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Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band.

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TabaKologische Studien.
Von Blasius Philocapnus. III.

Ist der Tabaksgenuß schädlich oder harmlos? Aus königlichem Munde
haben wir gehört, daß das Rauchen ein Bild der Hölle ist und in die Hölle
bringt. Aber der König war ein mystischer Sonderling, und die Welt glaubt
nicht mehr an die Hölle. Wir werden uns daher nach andern üblen Folgen
der Sitte umsehen müssen, und da uns Behauptungen der alten Aerzte wie
die, das Rauchen fülle die Lunge, das Schnupfen das Gehirn mit giftigem
Nuß, wie sich wiederholt bei Sectionen gezeigt habe, auch nicht mehr impo-
niren, so geben wir dem neuesten Gegner des Rauchers unter ihren College",
Dr. Riant, dessen Schrift schon im zweiten Abschnitt dieser Betrachtungen
citirt wurde, das Wort, um uns sagen zu lassen, was sich in der Angelegen¬
heit mit Recht oder Unrecht sagen läßt. Wo der Ankläger Unbegründetes
vorbringt, werden wir Einspruch thun, wo er Richtiges äußert, werden wir
Hu nicht unterbrechen, und der Leser soll dann Erlaubniß haben, unser
Schweigen als Zustimmung zu deuten.

Der Doctor beginnt mit einer Charakteristik der Tabakspflanze, bezeichnet
sie als zur Familie der Solaneen gehörig und bemerkt, daß zu dieser auch
der Nachtschatten, der Stechapfel, die Tollkirsche und das Bilsenkraut zählen.
Wenn er damit andeuten will, daß der Tabak giftige Eigenschaften habe, so
Widerlegt oder so schwächt er diesen Wink in demselben Athem damit, daß er
hinzufügen muß, zu derselben Pflanzensippe würden auch die Kartoffelstaude,
der Liebesäpfel und die Eierpflanze gerechnet; denn die Knolle der Kartoffel
ist die Speise aller Welt, und der Liebesäpfel (Tomato) wird in Südeuropa
und Amerika gleichfalls viel gegessen, beide aber sind durchaus harmlose Gaben
^r Erde. Sodann ist zu beachten, daß die genannten Giftkräuter nur in den
Etagen gebracht tödtlich, geraucht dagegen, wie wir wenigstens vom Bilsen^


Grenzboten IV. 1876. 31
TabaKologische Studien.
Von Blasius Philocapnus. III.

Ist der Tabaksgenuß schädlich oder harmlos? Aus königlichem Munde
haben wir gehört, daß das Rauchen ein Bild der Hölle ist und in die Hölle
bringt. Aber der König war ein mystischer Sonderling, und die Welt glaubt
nicht mehr an die Hölle. Wir werden uns daher nach andern üblen Folgen
der Sitte umsehen müssen, und da uns Behauptungen der alten Aerzte wie
die, das Rauchen fülle die Lunge, das Schnupfen das Gehirn mit giftigem
Nuß, wie sich wiederholt bei Sectionen gezeigt habe, auch nicht mehr impo-
niren, so geben wir dem neuesten Gegner des Rauchers unter ihren College»,
Dr. Riant, dessen Schrift schon im zweiten Abschnitt dieser Betrachtungen
citirt wurde, das Wort, um uns sagen zu lassen, was sich in der Angelegen¬
heit mit Recht oder Unrecht sagen läßt. Wo der Ankläger Unbegründetes
vorbringt, werden wir Einspruch thun, wo er Richtiges äußert, werden wir
Hu nicht unterbrechen, und der Leser soll dann Erlaubniß haben, unser
Schweigen als Zustimmung zu deuten.

Der Doctor beginnt mit einer Charakteristik der Tabakspflanze, bezeichnet
sie als zur Familie der Solaneen gehörig und bemerkt, daß zu dieser auch
der Nachtschatten, der Stechapfel, die Tollkirsche und das Bilsenkraut zählen.
Wenn er damit andeuten will, daß der Tabak giftige Eigenschaften habe, so
Widerlegt oder so schwächt er diesen Wink in demselben Athem damit, daß er
hinzufügen muß, zu derselben Pflanzensippe würden auch die Kartoffelstaude,
der Liebesäpfel und die Eierpflanze gerechnet; denn die Knolle der Kartoffel
ist die Speise aller Welt, und der Liebesäpfel (Tomato) wird in Südeuropa
und Amerika gleichfalls viel gegessen, beide aber sind durchaus harmlose Gaben
^r Erde. Sodann ist zu beachten, daß die genannten Giftkräuter nur in den
Etagen gebracht tödtlich, geraucht dagegen, wie wir wenigstens vom Bilsen^


Grenzboten IV. 1876. 31
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[0405] TabaKologische Studien. Von Blasius Philocapnus. III. Ist der Tabaksgenuß schädlich oder harmlos? Aus königlichem Munde haben wir gehört, daß das Rauchen ein Bild der Hölle ist und in die Hölle bringt. Aber der König war ein mystischer Sonderling, und die Welt glaubt nicht mehr an die Hölle. Wir werden uns daher nach andern üblen Folgen der Sitte umsehen müssen, und da uns Behauptungen der alten Aerzte wie die, das Rauchen fülle die Lunge, das Schnupfen das Gehirn mit giftigem Nuß, wie sich wiederholt bei Sectionen gezeigt habe, auch nicht mehr impo- niren, so geben wir dem neuesten Gegner des Rauchers unter ihren College», Dr. Riant, dessen Schrift schon im zweiten Abschnitt dieser Betrachtungen citirt wurde, das Wort, um uns sagen zu lassen, was sich in der Angelegen¬ heit mit Recht oder Unrecht sagen läßt. Wo der Ankläger Unbegründetes vorbringt, werden wir Einspruch thun, wo er Richtiges äußert, werden wir Hu nicht unterbrechen, und der Leser soll dann Erlaubniß haben, unser Schweigen als Zustimmung zu deuten. Der Doctor beginnt mit einer Charakteristik der Tabakspflanze, bezeichnet sie als zur Familie der Solaneen gehörig und bemerkt, daß zu dieser auch der Nachtschatten, der Stechapfel, die Tollkirsche und das Bilsenkraut zählen. Wenn er damit andeuten will, daß der Tabak giftige Eigenschaften habe, so Widerlegt oder so schwächt er diesen Wink in demselben Athem damit, daß er hinzufügen muß, zu derselben Pflanzensippe würden auch die Kartoffelstaude, der Liebesäpfel und die Eierpflanze gerechnet; denn die Knolle der Kartoffel ist die Speise aller Welt, und der Liebesäpfel (Tomato) wird in Südeuropa und Amerika gleichfalls viel gegessen, beide aber sind durchaus harmlose Gaben ^r Erde. Sodann ist zu beachten, daß die genannten Giftkräuter nur in den Etagen gebracht tödtlich, geraucht dagegen, wie wir wenigstens vom Bilsen^ Grenzboten IV. 1876. 31

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 35, 1876, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341823_157686/405>, abgerufen am 29.04.2024.