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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

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ringe absolute Höhe man zur Gewinnung von Salz benutzt, indem man das
ans das Land geleitete Meerwasser verdunsten läßt. Es war sehr heiß auf der
baumlosen Ebene, und der Schiffsherr, der dem heiligen Nikolaus bei einer
ihm geweihten Quelle, aus der wir Wasser einnahmen, mit griechischer Fröm¬
migkeit eine Lampe anzündete, bat diesen inbrünstig, nus doch Schatten zu
spenden, was dem Heiligen bei dem durchaus heiterem Friihlingshinnnel wohl
etwas schwer gefallen wäre. Die Jagd mußte mich indessen für die Lange¬
weile des Wartens entschädigen und lieferte uns auch eine gute Abendmahlzeit.
Bei dieser und bei einem Glase Wein ließen sich's die griechischen Schiffer
wohl sein, worüber denn der gemüthliche Schiffsherr die Abfahrt längere
Zeit, als der Wind schon recht günstig geworden war, vergaß, so daß wir,
als es am andern Morgen um 6 Uhr wieder zu wehen aufhörte, die Mündung
des Peneus noch nicht erreicht hatten. Allmählig näherten wir uns jedoch dem
Ufer, nach dem wir steuerten. Als wir ungefähr noch 600 Schritt weit von der
südlichen Mündung des Peueus entfernt waren, der auf eine große Strecke
das Meer mit seinen gelblichen Wellen färbt, schöpfte ein Matrose aus der
See einen Eimer Wasser, trank und gab auch mir davon zu trinken, und ich
war erstaunt, es fast vollständig von dem Geschmacke des Brunnenwassers zu
finden. Wir glitten nun sanft an einer reizenden Ebene hin, die in meilen¬
weiter Ausdehnung als Delta des Peneus zwischen seinem nördlichen und
südlichen Ausflusse liegt, und dicht mit einem Walde uralter hochstämmiger
Platanen bewachsen ist, unter deren Schatten ein Wald von hohen Farrn-
kräutern wuchert. Ueber dem Maigrün der majestätischen Bäume erhoben sich
grau-violett die waldbedeckten Vorberge des Olymp und Ossa, und in der Ferne
deren schneebedeckte Gipfel. Bald ankerten wir südlich vom Ausfluß des Peneus
bei einem aus wenigen schlechten Hütten bestehenden Orte, Caritza genannt.
Südlich und südwestlich von diesem erheben sich die Abhänge des Ossa, viele
Meilen weit sind sie mit uraltem Liudenwalde bedeckt, der vom Spiegel des
Meeres beginnend, so weit als Laubholz noch gedeihen kann, am Gebirge sich
hinaufzieht.

Von dem Ufer, wo wir gelandet waren, erblickte ich auf dem AbHange
der Berge ein Kloster, das mit seiner byzantinischen Kirche aus dem dunklen
Walde hervorschaute. Ich gedachte in diesem Kloster zu übernachten, und
vielleicht ein paar Tage dort zu verweilen, da seine Lage in dem dichten Walde
und seine weite Aussicht auf das Meer, die es beherrschen mußte, mich un¬
widerstehlich anzog. Ich miethete einen Knaben mit einem Pferde, und kam
nebst meinem Gepäck in eiuer halben Stunde oben an. Nach langem Klopfen
an das große, schwere, rostige eiserne Thor erschien ein mürrisches altes Weib
an einer dnrch Vorbau wohlverwahrten Oeffnung über der Thür, und entschloß


ringe absolute Höhe man zur Gewinnung von Salz benutzt, indem man das
ans das Land geleitete Meerwasser verdunsten läßt. Es war sehr heiß auf der
baumlosen Ebene, und der Schiffsherr, der dem heiligen Nikolaus bei einer
ihm geweihten Quelle, aus der wir Wasser einnahmen, mit griechischer Fröm¬
migkeit eine Lampe anzündete, bat diesen inbrünstig, nus doch Schatten zu
spenden, was dem Heiligen bei dem durchaus heiterem Friihlingshinnnel wohl
etwas schwer gefallen wäre. Die Jagd mußte mich indessen für die Lange¬
weile des Wartens entschädigen und lieferte uns auch eine gute Abendmahlzeit.
Bei dieser und bei einem Glase Wein ließen sich's die griechischen Schiffer
wohl sein, worüber denn der gemüthliche Schiffsherr die Abfahrt längere
Zeit, als der Wind schon recht günstig geworden war, vergaß, so daß wir,
als es am andern Morgen um 6 Uhr wieder zu wehen aufhörte, die Mündung
des Peneus noch nicht erreicht hatten. Allmählig näherten wir uns jedoch dem
Ufer, nach dem wir steuerten. Als wir ungefähr noch 600 Schritt weit von der
südlichen Mündung des Peueus entfernt waren, der auf eine große Strecke
das Meer mit seinen gelblichen Wellen färbt, schöpfte ein Matrose aus der
See einen Eimer Wasser, trank und gab auch mir davon zu trinken, und ich
war erstaunt, es fast vollständig von dem Geschmacke des Brunnenwassers zu
finden. Wir glitten nun sanft an einer reizenden Ebene hin, die in meilen¬
weiter Ausdehnung als Delta des Peneus zwischen seinem nördlichen und
südlichen Ausflusse liegt, und dicht mit einem Walde uralter hochstämmiger
Platanen bewachsen ist, unter deren Schatten ein Wald von hohen Farrn-
kräutern wuchert. Ueber dem Maigrün der majestätischen Bäume erhoben sich
grau-violett die waldbedeckten Vorberge des Olymp und Ossa, und in der Ferne
deren schneebedeckte Gipfel. Bald ankerten wir südlich vom Ausfluß des Peneus
bei einem aus wenigen schlechten Hütten bestehenden Orte, Caritza genannt.
Südlich und südwestlich von diesem erheben sich die Abhänge des Ossa, viele
Meilen weit sind sie mit uraltem Liudenwalde bedeckt, der vom Spiegel des
Meeres beginnend, so weit als Laubholz noch gedeihen kann, am Gebirge sich
hinaufzieht.

Von dem Ufer, wo wir gelandet waren, erblickte ich auf dem AbHange
der Berge ein Kloster, das mit seiner byzantinischen Kirche aus dem dunklen
Walde hervorschaute. Ich gedachte in diesem Kloster zu übernachten, und
vielleicht ein paar Tage dort zu verweilen, da seine Lage in dem dichten Walde
und seine weite Aussicht auf das Meer, die es beherrschen mußte, mich un¬
widerstehlich anzog. Ich miethete einen Knaben mit einem Pferde, und kam
nebst meinem Gepäck in eiuer halben Stunde oben an. Nach langem Klopfen
an das große, schwere, rostige eiserne Thor erschien ein mürrisches altes Weib
an einer dnrch Vorbau wohlverwahrten Oeffnung über der Thür, und entschloß


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[0232] ringe absolute Höhe man zur Gewinnung von Salz benutzt, indem man das ans das Land geleitete Meerwasser verdunsten läßt. Es war sehr heiß auf der baumlosen Ebene, und der Schiffsherr, der dem heiligen Nikolaus bei einer ihm geweihten Quelle, aus der wir Wasser einnahmen, mit griechischer Fröm¬ migkeit eine Lampe anzündete, bat diesen inbrünstig, nus doch Schatten zu spenden, was dem Heiligen bei dem durchaus heiterem Friihlingshinnnel wohl etwas schwer gefallen wäre. Die Jagd mußte mich indessen für die Lange¬ weile des Wartens entschädigen und lieferte uns auch eine gute Abendmahlzeit. Bei dieser und bei einem Glase Wein ließen sich's die griechischen Schiffer wohl sein, worüber denn der gemüthliche Schiffsherr die Abfahrt längere Zeit, als der Wind schon recht günstig geworden war, vergaß, so daß wir, als es am andern Morgen um 6 Uhr wieder zu wehen aufhörte, die Mündung des Peneus noch nicht erreicht hatten. Allmählig näherten wir uns jedoch dem Ufer, nach dem wir steuerten. Als wir ungefähr noch 600 Schritt weit von der südlichen Mündung des Peueus entfernt waren, der auf eine große Strecke das Meer mit seinen gelblichen Wellen färbt, schöpfte ein Matrose aus der See einen Eimer Wasser, trank und gab auch mir davon zu trinken, und ich war erstaunt, es fast vollständig von dem Geschmacke des Brunnenwassers zu finden. Wir glitten nun sanft an einer reizenden Ebene hin, die in meilen¬ weiter Ausdehnung als Delta des Peneus zwischen seinem nördlichen und südlichen Ausflusse liegt, und dicht mit einem Walde uralter hochstämmiger Platanen bewachsen ist, unter deren Schatten ein Wald von hohen Farrn- kräutern wuchert. Ueber dem Maigrün der majestätischen Bäume erhoben sich grau-violett die waldbedeckten Vorberge des Olymp und Ossa, und in der Ferne deren schneebedeckte Gipfel. Bald ankerten wir südlich vom Ausfluß des Peneus bei einem aus wenigen schlechten Hütten bestehenden Orte, Caritza genannt. Südlich und südwestlich von diesem erheben sich die Abhänge des Ossa, viele Meilen weit sind sie mit uraltem Liudenwalde bedeckt, der vom Spiegel des Meeres beginnend, so weit als Laubholz noch gedeihen kann, am Gebirge sich hinaufzieht. Von dem Ufer, wo wir gelandet waren, erblickte ich auf dem AbHange der Berge ein Kloster, das mit seiner byzantinischen Kirche aus dem dunklen Walde hervorschaute. Ich gedachte in diesem Kloster zu übernachten, und vielleicht ein paar Tage dort zu verweilen, da seine Lage in dem dichten Walde und seine weite Aussicht auf das Meer, die es beherrschen mußte, mich un¬ widerstehlich anzog. Ich miethete einen Knaben mit einem Pferde, und kam nebst meinem Gepäck in eiuer halben Stunde oben an. Nach langem Klopfen an das große, schwere, rostige eiserne Thor erschien ein mürrisches altes Weib an einer dnrch Vorbau wohlverwahrten Oeffnung über der Thür, und entschloß

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/232>, abgerufen am 15.05.2024.