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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

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bemüht gewesen wäre, sich auf eine lebenskräftige Partei im Lande zu
stützen.


".


Dom preußischen Landtage.

Wenn den preußischen Landbvten die Weihnachtsfreude nicht daheim be¬
reitet wird, von hier haben sie dieselbe sicher nicht mitgenommen! Gearbeitet
hat das Abgeordnetenhaus in den beiden letzten Wochen mit Anspannung aller
Kräfte, geschaffen aber herzlich wenig. Das einzige Gesetz von Wichtigkeit,
welches außer dem Etat fertiggestellt worden, das Gesetz über die Sitze und
Bezirke der Oberlandes- und Landgerichte, mußte su 1>Ioo angenommen wer¬
den, wenn anders seine Erledigung vor dem Feste überhaupt möglich sein
sollte. Die entsetzliche Fluth von Kirchthurmsinteressen, durch welche die
Kommission sich mit unsäglicher Mühe hindurchgearbeitet hatte, wäre bei einer
Detailberathung im Plenum von Neuem in voller Breite entfesselt worden.
Die Kommission hatte nach reiflichster Prüfung fast überall die Regierungs¬
vorlage beibehalten; dennoch nahm der Justizminister aus den wenigen Aende¬
rungen Veranlassung, mit einer Korrektur dnrch das Herrenhaus im Sinne
einer vollständigen Wiederherstellung der Regierungsvorlage zu drohen. Mit
Recht gab der freikouservative Abgeordnete Graf Bethusy seinein Erstaunen
über eine solche Handlungsweise Ausdruck. Das Haus thut der Regierung
mit der Enblocannahme einen Gefallen und die Regierung selbst durchkreuzt
diesen Plan, indem sie der Enblocannahme geradezu ihren Sinn nimmt! Hin¬
terher bemüht man sich freilich, begreiflich zu machen, daß es so schlimm nicht
gemeint gewesen. In der That war das Ganze ein eaux pk>s, der offenbar
nur auf Rechnung des Justizministers zu setzen ist. Herr Leonhardt hat es
einmal so an sich, in dem Verkehr mit den parlamentarischen Körperschaften
recht unglücklich zu fein.

Der Etat ist vom Abgeordnetenhause endgültig festgestellt. Viel ist aus
den betreffenden Berathungen nicht mehr hervorzuheben. Die Eisenbahnpolitik
der Regierung wurde diesmal schärfer als gewöhnlich ins Feuer genommen,
und es fehlte offenbar nicht an dunkeln Punkten, die eine schonungslose Be¬
leuchtung rechtfertigten. Gerade denjenigen, welche den Plan der Erwerbung


bemüht gewesen wäre, sich auf eine lebenskräftige Partei im Lande zu
stützen.


«.


Dom preußischen Landtage.

Wenn den preußischen Landbvten die Weihnachtsfreude nicht daheim be¬
reitet wird, von hier haben sie dieselbe sicher nicht mitgenommen! Gearbeitet
hat das Abgeordnetenhaus in den beiden letzten Wochen mit Anspannung aller
Kräfte, geschaffen aber herzlich wenig. Das einzige Gesetz von Wichtigkeit,
welches außer dem Etat fertiggestellt worden, das Gesetz über die Sitze und
Bezirke der Oberlandes- und Landgerichte, mußte su 1>Ioo angenommen wer¬
den, wenn anders seine Erledigung vor dem Feste überhaupt möglich sein
sollte. Die entsetzliche Fluth von Kirchthurmsinteressen, durch welche die
Kommission sich mit unsäglicher Mühe hindurchgearbeitet hatte, wäre bei einer
Detailberathung im Plenum von Neuem in voller Breite entfesselt worden.
Die Kommission hatte nach reiflichster Prüfung fast überall die Regierungs¬
vorlage beibehalten; dennoch nahm der Justizminister aus den wenigen Aende¬
rungen Veranlassung, mit einer Korrektur dnrch das Herrenhaus im Sinne
einer vollständigen Wiederherstellung der Regierungsvorlage zu drohen. Mit
Recht gab der freikouservative Abgeordnete Graf Bethusy seinein Erstaunen
über eine solche Handlungsweise Ausdruck. Das Haus thut der Regierung
mit der Enblocannahme einen Gefallen und die Regierung selbst durchkreuzt
diesen Plan, indem sie der Enblocannahme geradezu ihren Sinn nimmt! Hin¬
terher bemüht man sich freilich, begreiflich zu machen, daß es so schlimm nicht
gemeint gewesen. In der That war das Ganze ein eaux pk>s, der offenbar
nur auf Rechnung des Justizministers zu setzen ist. Herr Leonhardt hat es
einmal so an sich, in dem Verkehr mit den parlamentarischen Körperschaften
recht unglücklich zu fein.

Der Etat ist vom Abgeordnetenhause endgültig festgestellt. Viel ist aus
den betreffenden Berathungen nicht mehr hervorzuheben. Die Eisenbahnpolitik
der Regierung wurde diesmal schärfer als gewöhnlich ins Feuer genommen,
und es fehlte offenbar nicht an dunkeln Punkten, die eine schonungslose Be¬
leuchtung rechtfertigten. Gerade denjenigen, welche den Plan der Erwerbung


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[0043] bemüht gewesen wäre, sich auf eine lebenskräftige Partei im Lande zu stützen. «. Dom preußischen Landtage. Wenn den preußischen Landbvten die Weihnachtsfreude nicht daheim be¬ reitet wird, von hier haben sie dieselbe sicher nicht mitgenommen! Gearbeitet hat das Abgeordnetenhaus in den beiden letzten Wochen mit Anspannung aller Kräfte, geschaffen aber herzlich wenig. Das einzige Gesetz von Wichtigkeit, welches außer dem Etat fertiggestellt worden, das Gesetz über die Sitze und Bezirke der Oberlandes- und Landgerichte, mußte su 1>Ioo angenommen wer¬ den, wenn anders seine Erledigung vor dem Feste überhaupt möglich sein sollte. Die entsetzliche Fluth von Kirchthurmsinteressen, durch welche die Kommission sich mit unsäglicher Mühe hindurchgearbeitet hatte, wäre bei einer Detailberathung im Plenum von Neuem in voller Breite entfesselt worden. Die Kommission hatte nach reiflichster Prüfung fast überall die Regierungs¬ vorlage beibehalten; dennoch nahm der Justizminister aus den wenigen Aende¬ rungen Veranlassung, mit einer Korrektur dnrch das Herrenhaus im Sinne einer vollständigen Wiederherstellung der Regierungsvorlage zu drohen. Mit Recht gab der freikouservative Abgeordnete Graf Bethusy seinein Erstaunen über eine solche Handlungsweise Ausdruck. Das Haus thut der Regierung mit der Enblocannahme einen Gefallen und die Regierung selbst durchkreuzt diesen Plan, indem sie der Enblocannahme geradezu ihren Sinn nimmt! Hin¬ terher bemüht man sich freilich, begreiflich zu machen, daß es so schlimm nicht gemeint gewesen. In der That war das Ganze ein eaux pk>s, der offenbar nur auf Rechnung des Justizministers zu setzen ist. Herr Leonhardt hat es einmal so an sich, in dem Verkehr mit den parlamentarischen Körperschaften recht unglücklich zu fein. Der Etat ist vom Abgeordnetenhause endgültig festgestellt. Viel ist aus den betreffenden Berathungen nicht mehr hervorzuheben. Die Eisenbahnpolitik der Regierung wurde diesmal schärfer als gewöhnlich ins Feuer genommen, und es fehlte offenbar nicht an dunkeln Punkten, die eine schonungslose Be¬ leuchtung rechtfertigten. Gerade denjenigen, welche den Plan der Erwerbung

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/43>, abgerufen am 28.04.2024.