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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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Z)er KandWerKsgesell' der alten Zeit.
i.

Vor einiger Zeit wurde in d. Bl. geschildert, unter welchen Ceremonien
in der guten alten Zeit ein junger Handwerker in die GenossenHHast der Ge¬
sellen aufgenommen wurde. In den folgenden beiden AbschAWnWll im An¬
schluß hieran Weiteres über die Stellung, das Leben und die Bräuche der
Gesellen in jener Zeit mitgetheilt werden, und zwar wollen wir gleich von
vornherein darauf aufmerksam machen, daß viele Handwerke, z. B. die Bäcker,
die Metzger, die Schuhmacher, die Schmiede und die Bader, bis in das sieb¬
zehnte Jahrhundert hinein die Gehilfen der Meister nicht "Gesellen," sondern
"Knechte" nannten. Wie der Lehrling, so mußte auch der Knecht oder Gesell
im Hause des Meisters Wohnung und Kost nehmen; denn er durfte, wenige
Ausnahmen abgerechnet, "keinen eignen Rauch haben," d. h. nicht heirathen
und einen Hausstand gründen, und es war der Sitte und dem Gesetze zuwider,
daß er im Gasthofe lebte. Dieser war nur für Fremde da und nicht, wie
heutzutage, auch für Gäste aus dem betreffenden Orte; ja vielfach durften
Schenken und Herbergen nicht einmal Speisen verabreichen, sondern dem Gaste
nur kochen, was er mitgebracht, und das nöthige Getränk liefern. Dem Meister
der alten Zeit war diese Einrichtung bequem und vortheilhaft, da in vielen
Städten jeder Bürger fein eignes Haus haben mußte, in den meisten auch ein
solches hatte, da er somit nicht in Verlegenheit war, wie er seine Gesellen,
deren er nicht über vier halten durfte, unterbringen sollte, und da eine theil¬
weise Auslohnung durch Unterkunft und Naturalverpflegung nicht gegen sein
Interesse verstieß. Auch dem Gesellen konnte dies im Allgemeinen erwünscht
^in, da er, genöthigt, sich selbst zu versorgen, häufig in schwere Verlegenheit
gerathen wäre. "Fester Geldlohn und die früheren bedeutenden Schwankungen
in den Lebensmittelpreisen, die häufige Wiederkehr von Theuerungen," sagt


Grenzboten II. 1877. 51
Z)er KandWerKsgesell' der alten Zeit.
i.

Vor einiger Zeit wurde in d. Bl. geschildert, unter welchen Ceremonien
in der guten alten Zeit ein junger Handwerker in die GenossenHHast der Ge¬
sellen aufgenommen wurde. In den folgenden beiden AbschAWnWll im An¬
schluß hieran Weiteres über die Stellung, das Leben und die Bräuche der
Gesellen in jener Zeit mitgetheilt werden, und zwar wollen wir gleich von
vornherein darauf aufmerksam machen, daß viele Handwerke, z. B. die Bäcker,
die Metzger, die Schuhmacher, die Schmiede und die Bader, bis in das sieb¬
zehnte Jahrhundert hinein die Gehilfen der Meister nicht „Gesellen," sondern
„Knechte" nannten. Wie der Lehrling, so mußte auch der Knecht oder Gesell
im Hause des Meisters Wohnung und Kost nehmen; denn er durfte, wenige
Ausnahmen abgerechnet, „keinen eignen Rauch haben," d. h. nicht heirathen
und einen Hausstand gründen, und es war der Sitte und dem Gesetze zuwider,
daß er im Gasthofe lebte. Dieser war nur für Fremde da und nicht, wie
heutzutage, auch für Gäste aus dem betreffenden Orte; ja vielfach durften
Schenken und Herbergen nicht einmal Speisen verabreichen, sondern dem Gaste
nur kochen, was er mitgebracht, und das nöthige Getränk liefern. Dem Meister
der alten Zeit war diese Einrichtung bequem und vortheilhaft, da in vielen
Städten jeder Bürger fein eignes Haus haben mußte, in den meisten auch ein
solches hatte, da er somit nicht in Verlegenheit war, wie er seine Gesellen,
deren er nicht über vier halten durfte, unterbringen sollte, und da eine theil¬
weise Auslohnung durch Unterkunft und Naturalverpflegung nicht gegen sein
Interesse verstieß. Auch dem Gesellen konnte dies im Allgemeinen erwünscht
^in, da er, genöthigt, sich selbst zu versorgen, häufig in schwere Verlegenheit
gerathen wäre. „Fester Geldlohn und die früheren bedeutenden Schwankungen
in den Lebensmittelpreisen, die häufige Wiederkehr von Theuerungen," sagt


Grenzboten II. 1877. 51
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[0405] Z)er KandWerKsgesell' der alten Zeit. i. Vor einiger Zeit wurde in d. Bl. geschildert, unter welchen Ceremonien in der guten alten Zeit ein junger Handwerker in die GenossenHHast der Ge¬ sellen aufgenommen wurde. In den folgenden beiden AbschAWnWll im An¬ schluß hieran Weiteres über die Stellung, das Leben und die Bräuche der Gesellen in jener Zeit mitgetheilt werden, und zwar wollen wir gleich von vornherein darauf aufmerksam machen, daß viele Handwerke, z. B. die Bäcker, die Metzger, die Schuhmacher, die Schmiede und die Bader, bis in das sieb¬ zehnte Jahrhundert hinein die Gehilfen der Meister nicht „Gesellen," sondern „Knechte" nannten. Wie der Lehrling, so mußte auch der Knecht oder Gesell im Hause des Meisters Wohnung und Kost nehmen; denn er durfte, wenige Ausnahmen abgerechnet, „keinen eignen Rauch haben," d. h. nicht heirathen und einen Hausstand gründen, und es war der Sitte und dem Gesetze zuwider, daß er im Gasthofe lebte. Dieser war nur für Fremde da und nicht, wie heutzutage, auch für Gäste aus dem betreffenden Orte; ja vielfach durften Schenken und Herbergen nicht einmal Speisen verabreichen, sondern dem Gaste nur kochen, was er mitgebracht, und das nöthige Getränk liefern. Dem Meister der alten Zeit war diese Einrichtung bequem und vortheilhaft, da in vielen Städten jeder Bürger fein eignes Haus haben mußte, in den meisten auch ein solches hatte, da er somit nicht in Verlegenheit war, wie er seine Gesellen, deren er nicht über vier halten durfte, unterbringen sollte, und da eine theil¬ weise Auslohnung durch Unterkunft und Naturalverpflegung nicht gegen sein Interesse verstieß. Auch dem Gesellen konnte dies im Allgemeinen erwünscht ^in, da er, genöthigt, sich selbst zu versorgen, häufig in schwere Verlegenheit gerathen wäre. „Fester Geldlohn und die früheren bedeutenden Schwankungen in den Lebensmittelpreisen, die häufige Wiederkehr von Theuerungen," sagt Grenzboten II. 1877. 51

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/405>, abgerufen am 26.05.2024.