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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

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dem Lande hinaustreiben bis aus das Ochsenfett. Hier wird die letzte Schlacht
geliefert, und die Schweizer siegen. Ein sechzehnjähriger, der auf dem Em-
menfelde unter einer Linde geboren ist, (auch hier fehlt also der Schicksals¬
baum nicht) wird als Sieger auf der Wahlstatt die Fahne der Freiheit für
die ganze Welt aufpflanzen. Die Sieger werden einander fragen, ob sie in
einem oder zwei Wirthshäusern einkehren sollen, aber sie werden in einem
einzigen Platz genug finden.

Diese Prophezeiung gab damals Anlaß zu einem langen Hochverraths-
processe. Der Sonderbundskrieg, bei dem die Pferde allerdings nicht bis
an's Gefieder im Blute zu waten hatten, war im Anzug. Welche Fahne
der Freiheit die Weissagung im Auge hatte, ob die der Jesuiten, die den
Krieg hervorriefen, oder die der Gegner der von jenen "erfochtenen Freiheit
Roms, die Welt zu modeln und zu maßregeln, ist aus meiner Quelle nicht
ersichtlich.




HaöaKologische Studien.
Von Blasius Philocapnus. II.

Im vorigen Februar hielt die britische Antitabaksgesellschaft in London
ihre Generalversammlung für dieses Jahr ab. Dieselbe -war sehr schwach
besucht, und man kam in der Hauptsache wohl nur zusammen, um den her¬
gebrachten Schmerzensschrei über die Verblendung der dem "stinkenden gifti¬
gen Schmauchkraute" ergebner Menschheit wieder einmal erschallen zu lassen
und die Engländer mit der Mittheilung zu erschrecken, daß sie jedes Jahr so
und so viel Millionen Pfund Sterling "zum Schaden ihrer Gesundheit und
zur Verunehrung des Schöpfers" durch Tabakqualmen in Rauch und Asche
verwandeln. Sonst erfuhr man aus den Verhandlungen der Herren nur
noch, daß es mit den Finanzen der Gesellschaft schlecht stand, indem die Rech¬
nungen mit einem Deficit schlössen.

Nicht besser verhält es sich mit der französischen Gesellschaft, die im
Jahre 1868 zusammentrat, um dem Mißbrauch des Tabaks entgegenzuwirken.
Die Welt betrachtet derartige Bestrebungen etwa mit denselben Gefühlen,
mit denen sie dem Treiben der Vegetarianer, der Jmpfungsfeinde und ähn¬
licher sonderbarer Schwärmer zusieht. Die Tiraden der alten Kanzelredner


dem Lande hinaustreiben bis aus das Ochsenfett. Hier wird die letzte Schlacht
geliefert, und die Schweizer siegen. Ein sechzehnjähriger, der auf dem Em-
menfelde unter einer Linde geboren ist, (auch hier fehlt also der Schicksals¬
baum nicht) wird als Sieger auf der Wahlstatt die Fahne der Freiheit für
die ganze Welt aufpflanzen. Die Sieger werden einander fragen, ob sie in
einem oder zwei Wirthshäusern einkehren sollen, aber sie werden in einem
einzigen Platz genug finden.

Diese Prophezeiung gab damals Anlaß zu einem langen Hochverraths-
processe. Der Sonderbundskrieg, bei dem die Pferde allerdings nicht bis
an's Gefieder im Blute zu waten hatten, war im Anzug. Welche Fahne
der Freiheit die Weissagung im Auge hatte, ob die der Jesuiten, die den
Krieg hervorriefen, oder die der Gegner der von jenen «erfochtenen Freiheit
Roms, die Welt zu modeln und zu maßregeln, ist aus meiner Quelle nicht
ersichtlich.




HaöaKologische Studien.
Von Blasius Philocapnus. II.

Im vorigen Februar hielt die britische Antitabaksgesellschaft in London
ihre Generalversammlung für dieses Jahr ab. Dieselbe -war sehr schwach
besucht, und man kam in der Hauptsache wohl nur zusammen, um den her¬
gebrachten Schmerzensschrei über die Verblendung der dem „stinkenden gifti¬
gen Schmauchkraute" ergebner Menschheit wieder einmal erschallen zu lassen
und die Engländer mit der Mittheilung zu erschrecken, daß sie jedes Jahr so
und so viel Millionen Pfund Sterling „zum Schaden ihrer Gesundheit und
zur Verunehrung des Schöpfers" durch Tabakqualmen in Rauch und Asche
verwandeln. Sonst erfuhr man aus den Verhandlungen der Herren nur
noch, daß es mit den Finanzen der Gesellschaft schlecht stand, indem die Rech¬
nungen mit einem Deficit schlössen.

Nicht besser verhält es sich mit der französischen Gesellschaft, die im
Jahre 1868 zusammentrat, um dem Mißbrauch des Tabaks entgegenzuwirken.
Die Welt betrachtet derartige Bestrebungen etwa mit denselben Gefühlen,
mit denen sie dem Treiben der Vegetarianer, der Jmpfungsfeinde und ähn¬
licher sonderbarer Schwärmer zusieht. Die Tiraden der alten Kanzelredner


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[0382] dem Lande hinaustreiben bis aus das Ochsenfett. Hier wird die letzte Schlacht geliefert, und die Schweizer siegen. Ein sechzehnjähriger, der auf dem Em- menfelde unter einer Linde geboren ist, (auch hier fehlt also der Schicksals¬ baum nicht) wird als Sieger auf der Wahlstatt die Fahne der Freiheit für die ganze Welt aufpflanzen. Die Sieger werden einander fragen, ob sie in einem oder zwei Wirthshäusern einkehren sollen, aber sie werden in einem einzigen Platz genug finden. Diese Prophezeiung gab damals Anlaß zu einem langen Hochverraths- processe. Der Sonderbundskrieg, bei dem die Pferde allerdings nicht bis an's Gefieder im Blute zu waten hatten, war im Anzug. Welche Fahne der Freiheit die Weissagung im Auge hatte, ob die der Jesuiten, die den Krieg hervorriefen, oder die der Gegner der von jenen «erfochtenen Freiheit Roms, die Welt zu modeln und zu maßregeln, ist aus meiner Quelle nicht ersichtlich. HaöaKologische Studien. Von Blasius Philocapnus. II. Im vorigen Februar hielt die britische Antitabaksgesellschaft in London ihre Generalversammlung für dieses Jahr ab. Dieselbe -war sehr schwach besucht, und man kam in der Hauptsache wohl nur zusammen, um den her¬ gebrachten Schmerzensschrei über die Verblendung der dem „stinkenden gifti¬ gen Schmauchkraute" ergebner Menschheit wieder einmal erschallen zu lassen und die Engländer mit der Mittheilung zu erschrecken, daß sie jedes Jahr so und so viel Millionen Pfund Sterling „zum Schaden ihrer Gesundheit und zur Verunehrung des Schöpfers" durch Tabakqualmen in Rauch und Asche verwandeln. Sonst erfuhr man aus den Verhandlungen der Herren nur noch, daß es mit den Finanzen der Gesellschaft schlecht stand, indem die Rech¬ nungen mit einem Deficit schlössen. Nicht besser verhält es sich mit der französischen Gesellschaft, die im Jahre 1868 zusammentrat, um dem Mißbrauch des Tabaks entgegenzuwirken. Die Welt betrachtet derartige Bestrebungen etwa mit denselben Gefühlen, mit denen sie dem Treiben der Vegetarianer, der Jmpfungsfeinde und ähn¬ licher sonderbarer Schwärmer zusieht. Die Tiraden der alten Kanzelredner

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/382>, abgerufen am 29.04.2024.