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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

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einer neuen Epoche. Wohl wurzelt die alexandrinische Heeresgestaltung in
griechischem Boden; aber die makedonische Eigenart und mehr noch die bald
eintretende Zuführung asiatischer Elemente unterscheiden die hellenistische Kriegs¬
art doch wesentlich von der hellenischen. Das altgriechische Kriegswesen war
begraben, seit die thessalische Ritterschaft über die heilige Schaar der Thebaner,
seit die makedonischer Hetairen über die attische Phalanx siegreich dahin¬
gestürmt.




Italienische KoveMm.
1. Jppolito Nievo.

Kein andres Volk Europa's ist in seiner jüngsten Geschichte von uns
Deutschen mit soviel Sympathie und Wohlwollen begleitet worden, wie das
Italienische. Schon in unsrer tiefsten Reaktionszeit, als unsre nationalen Hoff¬
nungen anf Jahrzehnte begraben schienen, richteten sich vornehme Geister unsres
Volkes auf an der Größe jenes italienischen Politikers, der wie kein andrer
als der Typus des italienischen Volkes im Guten und Bösen, als der Pro¬
phet und ideale Gründer des Einheitsstaates der appeninischen Halbinsel be¬
trachtet werden kann. Noch heute ist der Abhandlung Robert von Mohl's
über Niccolo Machiavelli, die Mitte der fünfziger Jahre gedruckt wurde, kaum
etwas Tieferes, Gründlicheres über denselben Gegenstand an die Seite zu
stellen. Fast in denselben Monaten, in denen Italien dann unter Viktor
Emanuel, verbündet mit dem mächtigen Frankreich, um seine Selbständigkeit
rang, und vorläufig die Unabhängigkeit Norditaliens, die Beseitigung der
österreichischen Secundogenituren in Parma, Piacenza und Moden erkämpfte,
regte sich in Deutschland nach dem traurigsten Jahrzehnt unsrer Geschichte das
nationale Bewußtsein, vor Allem in der leitenden deutschen Großmacht.
Kaum ein eigener Held unsres Volkes ist jemals bei uns so freudig gefeiert
worden, wie damals Gciribaldi und Camillo Cavour.

Die klaren Politiker diesseits und jenseits der Alpen erkannten deutlich
die Interessengemeinschaft, die Gemeinsamkeit der Feinde beider Völker. Die
Annexion von Nizza und Savoyen an Frankreich, das voll of tM^ers, das
der dritte Napoleon dem italienischen Einheitsdrang an den Grenzen des
Kirchenstaates entgegenherrschte, die österreichische Fremdherrschaft über Vene¬
dig , ließen schon 1859 die italienischen Patrioten erkennen, daß die protestan¬
tische Großmacht des deutschen Nordens für die Weiterentwickelung des italie-


einer neuen Epoche. Wohl wurzelt die alexandrinische Heeresgestaltung in
griechischem Boden; aber die makedonische Eigenart und mehr noch die bald
eintretende Zuführung asiatischer Elemente unterscheiden die hellenistische Kriegs¬
art doch wesentlich von der hellenischen. Das altgriechische Kriegswesen war
begraben, seit die thessalische Ritterschaft über die heilige Schaar der Thebaner,
seit die makedonischer Hetairen über die attische Phalanx siegreich dahin¬
gestürmt.




Italienische KoveMm.
1. Jppolito Nievo.

Kein andres Volk Europa's ist in seiner jüngsten Geschichte von uns
Deutschen mit soviel Sympathie und Wohlwollen begleitet worden, wie das
Italienische. Schon in unsrer tiefsten Reaktionszeit, als unsre nationalen Hoff¬
nungen anf Jahrzehnte begraben schienen, richteten sich vornehme Geister unsres
Volkes auf an der Größe jenes italienischen Politikers, der wie kein andrer
als der Typus des italienischen Volkes im Guten und Bösen, als der Pro¬
phet und ideale Gründer des Einheitsstaates der appeninischen Halbinsel be¬
trachtet werden kann. Noch heute ist der Abhandlung Robert von Mohl's
über Niccolo Machiavelli, die Mitte der fünfziger Jahre gedruckt wurde, kaum
etwas Tieferes, Gründlicheres über denselben Gegenstand an die Seite zu
stellen. Fast in denselben Monaten, in denen Italien dann unter Viktor
Emanuel, verbündet mit dem mächtigen Frankreich, um seine Selbständigkeit
rang, und vorläufig die Unabhängigkeit Norditaliens, die Beseitigung der
österreichischen Secundogenituren in Parma, Piacenza und Moden erkämpfte,
regte sich in Deutschland nach dem traurigsten Jahrzehnt unsrer Geschichte das
nationale Bewußtsein, vor Allem in der leitenden deutschen Großmacht.
Kaum ein eigener Held unsres Volkes ist jemals bei uns so freudig gefeiert
worden, wie damals Gciribaldi und Camillo Cavour.

Die klaren Politiker diesseits und jenseits der Alpen erkannten deutlich
die Interessengemeinschaft, die Gemeinsamkeit der Feinde beider Völker. Die
Annexion von Nizza und Savoyen an Frankreich, das voll of tM^ers, das
der dritte Napoleon dem italienischen Einheitsdrang an den Grenzen des
Kirchenstaates entgegenherrschte, die österreichische Fremdherrschaft über Vene¬
dig , ließen schon 1859 die italienischen Patrioten erkennen, daß die protestan¬
tische Großmacht des deutschen Nordens für die Weiterentwickelung des italie-


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[0434] einer neuen Epoche. Wohl wurzelt die alexandrinische Heeresgestaltung in griechischem Boden; aber die makedonische Eigenart und mehr noch die bald eintretende Zuführung asiatischer Elemente unterscheiden die hellenistische Kriegs¬ art doch wesentlich von der hellenischen. Das altgriechische Kriegswesen war begraben, seit die thessalische Ritterschaft über die heilige Schaar der Thebaner, seit die makedonischer Hetairen über die attische Phalanx siegreich dahin¬ gestürmt. Italienische KoveMm. 1. Jppolito Nievo. Kein andres Volk Europa's ist in seiner jüngsten Geschichte von uns Deutschen mit soviel Sympathie und Wohlwollen begleitet worden, wie das Italienische. Schon in unsrer tiefsten Reaktionszeit, als unsre nationalen Hoff¬ nungen anf Jahrzehnte begraben schienen, richteten sich vornehme Geister unsres Volkes auf an der Größe jenes italienischen Politikers, der wie kein andrer als der Typus des italienischen Volkes im Guten und Bösen, als der Pro¬ phet und ideale Gründer des Einheitsstaates der appeninischen Halbinsel be¬ trachtet werden kann. Noch heute ist der Abhandlung Robert von Mohl's über Niccolo Machiavelli, die Mitte der fünfziger Jahre gedruckt wurde, kaum etwas Tieferes, Gründlicheres über denselben Gegenstand an die Seite zu stellen. Fast in denselben Monaten, in denen Italien dann unter Viktor Emanuel, verbündet mit dem mächtigen Frankreich, um seine Selbständigkeit rang, und vorläufig die Unabhängigkeit Norditaliens, die Beseitigung der österreichischen Secundogenituren in Parma, Piacenza und Moden erkämpfte, regte sich in Deutschland nach dem traurigsten Jahrzehnt unsrer Geschichte das nationale Bewußtsein, vor Allem in der leitenden deutschen Großmacht. Kaum ein eigener Held unsres Volkes ist jemals bei uns so freudig gefeiert worden, wie damals Gciribaldi und Camillo Cavour. Die klaren Politiker diesseits und jenseits der Alpen erkannten deutlich die Interessengemeinschaft, die Gemeinsamkeit der Feinde beider Völker. Die Annexion von Nizza und Savoyen an Frankreich, das voll of tM^ers, das der dritte Napoleon dem italienischen Einheitsdrang an den Grenzen des Kirchenstaates entgegenherrschte, die österreichische Fremdherrschaft über Vene¬ dig , ließen schon 1859 die italienischen Patrioten erkennen, daß die protestan¬ tische Großmacht des deutschen Nordens für die Weiterentwickelung des italie-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/434>, abgerufen am 28.04.2024.