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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

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In ersterer Beziehung haben die Abgeordneten Rickert und Richter treffend auf
den Grundirrthum in den Regieruugsanfstellungen aufmerksam gemacht, als
ob die durch die Ausgestaltung der inneren Organisation des Reiches bedingten
Mehrausgaben sowohl, wie die durch die wirthschaftliche Kalamität bedingte
geringere Ertragsfähigkeit der Zölle und Verbrauchssteuern auf dauernden
Ursachen beruhten. Dies Argument richtig gewürdigt, dürfte sich in den Etats¬
ansätzen manche Korrektur vornehmen lassen. Außerdem haben die genannten
Redner schon eine ganze Reihe möglicher Ersparnisse angedeutet, und die
Budgetkommission wird ihnen in dieser Richtung mit gewohnter Spürkraft
folgen. Auch ist es nicht unwahrscheinlich, daß sie wieder diesen oder jenen
vergessenen Vermögensposten ans Licht ziehen und zur Verminderung des Aus¬
gabenetats nutzbar machen wird. So ist die Aussicht nicht unbegründet, daß
das sogenannte Defizit, wenn auch nicht ganz beseitigt, doch wenigstens beträcht¬
lich reduzirt wird. Auch im schlimmsten Falle aber ist kein Grund einzusehen,
weshalb die Matrikularbeiträge über ihren gegenwärtigen Betrag hinaus durchaus
uicht mehr gesteigert werden dürften. Selbst wenn der Mehrbedarf in der
vollen Höhe des Etatsvoranschlages bestehen bliebe, würden die Matrikular¬
beiträge. doch das Niveau nicht überschreiten, auf welchem sie zu Zeiten des
Norddeutschen Bundes bereits standen. Und gewiß ist es doch rathsamer, den
Apparat der Matrikularbeiträge, trotz seiner Mangelhaftigkeit, unter dem Vor¬
behalt seiner vollständigen Beseitigung respective seiner gründlichen Verbesserung
noch einmal anzuspannen, statt sich auf Neuerungen einzulassen, welche selbst
eine Reform nicht sind, wohl aber einer solchen in bedenklicher Weise prä-
judiciren können.

Nach alledem begreift sich, warum man bei der ersten Berathung des
Budgets von einer Erörterung der Steuervorlagen Abstand nahm. Dieselben
gelangen gesondert, und nunmehr ausschließlich unter dem Gesichtspunkte der
Steuerreform, zur Verhandlung. Der Gedankengang, in welchem sich die Budget¬
debatte bewegte, ist in dem, was wir über die Bemerkungen von Rickert und
Richter gesagt, im Wesentlichen angedeutet. Die Schwäche der Vertheidigung,
welche vom Bnndesrathstische aus versucht wurde, zeigt, daß man sich über
das Schicksal der Steu X- ervorlagen keine Illusionen macht.




Lin Stück europäischen Maventhums.

Ich hätte diesen Artikel auch überschreiben können: "Der moderne Schacher
mit Manuskripten"; damit habe ich gesagt, um was es sich handelt, und will,


In ersterer Beziehung haben die Abgeordneten Rickert und Richter treffend auf
den Grundirrthum in den Regieruugsanfstellungen aufmerksam gemacht, als
ob die durch die Ausgestaltung der inneren Organisation des Reiches bedingten
Mehrausgaben sowohl, wie die durch die wirthschaftliche Kalamität bedingte
geringere Ertragsfähigkeit der Zölle und Verbrauchssteuern auf dauernden
Ursachen beruhten. Dies Argument richtig gewürdigt, dürfte sich in den Etats¬
ansätzen manche Korrektur vornehmen lassen. Außerdem haben die genannten
Redner schon eine ganze Reihe möglicher Ersparnisse angedeutet, und die
Budgetkommission wird ihnen in dieser Richtung mit gewohnter Spürkraft
folgen. Auch ist es nicht unwahrscheinlich, daß sie wieder diesen oder jenen
vergessenen Vermögensposten ans Licht ziehen und zur Verminderung des Aus¬
gabenetats nutzbar machen wird. So ist die Aussicht nicht unbegründet, daß
das sogenannte Defizit, wenn auch nicht ganz beseitigt, doch wenigstens beträcht¬
lich reduzirt wird. Auch im schlimmsten Falle aber ist kein Grund einzusehen,
weshalb die Matrikularbeiträge über ihren gegenwärtigen Betrag hinaus durchaus
uicht mehr gesteigert werden dürften. Selbst wenn der Mehrbedarf in der
vollen Höhe des Etatsvoranschlages bestehen bliebe, würden die Matrikular¬
beiträge. doch das Niveau nicht überschreiten, auf welchem sie zu Zeiten des
Norddeutschen Bundes bereits standen. Und gewiß ist es doch rathsamer, den
Apparat der Matrikularbeiträge, trotz seiner Mangelhaftigkeit, unter dem Vor¬
behalt seiner vollständigen Beseitigung respective seiner gründlichen Verbesserung
noch einmal anzuspannen, statt sich auf Neuerungen einzulassen, welche selbst
eine Reform nicht sind, wohl aber einer solchen in bedenklicher Weise prä-
judiciren können.

Nach alledem begreift sich, warum man bei der ersten Berathung des
Budgets von einer Erörterung der Steuervorlagen Abstand nahm. Dieselben
gelangen gesondert, und nunmehr ausschließlich unter dem Gesichtspunkte der
Steuerreform, zur Verhandlung. Der Gedankengang, in welchem sich die Budget¬
debatte bewegte, ist in dem, was wir über die Bemerkungen von Rickert und
Richter gesagt, im Wesentlichen angedeutet. Die Schwäche der Vertheidigung,
welche vom Bnndesrathstische aus versucht wurde, zeigt, daß man sich über
das Schicksal der Steu X- ervorlagen keine Illusionen macht.




Lin Stück europäischen Maventhums.

Ich hätte diesen Artikel auch überschreiben können: „Der moderne Schacher
mit Manuskripten"; damit habe ich gesagt, um was es sich handelt, und will,


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[0357] In ersterer Beziehung haben die Abgeordneten Rickert und Richter treffend auf den Grundirrthum in den Regieruugsanfstellungen aufmerksam gemacht, als ob die durch die Ausgestaltung der inneren Organisation des Reiches bedingten Mehrausgaben sowohl, wie die durch die wirthschaftliche Kalamität bedingte geringere Ertragsfähigkeit der Zölle und Verbrauchssteuern auf dauernden Ursachen beruhten. Dies Argument richtig gewürdigt, dürfte sich in den Etats¬ ansätzen manche Korrektur vornehmen lassen. Außerdem haben die genannten Redner schon eine ganze Reihe möglicher Ersparnisse angedeutet, und die Budgetkommission wird ihnen in dieser Richtung mit gewohnter Spürkraft folgen. Auch ist es nicht unwahrscheinlich, daß sie wieder diesen oder jenen vergessenen Vermögensposten ans Licht ziehen und zur Verminderung des Aus¬ gabenetats nutzbar machen wird. So ist die Aussicht nicht unbegründet, daß das sogenannte Defizit, wenn auch nicht ganz beseitigt, doch wenigstens beträcht¬ lich reduzirt wird. Auch im schlimmsten Falle aber ist kein Grund einzusehen, weshalb die Matrikularbeiträge über ihren gegenwärtigen Betrag hinaus durchaus uicht mehr gesteigert werden dürften. Selbst wenn der Mehrbedarf in der vollen Höhe des Etatsvoranschlages bestehen bliebe, würden die Matrikular¬ beiträge. doch das Niveau nicht überschreiten, auf welchem sie zu Zeiten des Norddeutschen Bundes bereits standen. Und gewiß ist es doch rathsamer, den Apparat der Matrikularbeiträge, trotz seiner Mangelhaftigkeit, unter dem Vor¬ behalt seiner vollständigen Beseitigung respective seiner gründlichen Verbesserung noch einmal anzuspannen, statt sich auf Neuerungen einzulassen, welche selbst eine Reform nicht sind, wohl aber einer solchen in bedenklicher Weise prä- judiciren können. Nach alledem begreift sich, warum man bei der ersten Berathung des Budgets von einer Erörterung der Steuervorlagen Abstand nahm. Dieselben gelangen gesondert, und nunmehr ausschließlich unter dem Gesichtspunkte der Steuerreform, zur Verhandlung. Der Gedankengang, in welchem sich die Budget¬ debatte bewegte, ist in dem, was wir über die Bemerkungen von Rickert und Richter gesagt, im Wesentlichen angedeutet. Die Schwäche der Vertheidigung, welche vom Bnndesrathstische aus versucht wurde, zeigt, daß man sich über das Schicksal der Steu X- ervorlagen keine Illusionen macht. Lin Stück europäischen Maventhums. Ich hätte diesen Artikel auch überschreiben können: „Der moderne Schacher mit Manuskripten"; damit habe ich gesagt, um was es sich handelt, und will,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/357>, abgerufen am 29.04.2024.