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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

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Mehrere Mitglieder erscheinen äußerst selten. Der Natur unsrer Gesell¬
schaft nach ändert dies nicht nur nichts in ihren Rechten, sondern sie sind
auch die wenigen Male, da sie erscheinen, nicht minder von den Uebrigen
gern gesehen. --

Wer auf unbestimmte Zeit absagt, stimmt so lange bet keiner Stimmung
mit, als er diese Unthätigkeit dauern läßt. -- Wer sehr lange Zeit nicht er¬
scheint, zu dem kommt der Bote nach Verlauf einer gewissen Zeit von selbst
wieder. Doch Alles dieses seinen Rechten gänzlich unbeschadet."


R. Forel.


Dom deutschen Keichstag.

Bevor ich die Briefe vom Reichstag wieder aufnehme, muß ich wohl
der Wahlen zum preußischen Abgeordnetenhaus gedenken, die am 27. October
vollzogen worden. Die Zahlenverhältnisse des neuen Hauses sind längst durch
die Zeitungen beleuchtet und mit annähernder Genauigkeit festgestellt. Das
vorige Haus zählte 68 Conservative, das neue ungefähr 73, da man die ge¬
wählten vier Minister doch den Conservativen zuzählen muß. Das alte Haus
zählte 175 National-Liberale, das neue 180, mit denen in der Hauptsache
wohl die 3 Angehörigen der ehemaligen "liberalen Reichspartei" stimmen
werden. Die Fortschrittspartei zählte im alten Hause 68 Mitglieder, im
neuen Hause ebensoviele, wobei man jedoch bedenken muß, daß der Abge'
ordnete Löwe-Calbe mit ungefähr 7 seiner näheren Freunde streng genommen
nicht mehr der Fortschrittspartei zuzurechnen ist. Endlich zählte das katholische
Centrum im alten Hause 88 Mitglieder, im neuen 87, denen als unbedingte
Opposition zuzuzählen sind 15 Polen und gegen 12 dänische und andere
Separatisten. Die Gesammtzahl der Abgeordneten beträgt jetzt 433, die ab¬
solute Majorität mithin 217. Es brauchen also nur zu den 73 conservativen
Stimmen 144 Stimmen der national-liberalen Partei zu treten, um die
absolute Majorität zu ergeben. Es können also 30 und mehr Mitglieder
der national-ltberalen Partei mit der Opposition stimmen, und die Regierung
kann immer noch die Majorität für sich haben. Erwägt man nun, daß
diejenige Gruppe der national-liberalen Partei, welche sich am leichtesten zu^
Opposition entschließt, bisher immer nur einige Stimmen betragen hat, w
denen sie bei den früheren Zahlenverhältnissen öfters der Opposition die


Mehrere Mitglieder erscheinen äußerst selten. Der Natur unsrer Gesell¬
schaft nach ändert dies nicht nur nichts in ihren Rechten, sondern sie sind
auch die wenigen Male, da sie erscheinen, nicht minder von den Uebrigen
gern gesehen. —

Wer auf unbestimmte Zeit absagt, stimmt so lange bet keiner Stimmung
mit, als er diese Unthätigkeit dauern läßt. — Wer sehr lange Zeit nicht er¬
scheint, zu dem kommt der Bote nach Verlauf einer gewissen Zeit von selbst
wieder. Doch Alles dieses seinen Rechten gänzlich unbeschadet."


R. Forel.


Dom deutschen Keichstag.

Bevor ich die Briefe vom Reichstag wieder aufnehme, muß ich wohl
der Wahlen zum preußischen Abgeordnetenhaus gedenken, die am 27. October
vollzogen worden. Die Zahlenverhältnisse des neuen Hauses sind längst durch
die Zeitungen beleuchtet und mit annähernder Genauigkeit festgestellt. Das
vorige Haus zählte 68 Conservative, das neue ungefähr 73, da man die ge¬
wählten vier Minister doch den Conservativen zuzählen muß. Das alte Haus
zählte 175 National-Liberale, das neue 180, mit denen in der Hauptsache
wohl die 3 Angehörigen der ehemaligen „liberalen Reichspartei" stimmen
werden. Die Fortschrittspartei zählte im alten Hause 68 Mitglieder, im
neuen Hause ebensoviele, wobei man jedoch bedenken muß, daß der Abge'
ordnete Löwe-Calbe mit ungefähr 7 seiner näheren Freunde streng genommen
nicht mehr der Fortschrittspartei zuzurechnen ist. Endlich zählte das katholische
Centrum im alten Hause 88 Mitglieder, im neuen 87, denen als unbedingte
Opposition zuzuzählen sind 15 Polen und gegen 12 dänische und andere
Separatisten. Die Gesammtzahl der Abgeordneten beträgt jetzt 433, die ab¬
solute Majorität mithin 217. Es brauchen also nur zu den 73 conservativen
Stimmen 144 Stimmen der national-liberalen Partei zu treten, um die
absolute Majorität zu ergeben. Es können also 30 und mehr Mitglieder
der national-ltberalen Partei mit der Opposition stimmen, und die Regierung
kann immer noch die Majorität für sich haben. Erwägt man nun, daß
diejenige Gruppe der national-liberalen Partei, welche sich am leichtesten zu^
Opposition entschließt, bisher immer nur einige Stimmen betragen hat, w
denen sie bei den früheren Zahlenverhältnissen öfters der Opposition die


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[0278] Mehrere Mitglieder erscheinen äußerst selten. Der Natur unsrer Gesell¬ schaft nach ändert dies nicht nur nichts in ihren Rechten, sondern sie sind auch die wenigen Male, da sie erscheinen, nicht minder von den Uebrigen gern gesehen. — Wer auf unbestimmte Zeit absagt, stimmt so lange bet keiner Stimmung mit, als er diese Unthätigkeit dauern läßt. — Wer sehr lange Zeit nicht er¬ scheint, zu dem kommt der Bote nach Verlauf einer gewissen Zeit von selbst wieder. Doch Alles dieses seinen Rechten gänzlich unbeschadet." R. Forel. Dom deutschen Keichstag. Bevor ich die Briefe vom Reichstag wieder aufnehme, muß ich wohl der Wahlen zum preußischen Abgeordnetenhaus gedenken, die am 27. October vollzogen worden. Die Zahlenverhältnisse des neuen Hauses sind längst durch die Zeitungen beleuchtet und mit annähernder Genauigkeit festgestellt. Das vorige Haus zählte 68 Conservative, das neue ungefähr 73, da man die ge¬ wählten vier Minister doch den Conservativen zuzählen muß. Das alte Haus zählte 175 National-Liberale, das neue 180, mit denen in der Hauptsache wohl die 3 Angehörigen der ehemaligen „liberalen Reichspartei" stimmen werden. Die Fortschrittspartei zählte im alten Hause 68 Mitglieder, im neuen Hause ebensoviele, wobei man jedoch bedenken muß, daß der Abge' ordnete Löwe-Calbe mit ungefähr 7 seiner näheren Freunde streng genommen nicht mehr der Fortschrittspartei zuzurechnen ist. Endlich zählte das katholische Centrum im alten Hause 88 Mitglieder, im neuen 87, denen als unbedingte Opposition zuzuzählen sind 15 Polen und gegen 12 dänische und andere Separatisten. Die Gesammtzahl der Abgeordneten beträgt jetzt 433, die ab¬ solute Majorität mithin 217. Es brauchen also nur zu den 73 conservativen Stimmen 144 Stimmen der national-liberalen Partei zu treten, um die absolute Majorität zu ergeben. Es können also 30 und mehr Mitglieder der national-ltberalen Partei mit der Opposition stimmen, und die Regierung kann immer noch die Majorität für sich haben. Erwägt man nun, daß diejenige Gruppe der national-liberalen Partei, welche sich am leichtesten zu^ Opposition entschließt, bisher immer nur einige Stimmen betragen hat, w denen sie bei den früheren Zahlenverhältnissen öfters der Opposition die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/278>, abgerufen am 29.04.2024.