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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

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Hoffnung sind allerdings Erregungen des religiösen Lebens, dieses selbst ist
aber von vornherein etwas Allgemeines, nämlich das Bedürfniß, das eigene
Sein durch Verknüpfung mit dem göttlichen Sein zu schützen und zu befrie¬
digen.

Mögen diese wenigen Sätze hier genügen, um für die Beurtheilung der
schwierigen Frage als Anhaltepunkt zu dienen.

Wir schließen unsere Berichterstattung mit dem Danke für die mannichfachen
Anregungen, die uns die hier gesammelten Aufsätze Zelters gewährt haben.


H. Jacoby.


Line Jaljrt auf den Olymp.
Von Gustav v. Eckenbrecher.
I.

Während meines Aufenthaltes in Thessalonich erwähnte ich gegen unsern
dortigen Konsul, daß ich beabsichtige den Olymp zu besteigen. Voll Erstaunen
rief derselbe aus: "Wie, Sie wollen den Olymp besteigen? Wissen Sie nicht,
daß er von Räubern wimmelt und Sie dort jedenfalls todt geschlagen werden?
Zudem ist dieser Berg durch Schnee in jetziger Jahreszeit (zu Ende Mai)
vollständig ungangbar. Wenn Sie aber gutem Rath nicht folgen wollen, so
können wir nur gleich für immer Abschied von einander nehmen." Das lautete
nicht sonderlich tröstlich für meinen sehnsüchtigen Wunsch, den Sitz der Götter
Griechenlands zu besuchen, der mir immer als die merkwürdigste und klas¬
sischste aller hochberühmten Stellen des wundervollen griechischen Bodens er¬
schienen war. Doch auch die gleichsam offiziell mir zugekommene entschiedene
Warnung vermochte meinen Entschluß uicht zu ändern, da ich glaubte, die
vom Konsul geschilderten Gefahren seien übertrieben. Ich bestieg daher noch
am nämlichen Abend ein- kleines griechisches Schiff, welches mich zuvörderst
nach der Mündung des Peneus bringen sollte. Bald nachdem wir absegelten,
trat Windstille ein, so daß wir zu Mittag des folgenden Tages noch nicht
weiter waren, als bei Panomi, drei Meilen südlich von Thessalonich. Hier
ging des etwas konträren Windes wegen unser Schiffsherr ganz gemächlich vor
Anker. Wir befanden uns -- gegen Süd-Westen ragte der schneeige Olymp
jenseit des Meeres majestätisch hervor -- an einem weit und breit ganz flachen,
eben das Meer überragenden Vorsprung der Halbinsel Chalcidiae, dessen ge-


Hoffnung sind allerdings Erregungen des religiösen Lebens, dieses selbst ist
aber von vornherein etwas Allgemeines, nämlich das Bedürfniß, das eigene
Sein durch Verknüpfung mit dem göttlichen Sein zu schützen und zu befrie¬
digen.

Mögen diese wenigen Sätze hier genügen, um für die Beurtheilung der
schwierigen Frage als Anhaltepunkt zu dienen.

Wir schließen unsere Berichterstattung mit dem Danke für die mannichfachen
Anregungen, die uns die hier gesammelten Aufsätze Zelters gewährt haben.


H. Jacoby.


Line Jaljrt auf den Olymp.
Von Gustav v. Eckenbrecher.
I.

Während meines Aufenthaltes in Thessalonich erwähnte ich gegen unsern
dortigen Konsul, daß ich beabsichtige den Olymp zu besteigen. Voll Erstaunen
rief derselbe aus: „Wie, Sie wollen den Olymp besteigen? Wissen Sie nicht,
daß er von Räubern wimmelt und Sie dort jedenfalls todt geschlagen werden?
Zudem ist dieser Berg durch Schnee in jetziger Jahreszeit (zu Ende Mai)
vollständig ungangbar. Wenn Sie aber gutem Rath nicht folgen wollen, so
können wir nur gleich für immer Abschied von einander nehmen." Das lautete
nicht sonderlich tröstlich für meinen sehnsüchtigen Wunsch, den Sitz der Götter
Griechenlands zu besuchen, der mir immer als die merkwürdigste und klas¬
sischste aller hochberühmten Stellen des wundervollen griechischen Bodens er¬
schienen war. Doch auch die gleichsam offiziell mir zugekommene entschiedene
Warnung vermochte meinen Entschluß uicht zu ändern, da ich glaubte, die
vom Konsul geschilderten Gefahren seien übertrieben. Ich bestieg daher noch
am nämlichen Abend ein- kleines griechisches Schiff, welches mich zuvörderst
nach der Mündung des Peneus bringen sollte. Bald nachdem wir absegelten,
trat Windstille ein, so daß wir zu Mittag des folgenden Tages noch nicht
weiter waren, als bei Panomi, drei Meilen südlich von Thessalonich. Hier
ging des etwas konträren Windes wegen unser Schiffsherr ganz gemächlich vor
Anker. Wir befanden uns — gegen Süd-Westen ragte der schneeige Olymp
jenseit des Meeres majestätisch hervor — an einem weit und breit ganz flachen,
eben das Meer überragenden Vorsprung der Halbinsel Chalcidiae, dessen ge-


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[0231] Hoffnung sind allerdings Erregungen des religiösen Lebens, dieses selbst ist aber von vornherein etwas Allgemeines, nämlich das Bedürfniß, das eigene Sein durch Verknüpfung mit dem göttlichen Sein zu schützen und zu befrie¬ digen. Mögen diese wenigen Sätze hier genügen, um für die Beurtheilung der schwierigen Frage als Anhaltepunkt zu dienen. Wir schließen unsere Berichterstattung mit dem Danke für die mannichfachen Anregungen, die uns die hier gesammelten Aufsätze Zelters gewährt haben. H. Jacoby. Line Jaljrt auf den Olymp. Von Gustav v. Eckenbrecher. I. Während meines Aufenthaltes in Thessalonich erwähnte ich gegen unsern dortigen Konsul, daß ich beabsichtige den Olymp zu besteigen. Voll Erstaunen rief derselbe aus: „Wie, Sie wollen den Olymp besteigen? Wissen Sie nicht, daß er von Räubern wimmelt und Sie dort jedenfalls todt geschlagen werden? Zudem ist dieser Berg durch Schnee in jetziger Jahreszeit (zu Ende Mai) vollständig ungangbar. Wenn Sie aber gutem Rath nicht folgen wollen, so können wir nur gleich für immer Abschied von einander nehmen." Das lautete nicht sonderlich tröstlich für meinen sehnsüchtigen Wunsch, den Sitz der Götter Griechenlands zu besuchen, der mir immer als die merkwürdigste und klas¬ sischste aller hochberühmten Stellen des wundervollen griechischen Bodens er¬ schienen war. Doch auch die gleichsam offiziell mir zugekommene entschiedene Warnung vermochte meinen Entschluß uicht zu ändern, da ich glaubte, die vom Konsul geschilderten Gefahren seien übertrieben. Ich bestieg daher noch am nämlichen Abend ein- kleines griechisches Schiff, welches mich zuvörderst nach der Mündung des Peneus bringen sollte. Bald nachdem wir absegelten, trat Windstille ein, so daß wir zu Mittag des folgenden Tages noch nicht weiter waren, als bei Panomi, drei Meilen südlich von Thessalonich. Hier ging des etwas konträren Windes wegen unser Schiffsherr ganz gemächlich vor Anker. Wir befanden uns — gegen Süd-Westen ragte der schneeige Olymp jenseit des Meeres majestätisch hervor — an einem weit und breit ganz flachen, eben das Meer überragenden Vorsprung der Halbinsel Chalcidiae, dessen ge-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/231>, abgerufen am 29.04.2024.