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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

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tionsbehörde, so, daß ich zwar meine Jahresrechnungen von der obersten Rech¬
nungsbehörde revidiren ließ, aber in der Operation nur allein das Wort des
Königs mir Regel sein konnte.

Meine Vorschläge wurden genehmigt, ich trat mit mehr als achthundert
Gutsbesitzern in Verhandlung; und ungeachtet Mißernten die Sache aufhielten,
ist sie mehr geglückt als ich irgend erwartet hatte u. s. w."

So berichtet Schön selbst über diese wichtige Angelegenheit. Die sogen.
Retablissementsgelder gingen durch seine Hand; ihre Vertheilung an
die ostpreußischen Landwirthe war seinem Ermessen anheimgestellt: eine ganz
gewaltige Machtfülle war ihm damit ertheilt. Er selbst führt in seiner Auf¬
zeichnung es noch weiter aus, daß eine so weite Vollmacht bei einer solchen
Sache nothwendig war; er beruft sich mit freudiger Genugthuung darauf, daß
die Landesunterstützung guten Erfolg gehabt. Das eben ist der Punkt, in
welchem das historische Urtheil einzusetzen hat. Man wird fragen müssen: wie
hat Schön jene große ihm verliehene discretionäre Macht gebraucht? hat er
dabei nach sachlichen Gesichtspunkten oder nach persönlicher Gunst gehandelt?
welches sind die Früchte seiner Thätigkeit für das Wohl der Provinz?

Daß Schön's Maßregeln nicht allgemeinen Beifall gefunden, ihn nicht
finden konnten, versteht sich von selbst. Alle Ansprüche zu befriedigen, war
unmöglich; bei jeder Auswahl aber mußten die Abgewiesenen zur Klage über
den Vertheidiger so leicht sich versucht fühlen. Es würde seltsam zu nennen
sein, wenn nicht Stimmen .des Tadels laut geworden. Nun liegt mir eine
Denkschrift vor, welche diese Stimmen des Tadels, die Aeußerungen der Gegner
Schön's zusammenfaßt und an Allerhöchster Stelle sie vorzutragen sich vor¬
setzt. Es dürfte interessiren, nicht nur Einzelnes ans derselben mitzutheilen,
sondern sie ihrem ganzen Inhalte nach hier abzudrucken:

Denkschrift.

Die Unzufriedenheit, die über die Verwendung der von des Königs Ma¬
jestät zur Erhaltung der Gutsbesitzer in der Provinz Preußen bewilligten
großen Summen sast allgemein und besonders unter Vorurtheilsfreien unter¬
richteten Leuten herrscht, verdient eine nähere Beleuchtung. Denn, wiewohl die
Beschuldigungen, die gegen den Vertheiler dieser Königlichen Gnadenbewilligung
aufgebracht werden, nicht in dem Grade, wie sie verlauten, gegründet sein
mögen, so können sie doch nicht ganz grundlos sein.

Die Verwendung geschah bisher auf folgende Weise:

l) Wenn ein Gut auf Instanz der Landschaft -- wegen nicht bezahlter
currenter und rückständiger Zinsen -- oder anderer eingetragener Gläubiger
zur Subhastation gestellt worden war -- nach vorhergegangener Herabsetzung


Grenzboten I. 1378. "

tionsbehörde, so, daß ich zwar meine Jahresrechnungen von der obersten Rech¬
nungsbehörde revidiren ließ, aber in der Operation nur allein das Wort des
Königs mir Regel sein konnte.

Meine Vorschläge wurden genehmigt, ich trat mit mehr als achthundert
Gutsbesitzern in Verhandlung; und ungeachtet Mißernten die Sache aufhielten,
ist sie mehr geglückt als ich irgend erwartet hatte u. s. w."

So berichtet Schön selbst über diese wichtige Angelegenheit. Die sogen.
Retablissementsgelder gingen durch seine Hand; ihre Vertheilung an
die ostpreußischen Landwirthe war seinem Ermessen anheimgestellt: eine ganz
gewaltige Machtfülle war ihm damit ertheilt. Er selbst führt in seiner Auf¬
zeichnung es noch weiter aus, daß eine so weite Vollmacht bei einer solchen
Sache nothwendig war; er beruft sich mit freudiger Genugthuung darauf, daß
die Landesunterstützung guten Erfolg gehabt. Das eben ist der Punkt, in
welchem das historische Urtheil einzusetzen hat. Man wird fragen müssen: wie
hat Schön jene große ihm verliehene discretionäre Macht gebraucht? hat er
dabei nach sachlichen Gesichtspunkten oder nach persönlicher Gunst gehandelt?
welches sind die Früchte seiner Thätigkeit für das Wohl der Provinz?

Daß Schön's Maßregeln nicht allgemeinen Beifall gefunden, ihn nicht
finden konnten, versteht sich von selbst. Alle Ansprüche zu befriedigen, war
unmöglich; bei jeder Auswahl aber mußten die Abgewiesenen zur Klage über
den Vertheidiger so leicht sich versucht fühlen. Es würde seltsam zu nennen
sein, wenn nicht Stimmen .des Tadels laut geworden. Nun liegt mir eine
Denkschrift vor, welche diese Stimmen des Tadels, die Aeußerungen der Gegner
Schön's zusammenfaßt und an Allerhöchster Stelle sie vorzutragen sich vor¬
setzt. Es dürfte interessiren, nicht nur Einzelnes ans derselben mitzutheilen,
sondern sie ihrem ganzen Inhalte nach hier abzudrucken:

Denkschrift.

Die Unzufriedenheit, die über die Verwendung der von des Königs Ma¬
jestät zur Erhaltung der Gutsbesitzer in der Provinz Preußen bewilligten
großen Summen sast allgemein und besonders unter Vorurtheilsfreien unter¬
richteten Leuten herrscht, verdient eine nähere Beleuchtung. Denn, wiewohl die
Beschuldigungen, die gegen den Vertheiler dieser Königlichen Gnadenbewilligung
aufgebracht werden, nicht in dem Grade, wie sie verlauten, gegründet sein
mögen, so können sie doch nicht ganz grundlos sein.

Die Verwendung geschah bisher auf folgende Weise:

l) Wenn ein Gut auf Instanz der Landschaft — wegen nicht bezahlter
currenter und rückständiger Zinsen — oder anderer eingetragener Gläubiger
zur Subhastation gestellt worden war — nach vorhergegangener Herabsetzung


Grenzboten I. 1378. »
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/25>, abgerufen am 29.04.2024.