Wärme, der Vertheilerin der Temperatur, beherrscht wird, da die Luft de
Pflanzen und Thieren ihre Verbreitung, den Menschen ihre Lebensweise un
Beschäftigung, ihren Verkehr und ihre Industrie vorschreibt. Den Stoff Z


Gespräch der Gebildeten und ihr Verständniß der fast absolute Maßstab der
Bildung (S. 83).

Das Studium desMenschen aber ist derMensch, und deshalb
muß auch die Erkenntniß der Gesetze des geistigen Lebens, ein psychologisches
Verständniß des eigenen Innern ein wesentliches Moment sür die Bildung sein
(S. 92). Hiermit kommt L. auf die Bedeutung der Psychologie für die Bil¬
dung zu reden und knüpft S. 93 eine Gliederung seiner Schrift an. In
kürzeren Ausführungen folgen dann die Vergleiche zwischen Bildung und
Sittlichkeit, zwischen Bildung und Schönheit, doch verweisen wir des Raumes
wegen auf die Schrift selbst. Nur möchte ich noch speciell S. 111 hervor¬
heben, weil hier unser Völkerpsycholog von dem zweideutig sittlichen
Standpunkt der Griechen spricht, der eine Folge ihrer Verwechslung des
Schönen und des Guten gewesen sei. Dieses Urtheil zeigt, wie klar das
ethische Princip von L. erkannt ist und wie rein er es verwirklicht haben
will. Anstand und Schicklichkeit sind ihm noch keine Sittlichkeit, das Handeln
nach Principien des Schönen ist ihm noch kein Handeln aus dem Sittlichen. Das
Urtheil ist aber auch um so bedeutender, weil es von einem Manne stammt,
der voll Begeisterung ist für griechischen Volksgeist, und weil man auch heut«
noch oft sagt, da man diesen Mangel freier Sittlichkeit in Griechenland über¬
sieht oder übersehen will: im Griechenthum sei die wahrste Menschlichkeit vev
wirkliche worden.




Literatur.
Di e Luft, ihr Wesen und Wirken, mit Beziehung auf die geographische Verbreit»»!
der Pflanzen, Thiere und Menschenrassen dargestellt von Professor Friedrich
Körner. Jena, H. Costenoble, 1876.

Eine gute populäre Zusammenstellung der neuesten Forschungsergebnis!
auf dem vom Titel genannten Gebiete, bestimmt zur Ergänzung einer frühere'
Schrift des Verfassers, welche die Erde, ihren Bau und ihr organisches Lebe'
zum Gegenstande hatte und Beifall beim Publikum fand. Die Erscheinung"
und Wirkungen des Luftlebens sind vom höchsten Interesse, da unsere Gesuni
heit wie , unsere Cultur von der Luft, der Trägerin des Lichtes und de
Wärme, der Vertheilerin der Temperatur, beherrscht wird, da die Luft de
Pflanzen und Thieren ihre Verbreitung, den Menschen ihre Lebensweise un
Beschäftigung, ihren Verkehr und ihre Industrie vorschreibt. Den Stoff Z


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/200>, abgerufen am 29.04.2024.