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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

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Ms Baden.
Rückblick und Umschau.

In dein abgelaufenen Jahre 1877 haben sich 25 Regentenjahre des
Großherzogs Friedrich vollendet. Wir haben s, Z. zu der auf den 29. April
gelegten Jubelfeier in diesen Blättern (Jahrg. 1877 Ur. 18) in einem geschicht¬
lichen Rückblick das innerbadische Staatsleben zu charakterisiren gesucht, wie es
unter der Negierung des Jubilars sich gestaltete, und wir wollten weiter
die Arbeit würdigen, welche Baden unter dieses seines Fürsten Führung für
die deutsche Sache geleistet hat. Es dürfte uns Badener immerhin mit einigem
Stolze erfüllen, daß die öffentliche Aufmerksamkeit weit über die Grenzen des
deutschen Vaterlandes hinaus der Jubelfeier Beachtung gewidmet hat. Wie
wir in dem vorerwähnten Aufsatz sagten, so war es: man hat den Blick gerne
einer Periode des ümerbadischen Staatslebens zugewendet, welche unter der
Regierung des Großherzogs Friedrich die reichsten Segnungen freiheitlicher
Entwickelung über unser Volksleben ausgegossen hat. Der deutsche Einzelstaat
mochte nicht träumen von einer Bedeutung, die ihm zukomme im Rathe der
europäischen Politik. Besessen hat er diese Bedeutung nie. Vollends in unseren
Tagen aber ist auch der Schein derselben geschwunden, trotz der landesfürst¬
lichen Bildnisse auf den Reichsmünzen und trotz der Luxusausgaben für Gesandte
an europäischen Höfen, welche z. B. Baiern selbst in der gegenwärtig finanziell
knappen Zeit mit heroischen Patriotismus noch leistet. Solchen Patriotismus
kennt Baden nicht. Aber gerade daß dieser Staat in der korrektesten Weise,
ohne Reservatrechte, sich eingefügt hat in den Organismus des Reiches
und von der Linie dieser bewußt eingenommenen einzig richtigen Stellung
nicht gewichen ist, gerade das hat ihm anch die Tage der Jubiläumsfeier des
Fürsten, unter dessen Regierung solche Positition genommen ward, die Blicke
Vieler mit ganz besonderem Interesse zugewendet. Und wenn dabei höchste
Anerkennung dem Jubilar gespendet wurde, so bezeugt die Geschichte, daß
diese Anerkennung nicht zur Ungebühr gezollt ist. Der Fürst, unter dessen
Szepter der Gedanke der Freiheit sich im Staatsleben aufs schönste verwirk¬
lichte; der Fürst, welcher dem nationalen Gedanken hohe Opfer brachte, wie
kein zweiter unter denen, die in Deutschland Kronen tragen, er wurde gefeiert
in den Tagen , da 25 Regentenjahre sich ihm erfüllten. Es kam sicher nicht
jeder der Wünsche, die gebracht wurden, aus aufrichtigem Herzen. Was die
Etikette vorschrieb, mußte geleistet werden und manch' ein Festesgrnß galt
wohl eher dem Schwiegersohn des Deutschen Kaisers, als dem Fürsten, der
nicht finden konnte, daß ein Gegensatz sei zwischen Volksrecht und Aürstenrecht.


Ms Baden.
Rückblick und Umschau.

In dein abgelaufenen Jahre 1877 haben sich 25 Regentenjahre des
Großherzogs Friedrich vollendet. Wir haben s, Z. zu der auf den 29. April
gelegten Jubelfeier in diesen Blättern (Jahrg. 1877 Ur. 18) in einem geschicht¬
lichen Rückblick das innerbadische Staatsleben zu charakterisiren gesucht, wie es
unter der Negierung des Jubilars sich gestaltete, und wir wollten weiter
die Arbeit würdigen, welche Baden unter dieses seines Fürsten Führung für
die deutsche Sache geleistet hat. Es dürfte uns Badener immerhin mit einigem
Stolze erfüllen, daß die öffentliche Aufmerksamkeit weit über die Grenzen des
deutschen Vaterlandes hinaus der Jubelfeier Beachtung gewidmet hat. Wie
wir in dem vorerwähnten Aufsatz sagten, so war es: man hat den Blick gerne
einer Periode des ümerbadischen Staatslebens zugewendet, welche unter der
Regierung des Großherzogs Friedrich die reichsten Segnungen freiheitlicher
Entwickelung über unser Volksleben ausgegossen hat. Der deutsche Einzelstaat
mochte nicht träumen von einer Bedeutung, die ihm zukomme im Rathe der
europäischen Politik. Besessen hat er diese Bedeutung nie. Vollends in unseren
Tagen aber ist auch der Schein derselben geschwunden, trotz der landesfürst¬
lichen Bildnisse auf den Reichsmünzen und trotz der Luxusausgaben für Gesandte
an europäischen Höfen, welche z. B. Baiern selbst in der gegenwärtig finanziell
knappen Zeit mit heroischen Patriotismus noch leistet. Solchen Patriotismus
kennt Baden nicht. Aber gerade daß dieser Staat in der korrektesten Weise,
ohne Reservatrechte, sich eingefügt hat in den Organismus des Reiches
und von der Linie dieser bewußt eingenommenen einzig richtigen Stellung
nicht gewichen ist, gerade das hat ihm anch die Tage der Jubiläumsfeier des
Fürsten, unter dessen Regierung solche Positition genommen ward, die Blicke
Vieler mit ganz besonderem Interesse zugewendet. Und wenn dabei höchste
Anerkennung dem Jubilar gespendet wurde, so bezeugt die Geschichte, daß
diese Anerkennung nicht zur Ungebühr gezollt ist. Der Fürst, unter dessen
Szepter der Gedanke der Freiheit sich im Staatsleben aufs schönste verwirk¬
lichte; der Fürst, welcher dem nationalen Gedanken hohe Opfer brachte, wie
kein zweiter unter denen, die in Deutschland Kronen tragen, er wurde gefeiert
in den Tagen , da 25 Regentenjahre sich ihm erfüllten. Es kam sicher nicht
jeder der Wünsche, die gebracht wurden, aus aufrichtigem Herzen. Was die
Etikette vorschrieb, mußte geleistet werden und manch' ein Festesgrnß galt
wohl eher dem Schwiegersohn des Deutschen Kaisers, als dem Fürsten, der
nicht finden konnte, daß ein Gegensatz sei zwischen Volksrecht und Aürstenrecht.


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[0155] Ms Baden. Rückblick und Umschau. In dein abgelaufenen Jahre 1877 haben sich 25 Regentenjahre des Großherzogs Friedrich vollendet. Wir haben s, Z. zu der auf den 29. April gelegten Jubelfeier in diesen Blättern (Jahrg. 1877 Ur. 18) in einem geschicht¬ lichen Rückblick das innerbadische Staatsleben zu charakterisiren gesucht, wie es unter der Negierung des Jubilars sich gestaltete, und wir wollten weiter die Arbeit würdigen, welche Baden unter dieses seines Fürsten Führung für die deutsche Sache geleistet hat. Es dürfte uns Badener immerhin mit einigem Stolze erfüllen, daß die öffentliche Aufmerksamkeit weit über die Grenzen des deutschen Vaterlandes hinaus der Jubelfeier Beachtung gewidmet hat. Wie wir in dem vorerwähnten Aufsatz sagten, so war es: man hat den Blick gerne einer Periode des ümerbadischen Staatslebens zugewendet, welche unter der Regierung des Großherzogs Friedrich die reichsten Segnungen freiheitlicher Entwickelung über unser Volksleben ausgegossen hat. Der deutsche Einzelstaat mochte nicht träumen von einer Bedeutung, die ihm zukomme im Rathe der europäischen Politik. Besessen hat er diese Bedeutung nie. Vollends in unseren Tagen aber ist auch der Schein derselben geschwunden, trotz der landesfürst¬ lichen Bildnisse auf den Reichsmünzen und trotz der Luxusausgaben für Gesandte an europäischen Höfen, welche z. B. Baiern selbst in der gegenwärtig finanziell knappen Zeit mit heroischen Patriotismus noch leistet. Solchen Patriotismus kennt Baden nicht. Aber gerade daß dieser Staat in der korrektesten Weise, ohne Reservatrechte, sich eingefügt hat in den Organismus des Reiches und von der Linie dieser bewußt eingenommenen einzig richtigen Stellung nicht gewichen ist, gerade das hat ihm anch die Tage der Jubiläumsfeier des Fürsten, unter dessen Regierung solche Positition genommen ward, die Blicke Vieler mit ganz besonderem Interesse zugewendet. Und wenn dabei höchste Anerkennung dem Jubilar gespendet wurde, so bezeugt die Geschichte, daß diese Anerkennung nicht zur Ungebühr gezollt ist. Der Fürst, unter dessen Szepter der Gedanke der Freiheit sich im Staatsleben aufs schönste verwirk¬ lichte; der Fürst, welcher dem nationalen Gedanken hohe Opfer brachte, wie kein zweiter unter denen, die in Deutschland Kronen tragen, er wurde gefeiert in den Tagen , da 25 Regentenjahre sich ihm erfüllten. Es kam sicher nicht jeder der Wünsche, die gebracht wurden, aus aufrichtigem Herzen. Was die Etikette vorschrieb, mußte geleistet werden und manch' ein Festesgrnß galt wohl eher dem Schwiegersohn des Deutschen Kaisers, als dem Fürsten, der nicht finden konnte, daß ein Gegensatz sei zwischen Volksrecht und Aürstenrecht.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/155>, abgerufen am 28.04.2024.