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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

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Einheit kam. Die Macht des Königthums der Aleuaden, welches sich im 7. Jahr¬
hundert über den einzelnen Orten Thessaliens erhob, blieb schwach; eine gesetzmäßige
Obergewalt kam nur dann zu Stande, wenn die drei Hauptorte des Landes:
Lnrissa, Pharsalos und Pherae einmal ausnahmsweise in der Wahl eines
gemeinsamen Anführers, eines Tagos, übereinstimmten. Dem Tagos, der als
eine Art Diktator erscheint, stand das Recht zu, von allen abhängigen Städten
Tribut zu erheben, und es wurde angenommen, daß die thessalischen Orte ihm
eine Gescnnmtmacht voll 6000 Rittern und 10,000 Hopliten stellen könnten.

Man sieht: an Vielgestaltigkeit der kriegerischen Einrichtungen fehlte es
den griechischen Staaten keineswegs. Eins aber haben alle gemeinsam: Jeder
Mann, der als Bürger Geltung erlangen wollte, mußte anch Geltung haben als
Krieger. Wenn mau daher die Heere Griechenlands Bürgermilizen nennt --
und sie waren es --- so, darf, man mit ebensovielen Recht ihre Gemeinden
als Kriegergenvssenschaften bezeichnen. -- Nicht umsonst ist Pallas Athene, die
Göttin höchster menschlicher Erkenntniß, kriegerisch gerüstet mit Schild und
Lanze. Auf's Innigste durchdrang sich in der Erziehung der griechischen Jngend
die Ausbildung in Wissenschaft und Kunst mit der in den Waffen, und diese
schöne Verbindung, welche sich in jedem einzelnen Gymnasium vollzog, sie erhob
sich in den nationalen Festspielen zu Olympia, zu Pytho, am Jsthmos zu
einem über alle Stammesverschiedenheit hinausgehenden Ausdruck des gesammten
griechischen Wesens, vor allem des griechischen Kriegswesens.


7. Die Zeit der Perserkriege.

Der Aufstand der kleinasiatischen Griechen gegen Persien hatte die Unter-
stiitzung Athens und Eretrais gefunden; dies war der Grund, weshalb dem
Perserkönige Darjawusch die Niederwerfung der Aufständischen nicht genügte,
sondern er den Plan faßte, Hellas selbst zu bekriegen. Er begriff, daß er der
Herrschaft in Jonien nur dann sicher sei, wenn er auch über die Westküste des
ägäischen Meeres regiere. Des Königs Herolde durchzogen die Inseln und
Städte, überall Erde und Wasser fordernd; die Edlen Thessaliens und Böo-
tiens suchten die persische Freundschaft; in Athen aber wurden die Gesandten
vom Felsen gestürzt. Daß Sparta desgleichen that, gab beiden Staaten, die so¬
eben noch gegeneinander gestanden, einen gemeinsamen Feind. Doch als die
Perser nach Euboia kamen und Eretria zerstörten, zögerte Sparta dem Hülfe¬
rufe Athens zu folgen. Eine mit angeblich 300,000 Mann besetzte Flotte
landete, dem Rathe des vertriebenen Peisistratiden Hippias folgend, in der
Bucht vou Marathon. Ein Auszug von 9--10,000 Athenern, unterstützt von
nur 1000 Platäern, trat ihnen entgegen. Gleich hier zeigte sich die eminente


Einheit kam. Die Macht des Königthums der Aleuaden, welches sich im 7. Jahr¬
hundert über den einzelnen Orten Thessaliens erhob, blieb schwach; eine gesetzmäßige
Obergewalt kam nur dann zu Stande, wenn die drei Hauptorte des Landes:
Lnrissa, Pharsalos und Pherae einmal ausnahmsweise in der Wahl eines
gemeinsamen Anführers, eines Tagos, übereinstimmten. Dem Tagos, der als
eine Art Diktator erscheint, stand das Recht zu, von allen abhängigen Städten
Tribut zu erheben, und es wurde angenommen, daß die thessalischen Orte ihm
eine Gescnnmtmacht voll 6000 Rittern und 10,000 Hopliten stellen könnten.

Man sieht: an Vielgestaltigkeit der kriegerischen Einrichtungen fehlte es
den griechischen Staaten keineswegs. Eins aber haben alle gemeinsam: Jeder
Mann, der als Bürger Geltung erlangen wollte, mußte anch Geltung haben als
Krieger. Wenn mau daher die Heere Griechenlands Bürgermilizen nennt —
und sie waren es -— so, darf, man mit ebensovielen Recht ihre Gemeinden
als Kriegergenvssenschaften bezeichnen. — Nicht umsonst ist Pallas Athene, die
Göttin höchster menschlicher Erkenntniß, kriegerisch gerüstet mit Schild und
Lanze. Auf's Innigste durchdrang sich in der Erziehung der griechischen Jngend
die Ausbildung in Wissenschaft und Kunst mit der in den Waffen, und diese
schöne Verbindung, welche sich in jedem einzelnen Gymnasium vollzog, sie erhob
sich in den nationalen Festspielen zu Olympia, zu Pytho, am Jsthmos zu
einem über alle Stammesverschiedenheit hinausgehenden Ausdruck des gesammten
griechischen Wesens, vor allem des griechischen Kriegswesens.


7. Die Zeit der Perserkriege.

Der Aufstand der kleinasiatischen Griechen gegen Persien hatte die Unter-
stiitzung Athens und Eretrais gefunden; dies war der Grund, weshalb dem
Perserkönige Darjawusch die Niederwerfung der Aufständischen nicht genügte,
sondern er den Plan faßte, Hellas selbst zu bekriegen. Er begriff, daß er der
Herrschaft in Jonien nur dann sicher sei, wenn er auch über die Westküste des
ägäischen Meeres regiere. Des Königs Herolde durchzogen die Inseln und
Städte, überall Erde und Wasser fordernd; die Edlen Thessaliens und Böo-
tiens suchten die persische Freundschaft; in Athen aber wurden die Gesandten
vom Felsen gestürzt. Daß Sparta desgleichen that, gab beiden Staaten, die so¬
eben noch gegeneinander gestanden, einen gemeinsamen Feind. Doch als die
Perser nach Euboia kamen und Eretria zerstörten, zögerte Sparta dem Hülfe¬
rufe Athens zu folgen. Eine mit angeblich 300,000 Mann besetzte Flotte
landete, dem Rathe des vertriebenen Peisistratiden Hippias folgend, in der
Bucht vou Marathon. Ein Auszug von 9—10,000 Athenern, unterstützt von
nur 1000 Platäern, trat ihnen entgegen. Gleich hier zeigte sich die eminente


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[0109] Einheit kam. Die Macht des Königthums der Aleuaden, welches sich im 7. Jahr¬ hundert über den einzelnen Orten Thessaliens erhob, blieb schwach; eine gesetzmäßige Obergewalt kam nur dann zu Stande, wenn die drei Hauptorte des Landes: Lnrissa, Pharsalos und Pherae einmal ausnahmsweise in der Wahl eines gemeinsamen Anführers, eines Tagos, übereinstimmten. Dem Tagos, der als eine Art Diktator erscheint, stand das Recht zu, von allen abhängigen Städten Tribut zu erheben, und es wurde angenommen, daß die thessalischen Orte ihm eine Gescnnmtmacht voll 6000 Rittern und 10,000 Hopliten stellen könnten. Man sieht: an Vielgestaltigkeit der kriegerischen Einrichtungen fehlte es den griechischen Staaten keineswegs. Eins aber haben alle gemeinsam: Jeder Mann, der als Bürger Geltung erlangen wollte, mußte anch Geltung haben als Krieger. Wenn mau daher die Heere Griechenlands Bürgermilizen nennt — und sie waren es -— so, darf, man mit ebensovielen Recht ihre Gemeinden als Kriegergenvssenschaften bezeichnen. — Nicht umsonst ist Pallas Athene, die Göttin höchster menschlicher Erkenntniß, kriegerisch gerüstet mit Schild und Lanze. Auf's Innigste durchdrang sich in der Erziehung der griechischen Jngend die Ausbildung in Wissenschaft und Kunst mit der in den Waffen, und diese schöne Verbindung, welche sich in jedem einzelnen Gymnasium vollzog, sie erhob sich in den nationalen Festspielen zu Olympia, zu Pytho, am Jsthmos zu einem über alle Stammesverschiedenheit hinausgehenden Ausdruck des gesammten griechischen Wesens, vor allem des griechischen Kriegswesens. 7. Die Zeit der Perserkriege. Der Aufstand der kleinasiatischen Griechen gegen Persien hatte die Unter- stiitzung Athens und Eretrais gefunden; dies war der Grund, weshalb dem Perserkönige Darjawusch die Niederwerfung der Aufständischen nicht genügte, sondern er den Plan faßte, Hellas selbst zu bekriegen. Er begriff, daß er der Herrschaft in Jonien nur dann sicher sei, wenn er auch über die Westküste des ägäischen Meeres regiere. Des Königs Herolde durchzogen die Inseln und Städte, überall Erde und Wasser fordernd; die Edlen Thessaliens und Böo- tiens suchten die persische Freundschaft; in Athen aber wurden die Gesandten vom Felsen gestürzt. Daß Sparta desgleichen that, gab beiden Staaten, die so¬ eben noch gegeneinander gestanden, einen gemeinsamen Feind. Doch als die Perser nach Euboia kamen und Eretria zerstörten, zögerte Sparta dem Hülfe¬ rufe Athens zu folgen. Eine mit angeblich 300,000 Mann besetzte Flotte landete, dem Rathe des vertriebenen Peisistratiden Hippias folgend, in der Bucht vou Marathon. Ein Auszug von 9—10,000 Athenern, unterstützt von nur 1000 Platäern, trat ihnen entgegen. Gleich hier zeigte sich die eminente

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/109>, abgerufen am 29.04.2024.