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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

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die Ungunst des ganzen Europa in wenig mehr als einem Jahrzehnt zu dem
geworden, was Nur heute sind, wird sich die Lage des eiteln junkerlichen
Dilettanten, der es wagen möchte, die Leitung des deutschen Staates ans der er-
fahrenen Hand des Meisters an sich zu reißen, nicht traurig und bedenklich
genug vorstellen können.

So tritt denn an der Jahreswende der Wunsch, den jeder gute
Deutsche schon bisher in dieser ernsten Stunde freudig und gehobenen Sinnes
aussprach, als der dringendste Herzenswunsch zuvorderst auf die Lippen von
Millionen: Gott erhalte uns den Deutschen Kanzler in seinem Amte noch
manches Jahr, und stärke ihn mit Kraft und Macht, dem Deutschen Reiche zu
N H. B. utz, seinen Feinden zum Trutz!




Die Entwickelung des altgriechischen Kriegswesens.
Von Max Jähns. I.

In der Geschichte wie in der Natur pflegen die höher stehenden Orga¬
nismen auch die komplizirteren zu sein, und oft weisen sie durch rudimentäre
Theile rückwärts ans niedere Entwickelungsstufen, denen sie entwachsen sind. --
Diese Betrachtung drängt sich auf, wenn man die Mannichfaltigkeit der griechi¬
schen Welt überschaut und die Fülle verschiedenartiger Gestaltungen untersucht,
welche Hellas insbesondere auch auf dem Gebiete der Heeresbildung und des
Kriegswesens hervorgebracht hat und welche für alle Folgezeit theils vorbildlich
theils vorbedeutend geworden sind.

1. Das heroische Zeitalter.

In ferner Urzeit waren die Griechen Hirtenstamme, welche das Land
durchwanderten. Der Ackerbau hat wohl zuerst in den Ebenen der Ostküste
Fuß gefaßt. Die Saaten, die besser genährten Heerden der dort ansäßig Ge¬
wordenen reizten die Beutelust der Ziegenhirten des Gebirges. Diese vereinigten
sich nnter Kriegsfürsten und begannen jene Raubzüge und Ueberfälle, von
denen noch die Lieder des Homer berichten. Die Landbauern, zur Gegenwehr
genöthigt, schieden sich bald in solche, denen reichlicher Grundbesitz und persön¬
liche Neigung eine regelmäßige Theilnahme an Kriegszügen gestatteten, und in
solche, deren Dürftigkeit und Untüchtigkeit sie zwang, daheim zu bleiben und
für die Krieger das Feld zu bestellen. Damit sind die Bedingungen eines
Adelstandes gegeben, der sich zunächst als Gefolgschaft an solche Männer an-


die Ungunst des ganzen Europa in wenig mehr als einem Jahrzehnt zu dem
geworden, was Nur heute sind, wird sich die Lage des eiteln junkerlichen
Dilettanten, der es wagen möchte, die Leitung des deutschen Staates ans der er-
fahrenen Hand des Meisters an sich zu reißen, nicht traurig und bedenklich
genug vorstellen können.

So tritt denn an der Jahreswende der Wunsch, den jeder gute
Deutsche schon bisher in dieser ernsten Stunde freudig und gehobenen Sinnes
aussprach, als der dringendste Herzenswunsch zuvorderst auf die Lippen von
Millionen: Gott erhalte uns den Deutschen Kanzler in seinem Amte noch
manches Jahr, und stärke ihn mit Kraft und Macht, dem Deutschen Reiche zu
N H. B. utz, seinen Feinden zum Trutz!




Die Entwickelung des altgriechischen Kriegswesens.
Von Max Jähns. I.

In der Geschichte wie in der Natur pflegen die höher stehenden Orga¬
nismen auch die komplizirteren zu sein, und oft weisen sie durch rudimentäre
Theile rückwärts ans niedere Entwickelungsstufen, denen sie entwachsen sind. —
Diese Betrachtung drängt sich auf, wenn man die Mannichfaltigkeit der griechi¬
schen Welt überschaut und die Fülle verschiedenartiger Gestaltungen untersucht,
welche Hellas insbesondere auch auf dem Gebiete der Heeresbildung und des
Kriegswesens hervorgebracht hat und welche für alle Folgezeit theils vorbildlich
theils vorbedeutend geworden sind.

1. Das heroische Zeitalter.

In ferner Urzeit waren die Griechen Hirtenstamme, welche das Land
durchwanderten. Der Ackerbau hat wohl zuerst in den Ebenen der Ostküste
Fuß gefaßt. Die Saaten, die besser genährten Heerden der dort ansäßig Ge¬
wordenen reizten die Beutelust der Ziegenhirten des Gebirges. Diese vereinigten
sich nnter Kriegsfürsten und begannen jene Raubzüge und Ueberfälle, von
denen noch die Lieder des Homer berichten. Die Landbauern, zur Gegenwehr
genöthigt, schieden sich bald in solche, denen reichlicher Grundbesitz und persön¬
liche Neigung eine regelmäßige Theilnahme an Kriegszügen gestatteten, und in
solche, deren Dürftigkeit und Untüchtigkeit sie zwang, daheim zu bleiben und
für die Krieger das Feld zu bestellen. Damit sind die Bedingungen eines
Adelstandes gegeben, der sich zunächst als Gefolgschaft an solche Männer an-


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[0013] die Ungunst des ganzen Europa in wenig mehr als einem Jahrzehnt zu dem geworden, was Nur heute sind, wird sich die Lage des eiteln junkerlichen Dilettanten, der es wagen möchte, die Leitung des deutschen Staates ans der er- fahrenen Hand des Meisters an sich zu reißen, nicht traurig und bedenklich genug vorstellen können. So tritt denn an der Jahreswende der Wunsch, den jeder gute Deutsche schon bisher in dieser ernsten Stunde freudig und gehobenen Sinnes aussprach, als der dringendste Herzenswunsch zuvorderst auf die Lippen von Millionen: Gott erhalte uns den Deutschen Kanzler in seinem Amte noch manches Jahr, und stärke ihn mit Kraft und Macht, dem Deutschen Reiche zu N H. B. utz, seinen Feinden zum Trutz! Die Entwickelung des altgriechischen Kriegswesens. Von Max Jähns. I. In der Geschichte wie in der Natur pflegen die höher stehenden Orga¬ nismen auch die komplizirteren zu sein, und oft weisen sie durch rudimentäre Theile rückwärts ans niedere Entwickelungsstufen, denen sie entwachsen sind. — Diese Betrachtung drängt sich auf, wenn man die Mannichfaltigkeit der griechi¬ schen Welt überschaut und die Fülle verschiedenartiger Gestaltungen untersucht, welche Hellas insbesondere auch auf dem Gebiete der Heeresbildung und des Kriegswesens hervorgebracht hat und welche für alle Folgezeit theils vorbildlich theils vorbedeutend geworden sind. 1. Das heroische Zeitalter. In ferner Urzeit waren die Griechen Hirtenstamme, welche das Land durchwanderten. Der Ackerbau hat wohl zuerst in den Ebenen der Ostküste Fuß gefaßt. Die Saaten, die besser genährten Heerden der dort ansäßig Ge¬ wordenen reizten die Beutelust der Ziegenhirten des Gebirges. Diese vereinigten sich nnter Kriegsfürsten und begannen jene Raubzüge und Ueberfälle, von denen noch die Lieder des Homer berichten. Die Landbauern, zur Gegenwehr genöthigt, schieden sich bald in solche, denen reichlicher Grundbesitz und persön¬ liche Neigung eine regelmäßige Theilnahme an Kriegszügen gestatteten, und in solche, deren Dürftigkeit und Untüchtigkeit sie zwang, daheim zu bleiben und für die Krieger das Feld zu bestellen. Damit sind die Bedingungen eines Adelstandes gegeben, der sich zunächst als Gefolgschaft an solche Männer an-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/13>, abgerufen am 28.04.2024.