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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

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Ferner ist die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, daß die Frage nach dem
Unterstützungswohnsitz oder wenigstens der Inländer- oder Ausländerqualität
des Betreffenden früher oder später zur spruchreifen Entscheidung gelangt. Es
dürste deshalb gerathen sein, daß die Gesetzgebung bei der Zuweisung an einen
Armenverband bezw. an den Staat sür den Fall nachfolgender Eruirung des
Unterstütznngswohnsitzes oder der Ausländerqualität ein Rückforderuugsrecht
an den endgiltig ersatzpflichtigen Verband statuire.

Wir würden demgemäß uns für folgenden Vorschlag entscheiden: § 30b
bleibt in seiner gegenwärtigen Fassung stehen. Ein als Absatz e eingeschalteter
Zusatz entscheidet die Frage der Kostenerstattung an den vorläufig Unterstützungs-
pflichtigen Ortsarmenverband in der Weise, daß für erstattungspflichtig er¬
klärt wird:

e) wenn ein Unterstützungswohnsitz sich nicht ermitteln läßt, die Zugehörigkeit
des Unterstützten zum Geltungsbereich des Reichs-Unterstützungswohnsitzgesetzes
aber nachgewiesen ist, derjenige Landarmenverband, in dessen Bezirk der Unter¬
stützte sich bei dem Eintritt der Hülfsbedürftigkeit befand; andernfalls, d. i.
wenn die Zugehörigkeit zum Geltungsbereich des Reichsunterstützungswohnsitz-
gesetzes uicht nachgewiesen ist, derjenige Bundesstaat, welchem der Ortsarmen¬
verband der vorläufigen Unterstützung angehört (H. 60). In beiden Fällen
bleibt das Rückforderungsrecht an den etwa noch zu ermittelnder, gemäß dieses
Gesetzes endgiltig Unterstützungspflichtigen Armenverband für Lebzeiten des
Unterstützten gewahrt.


Zu Ziffeer 5.

Die Absicht des neu einzuhaltenden Z 64 g. geht dahin,
den Armenbehörden zu ermöglichen, unterstützungsbedürftige, arbeitsfähige
Personen durch zwangsweise Verwerthung ihrer Arbeitskraft unterstützen bezw-
auch durch solche Verwerthung sich Ersatz für bereits aufgewendeten Unter¬
stützung verschaffen zu können. Diese Absicht des Gesetzgebers wird gewiß
allseitig gebilligt werden. Nur möchten wir glauben, daß es gerathen wäre,
statt des erfahrungsgemäß und der Natur die Sache nach schleppenderen Ver¬
waltungsstreitverfahrens den Weg einzuschlagen, daß die Entscheidung in die
Hand der Verwaltungsbehörde gelegt würde.

Unser Endurtheil stellt sich dahin fest, daß die Reichsregierung zu gebotener
Frist mit dem Gesetzentwurf eine Abänderung bezw. Ergänzung des Reichs-
nnterstützungswohnsitzgesetzes vorgeschlagen habe, welche im Einklang mit den
Principien des modernen Rechts- und Knltnrstaates und in Uebereinstimmung
mit den Grundgedanken unserer derzeitige,: Armengesetzgebung diese letztere in
werthvoller, durch die praktische" Bedürfnisse geforderten und -- thunlichste
Berücksichtigung der von uns zu den betreffenden Eiuzelbestimmnngen proponirten


Ferner ist die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, daß die Frage nach dem
Unterstützungswohnsitz oder wenigstens der Inländer- oder Ausländerqualität
des Betreffenden früher oder später zur spruchreifen Entscheidung gelangt. Es
dürste deshalb gerathen sein, daß die Gesetzgebung bei der Zuweisung an einen
Armenverband bezw. an den Staat sür den Fall nachfolgender Eruirung des
Unterstütznngswohnsitzes oder der Ausländerqualität ein Rückforderuugsrecht
an den endgiltig ersatzpflichtigen Verband statuire.

Wir würden demgemäß uns für folgenden Vorschlag entscheiden: § 30b
bleibt in seiner gegenwärtigen Fassung stehen. Ein als Absatz e eingeschalteter
Zusatz entscheidet die Frage der Kostenerstattung an den vorläufig Unterstützungs-
pflichtigen Ortsarmenverband in der Weise, daß für erstattungspflichtig er¬
klärt wird:

e) wenn ein Unterstützungswohnsitz sich nicht ermitteln läßt, die Zugehörigkeit
des Unterstützten zum Geltungsbereich des Reichs-Unterstützungswohnsitzgesetzes
aber nachgewiesen ist, derjenige Landarmenverband, in dessen Bezirk der Unter¬
stützte sich bei dem Eintritt der Hülfsbedürftigkeit befand; andernfalls, d. i.
wenn die Zugehörigkeit zum Geltungsbereich des Reichsunterstützungswohnsitz-
gesetzes uicht nachgewiesen ist, derjenige Bundesstaat, welchem der Ortsarmen¬
verband der vorläufigen Unterstützung angehört (H. 60). In beiden Fällen
bleibt das Rückforderungsrecht an den etwa noch zu ermittelnder, gemäß dieses
Gesetzes endgiltig Unterstützungspflichtigen Armenverband für Lebzeiten des
Unterstützten gewahrt.


Zu Ziffeer 5.

Die Absicht des neu einzuhaltenden Z 64 g. geht dahin,
den Armenbehörden zu ermöglichen, unterstützungsbedürftige, arbeitsfähige
Personen durch zwangsweise Verwerthung ihrer Arbeitskraft unterstützen bezw-
auch durch solche Verwerthung sich Ersatz für bereits aufgewendeten Unter¬
stützung verschaffen zu können. Diese Absicht des Gesetzgebers wird gewiß
allseitig gebilligt werden. Nur möchten wir glauben, daß es gerathen wäre,
statt des erfahrungsgemäß und der Natur die Sache nach schleppenderen Ver¬
waltungsstreitverfahrens den Weg einzuschlagen, daß die Entscheidung in die
Hand der Verwaltungsbehörde gelegt würde.

Unser Endurtheil stellt sich dahin fest, daß die Reichsregierung zu gebotener
Frist mit dem Gesetzentwurf eine Abänderung bezw. Ergänzung des Reichs-
nnterstützungswohnsitzgesetzes vorgeschlagen habe, welche im Einklang mit den
Principien des modernen Rechts- und Knltnrstaates und in Uebereinstimmung
mit den Grundgedanken unserer derzeitige,: Armengesetzgebung diese letztere in
werthvoller, durch die praktische« Bedürfnisse geforderten und — thunlichste
Berücksichtigung der von uns zu den betreffenden Eiuzelbestimmnngen proponirten


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/112>, abgerufen am 05.05.2024.