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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

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Der King im Aberglauben.

So oft das Gebiet des Aberglaubens auch schon untersucht und nach
seinen verschiedenen Erscheinungen dargestellt worden ist, noch niemals hat
Man sein Augenmerk auf die Rolle gerichtet, welche der Ring hier zu allen
Zeiten gespielt hat, und da diese Rolle eine sehr bedeutende ist, so glauben
wir, daß man uns dankbar sein wird, wenn wir die Sache im Folgenden
einer möglichst ins Einzelne gehenden Betrachtung unterziehen.

Von alten Zeiten her wurde der Ring als ein Zeichen oder eine Figur
voll geheimnißvolle Bedeutung angesehen. Indische und ägyptische Götter¬
bilder wurden mit ihm dargestellt und zwar sicher nicht blos zum Schmuck.
Einen Ring zogen um sich die Zauberer, wenn sie Geister beschworen. Mit
Gingen wurden wunderbare Heilungen vollzogen, schützte man sich gegen
Krankheiten, gegen Dämonen und Hexen, gegen das "böse Auge" und andere
Gefahren. Mit gewissen Ringen machte man sich der Sage nach die ganze
Magische Welt Unterthan, wobei das Wirkende allerdings nicht allein in der
^inggestalt, in der wir das Symbol des Anfang- und Endlosen, des Ewigen
uns haben, sondern zugleich in dem Material der betreffenden Ringe, in
Steine, den sie umfassen, in der Inschrift oder dem Bilde, das sie an
tragen oder in anderer Zuthat zu suchen ist.

Schon in Kalidasa's Sakuntala begegnen wir einem doppelt wunder¬
ten Verlobungsringe, der einerseits an den Ring des Polykrates erinnert,
'"dem er, im Wasser verloren gegangen, im Innern eines Fisches wieder-
Runden wird, und der andrerseits dem König Duschanta die ihm ent-
^wundere Erinnerung an seine Braut und die Liebe zu ihr wiedergiebt.
R^g des Zwerges Andwari in der eddischen Version der Geschichte von
^ Nibelungen trägt einen verhcingnißvollen Zauber in sich, der als Fluch
^uf jeden seiner Besitzer sich forterbt und zuletzt jenes Heldengeschlecht bis auf
Letzten tödtet. Vielfach sind in Mythen und Sagen, Liedern und Balladen
^acht und Glück, Liebe und Treue an einen Ring geknüpft. Auch unsere


Grenzboten IV. 187". 2V
Der King im Aberglauben.

So oft das Gebiet des Aberglaubens auch schon untersucht und nach
seinen verschiedenen Erscheinungen dargestellt worden ist, noch niemals hat
Man sein Augenmerk auf die Rolle gerichtet, welche der Ring hier zu allen
Zeiten gespielt hat, und da diese Rolle eine sehr bedeutende ist, so glauben
wir, daß man uns dankbar sein wird, wenn wir die Sache im Folgenden
einer möglichst ins Einzelne gehenden Betrachtung unterziehen.

Von alten Zeiten her wurde der Ring als ein Zeichen oder eine Figur
voll geheimnißvolle Bedeutung angesehen. Indische und ägyptische Götter¬
bilder wurden mit ihm dargestellt und zwar sicher nicht blos zum Schmuck.
Einen Ring zogen um sich die Zauberer, wenn sie Geister beschworen. Mit
Gingen wurden wunderbare Heilungen vollzogen, schützte man sich gegen
Krankheiten, gegen Dämonen und Hexen, gegen das „böse Auge" und andere
Gefahren. Mit gewissen Ringen machte man sich der Sage nach die ganze
Magische Welt Unterthan, wobei das Wirkende allerdings nicht allein in der
^inggestalt, in der wir das Symbol des Anfang- und Endlosen, des Ewigen
uns haben, sondern zugleich in dem Material der betreffenden Ringe, in
Steine, den sie umfassen, in der Inschrift oder dem Bilde, das sie an
tragen oder in anderer Zuthat zu suchen ist.

Schon in Kalidasa's Sakuntala begegnen wir einem doppelt wunder¬
ten Verlobungsringe, der einerseits an den Ring des Polykrates erinnert,
'"dem er, im Wasser verloren gegangen, im Innern eines Fisches wieder-
Runden wird, und der andrerseits dem König Duschanta die ihm ent-
^wundere Erinnerung an seine Braut und die Liebe zu ihr wiedergiebt.
R^g des Zwerges Andwari in der eddischen Version der Geschichte von
^ Nibelungen trägt einen verhcingnißvollen Zauber in sich, der als Fluch
^uf jeden seiner Besitzer sich forterbt und zuletzt jenes Heldengeschlecht bis auf
Letzten tödtet. Vielfach sind in Mythen und Sagen, Liedern und Balladen
^acht und Glück, Liebe und Treue an einen Ring geknüpft. Auch unsere


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[0205] Der King im Aberglauben. So oft das Gebiet des Aberglaubens auch schon untersucht und nach seinen verschiedenen Erscheinungen dargestellt worden ist, noch niemals hat Man sein Augenmerk auf die Rolle gerichtet, welche der Ring hier zu allen Zeiten gespielt hat, und da diese Rolle eine sehr bedeutende ist, so glauben wir, daß man uns dankbar sein wird, wenn wir die Sache im Folgenden einer möglichst ins Einzelne gehenden Betrachtung unterziehen. Von alten Zeiten her wurde der Ring als ein Zeichen oder eine Figur voll geheimnißvolle Bedeutung angesehen. Indische und ägyptische Götter¬ bilder wurden mit ihm dargestellt und zwar sicher nicht blos zum Schmuck. Einen Ring zogen um sich die Zauberer, wenn sie Geister beschworen. Mit Gingen wurden wunderbare Heilungen vollzogen, schützte man sich gegen Krankheiten, gegen Dämonen und Hexen, gegen das „böse Auge" und andere Gefahren. Mit gewissen Ringen machte man sich der Sage nach die ganze Magische Welt Unterthan, wobei das Wirkende allerdings nicht allein in der ^inggestalt, in der wir das Symbol des Anfang- und Endlosen, des Ewigen uns haben, sondern zugleich in dem Material der betreffenden Ringe, in Steine, den sie umfassen, in der Inschrift oder dem Bilde, das sie an tragen oder in anderer Zuthat zu suchen ist. Schon in Kalidasa's Sakuntala begegnen wir einem doppelt wunder¬ ten Verlobungsringe, der einerseits an den Ring des Polykrates erinnert, '"dem er, im Wasser verloren gegangen, im Innern eines Fisches wieder- Runden wird, und der andrerseits dem König Duschanta die ihm ent- ^wundere Erinnerung an seine Braut und die Liebe zu ihr wiedergiebt. R^g des Zwerges Andwari in der eddischen Version der Geschichte von ^ Nibelungen trägt einen verhcingnißvollen Zauber in sich, der als Fluch ^uf jeden seiner Besitzer sich forterbt und zuletzt jenes Heldengeschlecht bis auf Letzten tödtet. Vielfach sind in Mythen und Sagen, Liedern und Balladen ^acht und Glück, Liebe und Treue an einen Ring geknüpft. Auch unsere Grenzboten IV. 187«. 2V

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/205>, abgerufen am 29.04.2024.