Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

ordentliche und anstündige Bürger unangefochten leben. Für den Augenblick
giebt es Gott sei Dank hier nicht leicht mehr einen von diesen, die Brod mit
Gewalt fordern." -- Bekanntlich waren diese Klephthen ursprünglich Ab¬
kömmlinge von Griechen, die nach der Eroberung dieser Gegenden durch die
Türken nicht sich unterwarfen, sondern in die Gebirge flüchteten, und von da
aus einen Guerillakrieg gegen die Eindringlinge auf eigene Faust fortsetzten.
In späteren Zeiten wurden sie dann durch fremden Zuzug verstärkt, und
trieben das Räuberhandwerk gegen Jedermann. Zur Zeit des Königreichs
wurde an dessen Grenze Zeitnn und Umgegend ihr gewöhnlicher Aufenthalt,
wo sie den Winter liber von ihren Heldenthaten ausruhen. Wenn aber die
Schneeschmelze der wärmeren Jahreszeit die schwer zugänglichen Schluchten
und Höhlen des Olympgebirges blos gelegt, ziehen sie dorthin und befehden
von diesen Schlupfwinkeln aus, insoweit uicht besonders energische Maßregeln
der Türken sie hindern, nach alter Nanbritterweise die umliegende Gegend.
Sie zeichnen sich ans durch großen Muth, große Gewandtheit und Kampfes-
geschicklichkeit, sowie hervorragende Begabung für Romantik und Poesie, wovon
die bekannten Klephthenlieder, die unter ihnen entsprossen sind, Zeugniß geben.
Die Einfachheit und Genügsamkeit ihres Lebens erinnert an die antiken Zeiten,
sowie auch ihre Tracht, welche, für den Sommer wenigstens, viel ähnliches
mit derjenigen der Bergschotten besitzt.

In der Vorhalle des Hauses -- nach homerischer Weise -- wurde mir
mein Lager bereitet.




Gom preußischen Landtage.

Die Signatur der letzten Wochen war abermals der Kulturkampf. Was
die Zentrumspartei bestimmt hat, die Marpinger Wundergeschichte auf die
parlamentarische Tribüne zu bringen, ist nach der betreffenden Verhandlung
noch räthselhafter als vorher. Lorbeeren konnte sie um so weniger zu erringen
hoffen, als ihre Redner von vornherein keine Lust hatten, für die angeblichen
Muttergotteserscheinungen selbst einzutreten. Man befand sich wohl in der un¬
angenehmen Zwangslage, ein vor Jahr und Tag etwas leichtfertig gegebenes
Versprechen erfüllen zu müssen. Gewiß meinte man höchst schlau zu verfah¬
ren, indem man das Wunder und was dazu gehört ganz aus dem Spiele
ließ, und lediglich die Handlungsweise der Behörden unter dem Gesichtspunkte


ordentliche und anstündige Bürger unangefochten leben. Für den Augenblick
giebt es Gott sei Dank hier nicht leicht mehr einen von diesen, die Brod mit
Gewalt fordern." — Bekanntlich waren diese Klephthen ursprünglich Ab¬
kömmlinge von Griechen, die nach der Eroberung dieser Gegenden durch die
Türken nicht sich unterwarfen, sondern in die Gebirge flüchteten, und von da
aus einen Guerillakrieg gegen die Eindringlinge auf eigene Faust fortsetzten.
In späteren Zeiten wurden sie dann durch fremden Zuzug verstärkt, und
trieben das Räuberhandwerk gegen Jedermann. Zur Zeit des Königreichs
wurde an dessen Grenze Zeitnn und Umgegend ihr gewöhnlicher Aufenthalt,
wo sie den Winter liber von ihren Heldenthaten ausruhen. Wenn aber die
Schneeschmelze der wärmeren Jahreszeit die schwer zugänglichen Schluchten
und Höhlen des Olympgebirges blos gelegt, ziehen sie dorthin und befehden
von diesen Schlupfwinkeln aus, insoweit uicht besonders energische Maßregeln
der Türken sie hindern, nach alter Nanbritterweise die umliegende Gegend.
Sie zeichnen sich ans durch großen Muth, große Gewandtheit und Kampfes-
geschicklichkeit, sowie hervorragende Begabung für Romantik und Poesie, wovon
die bekannten Klephthenlieder, die unter ihnen entsprossen sind, Zeugniß geben.
Die Einfachheit und Genügsamkeit ihres Lebens erinnert an die antiken Zeiten,
sowie auch ihre Tracht, welche, für den Sommer wenigstens, viel ähnliches
mit derjenigen der Bergschotten besitzt.

In der Vorhalle des Hauses — nach homerischer Weise — wurde mir
mein Lager bereitet.




Gom preußischen Landtage.

Die Signatur der letzten Wochen war abermals der Kulturkampf. Was
die Zentrumspartei bestimmt hat, die Marpinger Wundergeschichte auf die
parlamentarische Tribüne zu bringen, ist nach der betreffenden Verhandlung
noch räthselhafter als vorher. Lorbeeren konnte sie um so weniger zu erringen
hoffen, als ihre Redner von vornherein keine Lust hatten, für die angeblichen
Muttergotteserscheinungen selbst einzutreten. Man befand sich wohl in der un¬
angenehmen Zwangslage, ein vor Jahr und Tag etwas leichtfertig gegebenes
Versprechen erfüllen zu müssen. Gewiß meinte man höchst schlau zu verfah¬
ren, indem man das Wunder und was dazu gehört ganz aus dem Spiele
ließ, und lediglich die Handlungsweise der Behörden unter dem Gesichtspunkte


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0242" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/139535"/>
          <p xml:id="ID_676" prev="#ID_675"> ordentliche und anstündige Bürger unangefochten leben. Für den Augenblick<lb/>
giebt es Gott sei Dank hier nicht leicht mehr einen von diesen, die Brod mit<lb/>
Gewalt fordern." &#x2014; Bekanntlich waren diese Klephthen ursprünglich Ab¬<lb/>
kömmlinge von Griechen, die nach der Eroberung dieser Gegenden durch die<lb/>
Türken nicht sich unterwarfen, sondern in die Gebirge flüchteten, und von da<lb/>
aus einen Guerillakrieg gegen die Eindringlinge auf eigene Faust fortsetzten.<lb/>
In späteren Zeiten wurden sie dann durch fremden Zuzug verstärkt, und<lb/>
trieben das Räuberhandwerk gegen Jedermann. Zur Zeit des Königreichs<lb/>
wurde an dessen Grenze Zeitnn und Umgegend ihr gewöhnlicher Aufenthalt,<lb/>
wo sie den Winter liber von ihren Heldenthaten ausruhen. Wenn aber die<lb/>
Schneeschmelze der wärmeren Jahreszeit die schwer zugänglichen Schluchten<lb/>
und Höhlen des Olympgebirges blos gelegt, ziehen sie dorthin und befehden<lb/>
von diesen Schlupfwinkeln aus, insoweit uicht besonders energische Maßregeln<lb/>
der Türken sie hindern, nach alter Nanbritterweise die umliegende Gegend.<lb/>
Sie zeichnen sich ans durch großen Muth, große Gewandtheit und Kampfes-<lb/>
geschicklichkeit, sowie hervorragende Begabung für Romantik und Poesie, wovon<lb/>
die bekannten Klephthenlieder, die unter ihnen entsprossen sind, Zeugniß geben.<lb/>
Die Einfachheit und Genügsamkeit ihres Lebens erinnert an die antiken Zeiten,<lb/>
sowie auch ihre Tracht, welche, für den Sommer wenigstens, viel ähnliches<lb/>
mit derjenigen der Bergschotten besitzt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_677"> In der Vorhalle des Hauses &#x2014; nach homerischer Weise &#x2014; wurde mir<lb/>
mein Lager bereitet.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Gom preußischen Landtage.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_678" next="#ID_679"> Die Signatur der letzten Wochen war abermals der Kulturkampf. Was<lb/>
die Zentrumspartei bestimmt hat, die Marpinger Wundergeschichte auf die<lb/>
parlamentarische Tribüne zu bringen, ist nach der betreffenden Verhandlung<lb/>
noch räthselhafter als vorher. Lorbeeren konnte sie um so weniger zu erringen<lb/>
hoffen, als ihre Redner von vornherein keine Lust hatten, für die angeblichen<lb/>
Muttergotteserscheinungen selbst einzutreten. Man befand sich wohl in der un¬<lb/>
angenehmen Zwangslage, ein vor Jahr und Tag etwas leichtfertig gegebenes<lb/>
Versprechen erfüllen zu müssen. Gewiß meinte man höchst schlau zu verfah¬<lb/>
ren, indem man das Wunder und was dazu gehört ganz aus dem Spiele<lb/>
ließ, und lediglich die Handlungsweise der Behörden unter dem Gesichtspunkte</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0242] ordentliche und anstündige Bürger unangefochten leben. Für den Augenblick giebt es Gott sei Dank hier nicht leicht mehr einen von diesen, die Brod mit Gewalt fordern." — Bekanntlich waren diese Klephthen ursprünglich Ab¬ kömmlinge von Griechen, die nach der Eroberung dieser Gegenden durch die Türken nicht sich unterwarfen, sondern in die Gebirge flüchteten, und von da aus einen Guerillakrieg gegen die Eindringlinge auf eigene Faust fortsetzten. In späteren Zeiten wurden sie dann durch fremden Zuzug verstärkt, und trieben das Räuberhandwerk gegen Jedermann. Zur Zeit des Königreichs wurde an dessen Grenze Zeitnn und Umgegend ihr gewöhnlicher Aufenthalt, wo sie den Winter liber von ihren Heldenthaten ausruhen. Wenn aber die Schneeschmelze der wärmeren Jahreszeit die schwer zugänglichen Schluchten und Höhlen des Olympgebirges blos gelegt, ziehen sie dorthin und befehden von diesen Schlupfwinkeln aus, insoweit uicht besonders energische Maßregeln der Türken sie hindern, nach alter Nanbritterweise die umliegende Gegend. Sie zeichnen sich ans durch großen Muth, große Gewandtheit und Kampfes- geschicklichkeit, sowie hervorragende Begabung für Romantik und Poesie, wovon die bekannten Klephthenlieder, die unter ihnen entsprossen sind, Zeugniß geben. Die Einfachheit und Genügsamkeit ihres Lebens erinnert an die antiken Zeiten, sowie auch ihre Tracht, welche, für den Sommer wenigstens, viel ähnliches mit derjenigen der Bergschotten besitzt. In der Vorhalle des Hauses — nach homerischer Weise — wurde mir mein Lager bereitet. Gom preußischen Landtage. Die Signatur der letzten Wochen war abermals der Kulturkampf. Was die Zentrumspartei bestimmt hat, die Marpinger Wundergeschichte auf die parlamentarische Tribüne zu bringen, ist nach der betreffenden Verhandlung noch räthselhafter als vorher. Lorbeeren konnte sie um so weniger zu erringen hoffen, als ihre Redner von vornherein keine Lust hatten, für die angeblichen Muttergotteserscheinungen selbst einzutreten. Man befand sich wohl in der un¬ angenehmen Zwangslage, ein vor Jahr und Tag etwas leichtfertig gegebenes Versprechen erfüllen zu müssen. Gewiß meinte man höchst schlau zu verfah¬ ren, indem man das Wunder und was dazu gehört ganz aus dem Spiele ließ, und lediglich die Handlungsweise der Behörden unter dem Gesichtspunkte

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/242
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/242>, abgerufen am 29.04.2024.