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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.

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vor Bajaset ein. Am 10. griff er die Belagerer an, zog nach hartnäckigem Kampfe
die befreite Besatzung an sich, und kehrte dann mit derselben nach Jgdir zurück.

Diese Truppenabtheilung hatte am Tage der Einschließung, dem 18. Juni,
30 Offiziere, 1587 Mann gezählt. Während der 23tägigen Belagerung waren
geblieben 2 Offiziere, 114 Mann, waren verwundet worden 7 Offiziere, 359
Mann, alle Uebrigen waren durch Mangel und Anstrengungen im höchsten
Grade erschöpft. Ueber andern großen Ereignissen war diese heldenmüthige
Vertheidigung im vorigen Jahre weniger beachtet und schnell vergessen worden;
der Kaiser von Rußland sicherte ihr ein dauerndes Angedenken durch ein
silbernes Ehrenzeichen, das er allen Teilnehmern an der Vertheidigung von
Bajaset verlieh.

Um Mitte Juli waren alle russischen Kolonnen wieder auf den Punkten
eingetroffen, von denen sie Ende April ausgegangen waren. Bis auf die
Einnahme von Ardahan waren die Früchte des ganzen Feldzugs wieder verloren.




Die Meininger in Leipzig.

Die Meininger in Leipzig! Nach langer Bekanntschaft vom Hörensagen
und nachdem wir sie lange genug von einer Bühne zur anderen mit neidischen
Blicken begleitet, haben wir sie endlich von Angesicht zu Angesicht gesehen. Die
Meiniuger in Leipzig - mau muß die letzten Leipziger Theaterjahre mit all'
ihren Entbehrungen und Enttäuschungen durchlebt haben, um den ganzen
Zauber dieser paar Worte zu begreifen. Die Meininger in Leipzig -- das
heißt so viel als: Dem Himmel sei Dank! Jetzt kann doch unser einer wieder
einmal in's Theater gehen.

Daß die Leipziger Bühne, seit sie sich in den Händen des Herrn Dr.
Förster befindet oder richtiger in den Händen derjenigen Leitung, welche "Or.
August Förster" firmirt, mit raschen Schritten bergab gegangen ist und
sich gegenwärtig auf einer Stufe befindet, auf der sie unter Laube's und
Haase's Direktion nie gestanden, ist auch außerhalb Leipzig's zur Genüge be¬
kannt. Im Laufe des letzten Jahres hat die Direktion, um der urtheilslosen
großen Masse einmal etwas zu bieten und zugleich die immer lauter werdenden
Stimmen der Unzufriedenheit zu beschwichtigen, ganze Monate, in denen sie
etwas zu einer durchgreifenden Hebung des Theaters hätte thun können, daran
vergeudet, einem nichtigen Phantom nachzujagen; kostbare Zeit und noch kost¬
barere Kräfte -- wir denken mit Sorgen an unser treffliches, unverantwortlich
ausgebeutetes Orchester -- hat man an das Einstudiren des Bahreuther
"Bühnenfestspiels" verschwendet. Die Enttäuschung ist, abgesehen von der


vor Bajaset ein. Am 10. griff er die Belagerer an, zog nach hartnäckigem Kampfe
die befreite Besatzung an sich, und kehrte dann mit derselben nach Jgdir zurück.

Diese Truppenabtheilung hatte am Tage der Einschließung, dem 18. Juni,
30 Offiziere, 1587 Mann gezählt. Während der 23tägigen Belagerung waren
geblieben 2 Offiziere, 114 Mann, waren verwundet worden 7 Offiziere, 359
Mann, alle Uebrigen waren durch Mangel und Anstrengungen im höchsten
Grade erschöpft. Ueber andern großen Ereignissen war diese heldenmüthige
Vertheidigung im vorigen Jahre weniger beachtet und schnell vergessen worden;
der Kaiser von Rußland sicherte ihr ein dauerndes Angedenken durch ein
silbernes Ehrenzeichen, das er allen Teilnehmern an der Vertheidigung von
Bajaset verlieh.

Um Mitte Juli waren alle russischen Kolonnen wieder auf den Punkten
eingetroffen, von denen sie Ende April ausgegangen waren. Bis auf die
Einnahme von Ardahan waren die Früchte des ganzen Feldzugs wieder verloren.




Die Meininger in Leipzig.

Die Meininger in Leipzig! Nach langer Bekanntschaft vom Hörensagen
und nachdem wir sie lange genug von einer Bühne zur anderen mit neidischen
Blicken begleitet, haben wir sie endlich von Angesicht zu Angesicht gesehen. Die
Meiniuger in Leipzig - mau muß die letzten Leipziger Theaterjahre mit all'
ihren Entbehrungen und Enttäuschungen durchlebt haben, um den ganzen
Zauber dieser paar Worte zu begreifen. Die Meininger in Leipzig — das
heißt so viel als: Dem Himmel sei Dank! Jetzt kann doch unser einer wieder
einmal in's Theater gehen.

Daß die Leipziger Bühne, seit sie sich in den Händen des Herrn Dr.
Förster befindet oder richtiger in den Händen derjenigen Leitung, welche „Or.
August Förster" firmirt, mit raschen Schritten bergab gegangen ist und
sich gegenwärtig auf einer Stufe befindet, auf der sie unter Laube's und
Haase's Direktion nie gestanden, ist auch außerhalb Leipzig's zur Genüge be¬
kannt. Im Laufe des letzten Jahres hat die Direktion, um der urtheilslosen
großen Masse einmal etwas zu bieten und zugleich die immer lauter werdenden
Stimmen der Unzufriedenheit zu beschwichtigen, ganze Monate, in denen sie
etwas zu einer durchgreifenden Hebung des Theaters hätte thun können, daran
vergeudet, einem nichtigen Phantom nachzujagen; kostbare Zeit und noch kost¬
barere Kräfte — wir denken mit Sorgen an unser treffliches, unverantwortlich
ausgebeutetes Orchester — hat man an das Einstudiren des Bahreuther
„Bühnenfestspiels" verschwendet. Die Enttäuschung ist, abgesehen von der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670/191>, abgerufen am 29.04.2024.