Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

kleinen Schaar fanatischer Wagnersektirer, die sich natürlich schämen einzuge¬
stehen, wie total verfehlt diese letzten (hoffentlich letzten!) Produkte ihres großen
"Meisters" sind, eine allgemeine gewesen. Dazu kommen äußere Gründe der
Verstimmung. Durch Beschluß des Rathes oder vielmehr einer nicht sehr bedeu¬
tenden Majorität des Rathes und gegen den ausdrücklichen Willen der Stadt-
verordneten siud die Leipziger Theaterpreise auf wiederholtes Drängen des
jetzigen Direktors kürzlich wesentlich erhöht worden, und das, nachdem Herr
Dr. Förster schon vorher in der auffälligsten Weise bestrebt gewesen ist, seine
Einkünfte sort und fort zu steigern, gleich im Anfange seiner Direktion, in¬
dem er die Garderobeneinrichtung in seine Hand nahm und zu eiuer erkleck¬
lichen Nebeneiunahmequelle sür sich umgestaltete, dann indem er wiederholt billigere
Sitze einzog und sie in theurere verwandelte. Herr Dr. Förster hat bei seinem
Direktionsantritt dem Rathe und der Stadt das feierliche Versprechen abgelegt,
das Leipziger Theater zum Ideal einer Bühne zu machen. Wir besitzen jetzt
einige Erfahrung dafür, wie er dieses Ideal auffaßt. Das "Ideal einer Bühne"
scheint bei ihm dasjenige Theater zu sein, welches am raschesten den Säckel
füllt. Dem allen aber wird die Krone aufgesetzt durch die ununterbrochene, wahr¬
haft Ekel erregende Reklame, die das Theater -- natürlich nicht Herr Dr.
Förster -- in der Leipziger Tagespresse, vor allem in dem großen Reklame-
Instrument Leipzig's, dem "Tageblatte", selber für sich macht. Kein Tag
vergeht, ohne daß man in den Leipziger Tagesblättern*) (mitten unter
ähnlich glaubwürdigen Mittheilungen über die großartigen Leistungen der
"Künstler" im Schützenhanse, über neue Kneipen oder Kramläden, die "unsre
geehrten Mitbürger" Hinz und Kunz eröffnet haben, über die erstaunlichen
Erfolge irgend eines Männergesangvereins, einer Freiwilligenpresse, einer Musik¬
schule oder einer Dampfspritzenfabrik) jene gleichlautenden offiziösen Commnni-
ques über unser Theater zu lesen bekommt. Bald wird uns mitgetheilt, daß
der Herr Maschinist so und so nach dem oder jenem Theater gereist sei, um
dort Studien für eine bevorstehende Opern-Aufführung zu macheu, ein ander¬
mal, daß der Herr Dekorationsmaler aus Z. gegenwärtig "in Leipzig's
Mauern weile", um die großartigen Dekorationen zu der neuen Oper herzu¬
stellen, dann wieder, daß der Herr Operndirektor eine Reise angetreten habe,
um tüchtige neue Kräfte zu engagiren, daß irgend ein "berühmter Darsteller"
gegenwärtig unpäßlich sei, hoffentlich aber in den nächsten Tagen wieder herge¬
stellt sein werde, daß die Proben zu dem neuen Stücke bereits in vollem Gange
seien, daß die Generalprobe stattgefunden habe und der Herr Operudirektvr
dabei vou Rührung überwältigt folgende Ansprache an die mitwirkenden Künstler



*) Bei den nachstehenden Bemerkungen über die Leipziger Tagespresse ist immer die
Deutsche Allgemeine Zeitung aufzunehmen.

kleinen Schaar fanatischer Wagnersektirer, die sich natürlich schämen einzuge¬
stehen, wie total verfehlt diese letzten (hoffentlich letzten!) Produkte ihres großen
„Meisters" sind, eine allgemeine gewesen. Dazu kommen äußere Gründe der
Verstimmung. Durch Beschluß des Rathes oder vielmehr einer nicht sehr bedeu¬
tenden Majorität des Rathes und gegen den ausdrücklichen Willen der Stadt-
verordneten siud die Leipziger Theaterpreise auf wiederholtes Drängen des
jetzigen Direktors kürzlich wesentlich erhöht worden, und das, nachdem Herr
Dr. Förster schon vorher in der auffälligsten Weise bestrebt gewesen ist, seine
Einkünfte sort und fort zu steigern, gleich im Anfange seiner Direktion, in¬
dem er die Garderobeneinrichtung in seine Hand nahm und zu eiuer erkleck¬
lichen Nebeneiunahmequelle sür sich umgestaltete, dann indem er wiederholt billigere
Sitze einzog und sie in theurere verwandelte. Herr Dr. Förster hat bei seinem
Direktionsantritt dem Rathe und der Stadt das feierliche Versprechen abgelegt,
das Leipziger Theater zum Ideal einer Bühne zu machen. Wir besitzen jetzt
einige Erfahrung dafür, wie er dieses Ideal auffaßt. Das „Ideal einer Bühne"
scheint bei ihm dasjenige Theater zu sein, welches am raschesten den Säckel
füllt. Dem allen aber wird die Krone aufgesetzt durch die ununterbrochene, wahr¬
haft Ekel erregende Reklame, die das Theater — natürlich nicht Herr Dr.
Förster — in der Leipziger Tagespresse, vor allem in dem großen Reklame-
Instrument Leipzig's, dem „Tageblatte", selber für sich macht. Kein Tag
vergeht, ohne daß man in den Leipziger Tagesblättern*) (mitten unter
ähnlich glaubwürdigen Mittheilungen über die großartigen Leistungen der
„Künstler" im Schützenhanse, über neue Kneipen oder Kramläden, die „unsre
geehrten Mitbürger" Hinz und Kunz eröffnet haben, über die erstaunlichen
Erfolge irgend eines Männergesangvereins, einer Freiwilligenpresse, einer Musik¬
schule oder einer Dampfspritzenfabrik) jene gleichlautenden offiziösen Commnni-
ques über unser Theater zu lesen bekommt. Bald wird uns mitgetheilt, daß
der Herr Maschinist so und so nach dem oder jenem Theater gereist sei, um
dort Studien für eine bevorstehende Opern-Aufführung zu macheu, ein ander¬
mal, daß der Herr Dekorationsmaler aus Z. gegenwärtig „in Leipzig's
Mauern weile", um die großartigen Dekorationen zu der neuen Oper herzu¬
stellen, dann wieder, daß der Herr Operndirektor eine Reise angetreten habe,
um tüchtige neue Kräfte zu engagiren, daß irgend ein „berühmter Darsteller"
gegenwärtig unpäßlich sei, hoffentlich aber in den nächsten Tagen wieder herge¬
stellt sein werde, daß die Proben zu dem neuen Stücke bereits in vollem Gange
seien, daß die Generalprobe stattgefunden habe und der Herr Operudirektvr
dabei vou Rührung überwältigt folgende Ansprache an die mitwirkenden Künstler



*) Bei den nachstehenden Bemerkungen über die Leipziger Tagespresse ist immer die
Deutsche Allgemeine Zeitung aufzunehmen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0192" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/141071"/>
          <p xml:id="ID_674" prev="#ID_673" next="#ID_675"> kleinen Schaar fanatischer Wagnersektirer, die sich natürlich schämen einzuge¬<lb/>
stehen, wie total verfehlt diese letzten (hoffentlich letzten!) Produkte ihres großen<lb/>
&#x201E;Meisters" sind, eine allgemeine gewesen. Dazu kommen äußere Gründe der<lb/>
Verstimmung. Durch Beschluß des Rathes oder vielmehr einer nicht sehr bedeu¬<lb/>
tenden Majorität des Rathes und gegen den ausdrücklichen Willen der Stadt-<lb/>
verordneten siud die Leipziger Theaterpreise auf wiederholtes Drängen des<lb/>
jetzigen Direktors kürzlich wesentlich erhöht worden, und das, nachdem Herr<lb/>
Dr. Förster schon vorher in der auffälligsten Weise bestrebt gewesen ist, seine<lb/>
Einkünfte sort und fort zu steigern, gleich im Anfange seiner Direktion, in¬<lb/>
dem er die Garderobeneinrichtung in seine Hand nahm und zu eiuer erkleck¬<lb/>
lichen Nebeneiunahmequelle sür sich umgestaltete, dann indem er wiederholt billigere<lb/>
Sitze einzog und sie in theurere verwandelte. Herr Dr. Förster hat bei seinem<lb/>
Direktionsantritt dem Rathe und der Stadt das feierliche Versprechen abgelegt,<lb/>
das Leipziger Theater zum Ideal einer Bühne zu machen. Wir besitzen jetzt<lb/>
einige Erfahrung dafür, wie er dieses Ideal auffaßt. Das &#x201E;Ideal einer Bühne"<lb/>
scheint bei ihm dasjenige Theater zu sein, welches am raschesten den Säckel<lb/>
füllt. Dem allen aber wird die Krone aufgesetzt durch die ununterbrochene, wahr¬<lb/>
haft Ekel erregende Reklame, die das Theater &#x2014; natürlich nicht Herr Dr.<lb/>
Förster &#x2014; in der Leipziger Tagespresse, vor allem in dem großen Reklame-<lb/>
Instrument Leipzig's, dem &#x201E;Tageblatte", selber für sich macht. Kein Tag<lb/>
vergeht, ohne daß man in den Leipziger Tagesblättern*) (mitten unter<lb/>
ähnlich glaubwürdigen Mittheilungen über die großartigen Leistungen der<lb/>
&#x201E;Künstler" im Schützenhanse, über neue Kneipen oder Kramläden, die &#x201E;unsre<lb/>
geehrten Mitbürger" Hinz und Kunz eröffnet haben, über die erstaunlichen<lb/>
Erfolge irgend eines Männergesangvereins, einer Freiwilligenpresse, einer Musik¬<lb/>
schule oder einer Dampfspritzenfabrik) jene gleichlautenden offiziösen Commnni-<lb/>
ques über unser Theater zu lesen bekommt. Bald wird uns mitgetheilt, daß<lb/>
der Herr Maschinist so und so nach dem oder jenem Theater gereist sei, um<lb/>
dort Studien für eine bevorstehende Opern-Aufführung zu macheu, ein ander¬<lb/>
mal, daß der Herr Dekorationsmaler aus Z. gegenwärtig &#x201E;in Leipzig's<lb/>
Mauern weile", um die großartigen Dekorationen zu der neuen Oper herzu¬<lb/>
stellen, dann wieder, daß der Herr Operndirektor eine Reise angetreten habe,<lb/>
um tüchtige neue Kräfte zu engagiren, daß irgend ein &#x201E;berühmter Darsteller"<lb/>
gegenwärtig unpäßlich sei, hoffentlich aber in den nächsten Tagen wieder herge¬<lb/>
stellt sein werde, daß die Proben zu dem neuen Stücke bereits in vollem Gange<lb/>
seien, daß die Generalprobe stattgefunden habe und der Herr Operudirektvr<lb/>
dabei vou Rührung überwältigt folgende Ansprache an die mitwirkenden Künstler</p><lb/>
          <note xml:id="FID_58" place="foot"> *) Bei den nachstehenden Bemerkungen über die Leipziger Tagespresse ist immer die<lb/>
Deutsche Allgemeine Zeitung aufzunehmen.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0192] kleinen Schaar fanatischer Wagnersektirer, die sich natürlich schämen einzuge¬ stehen, wie total verfehlt diese letzten (hoffentlich letzten!) Produkte ihres großen „Meisters" sind, eine allgemeine gewesen. Dazu kommen äußere Gründe der Verstimmung. Durch Beschluß des Rathes oder vielmehr einer nicht sehr bedeu¬ tenden Majorität des Rathes und gegen den ausdrücklichen Willen der Stadt- verordneten siud die Leipziger Theaterpreise auf wiederholtes Drängen des jetzigen Direktors kürzlich wesentlich erhöht worden, und das, nachdem Herr Dr. Förster schon vorher in der auffälligsten Weise bestrebt gewesen ist, seine Einkünfte sort und fort zu steigern, gleich im Anfange seiner Direktion, in¬ dem er die Garderobeneinrichtung in seine Hand nahm und zu eiuer erkleck¬ lichen Nebeneiunahmequelle sür sich umgestaltete, dann indem er wiederholt billigere Sitze einzog und sie in theurere verwandelte. Herr Dr. Förster hat bei seinem Direktionsantritt dem Rathe und der Stadt das feierliche Versprechen abgelegt, das Leipziger Theater zum Ideal einer Bühne zu machen. Wir besitzen jetzt einige Erfahrung dafür, wie er dieses Ideal auffaßt. Das „Ideal einer Bühne" scheint bei ihm dasjenige Theater zu sein, welches am raschesten den Säckel füllt. Dem allen aber wird die Krone aufgesetzt durch die ununterbrochene, wahr¬ haft Ekel erregende Reklame, die das Theater — natürlich nicht Herr Dr. Förster — in der Leipziger Tagespresse, vor allem in dem großen Reklame- Instrument Leipzig's, dem „Tageblatte", selber für sich macht. Kein Tag vergeht, ohne daß man in den Leipziger Tagesblättern*) (mitten unter ähnlich glaubwürdigen Mittheilungen über die großartigen Leistungen der „Künstler" im Schützenhanse, über neue Kneipen oder Kramläden, die „unsre geehrten Mitbürger" Hinz und Kunz eröffnet haben, über die erstaunlichen Erfolge irgend eines Männergesangvereins, einer Freiwilligenpresse, einer Musik¬ schule oder einer Dampfspritzenfabrik) jene gleichlautenden offiziösen Commnni- ques über unser Theater zu lesen bekommt. Bald wird uns mitgetheilt, daß der Herr Maschinist so und so nach dem oder jenem Theater gereist sei, um dort Studien für eine bevorstehende Opern-Aufführung zu macheu, ein ander¬ mal, daß der Herr Dekorationsmaler aus Z. gegenwärtig „in Leipzig's Mauern weile", um die großartigen Dekorationen zu der neuen Oper herzu¬ stellen, dann wieder, daß der Herr Operndirektor eine Reise angetreten habe, um tüchtige neue Kräfte zu engagiren, daß irgend ein „berühmter Darsteller" gegenwärtig unpäßlich sei, hoffentlich aber in den nächsten Tagen wieder herge¬ stellt sein werde, daß die Proben zu dem neuen Stücke bereits in vollem Gange seien, daß die Generalprobe stattgefunden habe und der Herr Operudirektvr dabei vou Rührung überwältigt folgende Ansprache an die mitwirkenden Künstler *) Bei den nachstehenden Bemerkungen über die Leipziger Tagespresse ist immer die Deutsche Allgemeine Zeitung aufzunehmen.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670/192
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670/192>, abgerufen am 15.05.2024.