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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band.

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Jammergeschrei aus dem Nebenhause, wo eben die Gräfinnen Tröka und Kinsky
das Ende ihrer Männer beklagten, er stand am Fenster; da sah er Deveroux
vor sich, die Hellebarde gefällt. "Schelm und Verräther, Du mußt sterben!"
schreit ihm der entgegen. Da breitet der Feldherr die Arme weit aus und
ohne einen Laut empfängt er den tödtlichen Stoß der Partisane mitten in die
Brust. Er starb als Soldat und als Fatalist; ohne den leisesten Versuch zu
hoffnungsloser Gegenwehr ergab er sich in sein Schicksal.

So fiel der gewaltige Kriegsfürst, der acht Jahre hindurch die Welt mit dem
Rufe seiner Thaten und Entwürfe gefüllt, der zweimal dem Kaiser ein Heer
geschenkt, der allein den Siegeslauf Gustav Adolf's gehemmt hatte, durch den
Stahl seiner eignen Soldaten. Der kaiserliche Hof erkannte den Mord, den
er nicht befohlen, als eine berechtigte Exekution an, er belohnte reichlich die
Mörder, er zog Wallenstein's Güter ein als eines Verräthers. Und doch, wer
heute das ragende Friedland sieht, das ihm den Namen gegeben, oder das
vielthürmige Prag, in dem er sich seinen marmorschimmeruden Palast zu könig¬
licher Hofhaltung erbaute, oder endlich das düstre Eger, um das noch sein
blutiger Schatten schwebt, und das geweiht ist als der Schauplatz der größten
historischen Tragödie unserer Literatur, der mag immer darau denken: Wallen¬
stein fiel vor Allem deshalb, weil er einen ehrlichen Frieden wollte, der nicht
auf der Vernichtung der einen, sondern ans der Versöhnung beider Parteien
beruhte; erst als seine Gegner ihn dazu machten, ward er zum Verräther.


Otto Kaemmel.


Die akademische Kunstausstellung in Aerlin.
V Adolf Rosenberg. on I.

Der günstige Erfolg, den die erste von der königlichen Akademie der Künste
in dem provisorischen Gebäude auf der Spitze der Museumsinsel veranstaltete
Kunstausstellung im Jahre 1876 gefunden, hat bekanntlich zu dem Beschluß
geführt, die Ausstellungen unter dem Protektorate der Akademie fortan all¬
jährlich stattfinden zu lassen, während diese Ausstellungen bisher nur alle zwei
Jahre veranstaltet worden waren. Dieser Beschluß wurde fast allseitig mit
Freuden begrüßt. Man wies darauf hin, daß Berlin, nachdem es die Haupt¬
stadt des deutschen Reiches geworden, auch die Führerin ans dem lange ver-


Jammergeschrei aus dem Nebenhause, wo eben die Gräfinnen Tröka und Kinsky
das Ende ihrer Männer beklagten, er stand am Fenster; da sah er Deveroux
vor sich, die Hellebarde gefällt. „Schelm und Verräther, Du mußt sterben!"
schreit ihm der entgegen. Da breitet der Feldherr die Arme weit aus und
ohne einen Laut empfängt er den tödtlichen Stoß der Partisane mitten in die
Brust. Er starb als Soldat und als Fatalist; ohne den leisesten Versuch zu
hoffnungsloser Gegenwehr ergab er sich in sein Schicksal.

So fiel der gewaltige Kriegsfürst, der acht Jahre hindurch die Welt mit dem
Rufe seiner Thaten und Entwürfe gefüllt, der zweimal dem Kaiser ein Heer
geschenkt, der allein den Siegeslauf Gustav Adolf's gehemmt hatte, durch den
Stahl seiner eignen Soldaten. Der kaiserliche Hof erkannte den Mord, den
er nicht befohlen, als eine berechtigte Exekution an, er belohnte reichlich die
Mörder, er zog Wallenstein's Güter ein als eines Verräthers. Und doch, wer
heute das ragende Friedland sieht, das ihm den Namen gegeben, oder das
vielthürmige Prag, in dem er sich seinen marmorschimmeruden Palast zu könig¬
licher Hofhaltung erbaute, oder endlich das düstre Eger, um das noch sein
blutiger Schatten schwebt, und das geweiht ist als der Schauplatz der größten
historischen Tragödie unserer Literatur, der mag immer darau denken: Wallen¬
stein fiel vor Allem deshalb, weil er einen ehrlichen Frieden wollte, der nicht
auf der Vernichtung der einen, sondern ans der Versöhnung beider Parteien
beruhte; erst als seine Gegner ihn dazu machten, ward er zum Verräther.


Otto Kaemmel.


Die akademische Kunstausstellung in Aerlin.
V Adolf Rosenberg. on I.

Der günstige Erfolg, den die erste von der königlichen Akademie der Künste
in dem provisorischen Gebäude auf der Spitze der Museumsinsel veranstaltete
Kunstausstellung im Jahre 1876 gefunden, hat bekanntlich zu dem Beschluß
geführt, die Ausstellungen unter dem Protektorate der Akademie fortan all¬
jährlich stattfinden zu lassen, während diese Ausstellungen bisher nur alle zwei
Jahre veranstaltet worden waren. Dieser Beschluß wurde fast allseitig mit
Freuden begrüßt. Man wies darauf hin, daß Berlin, nachdem es die Haupt¬
stadt des deutschen Reiches geworden, auch die Führerin ans dem lange ver-


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[0022] Jammergeschrei aus dem Nebenhause, wo eben die Gräfinnen Tröka und Kinsky das Ende ihrer Männer beklagten, er stand am Fenster; da sah er Deveroux vor sich, die Hellebarde gefällt. „Schelm und Verräther, Du mußt sterben!" schreit ihm der entgegen. Da breitet der Feldherr die Arme weit aus und ohne einen Laut empfängt er den tödtlichen Stoß der Partisane mitten in die Brust. Er starb als Soldat und als Fatalist; ohne den leisesten Versuch zu hoffnungsloser Gegenwehr ergab er sich in sein Schicksal. So fiel der gewaltige Kriegsfürst, der acht Jahre hindurch die Welt mit dem Rufe seiner Thaten und Entwürfe gefüllt, der zweimal dem Kaiser ein Heer geschenkt, der allein den Siegeslauf Gustav Adolf's gehemmt hatte, durch den Stahl seiner eignen Soldaten. Der kaiserliche Hof erkannte den Mord, den er nicht befohlen, als eine berechtigte Exekution an, er belohnte reichlich die Mörder, er zog Wallenstein's Güter ein als eines Verräthers. Und doch, wer heute das ragende Friedland sieht, das ihm den Namen gegeben, oder das vielthürmige Prag, in dem er sich seinen marmorschimmeruden Palast zu könig¬ licher Hofhaltung erbaute, oder endlich das düstre Eger, um das noch sein blutiger Schatten schwebt, und das geweiht ist als der Schauplatz der größten historischen Tragödie unserer Literatur, der mag immer darau denken: Wallen¬ stein fiel vor Allem deshalb, weil er einen ehrlichen Frieden wollte, der nicht auf der Vernichtung der einen, sondern ans der Versöhnung beider Parteien beruhte; erst als seine Gegner ihn dazu machten, ward er zum Verräther. Otto Kaemmel. Die akademische Kunstausstellung in Aerlin. V Adolf Rosenberg. on I. Der günstige Erfolg, den die erste von der königlichen Akademie der Künste in dem provisorischen Gebäude auf der Spitze der Museumsinsel veranstaltete Kunstausstellung im Jahre 1876 gefunden, hat bekanntlich zu dem Beschluß geführt, die Ausstellungen unter dem Protektorate der Akademie fortan all¬ jährlich stattfinden zu lassen, während diese Ausstellungen bisher nur alle zwei Jahre veranstaltet worden waren. Dieser Beschluß wurde fast allseitig mit Freuden begrüßt. Man wies darauf hin, daß Berlin, nachdem es die Haupt¬ stadt des deutschen Reiches geworden, auch die Führerin ans dem lange ver-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157670/22>, abgerufen am 29.04.2024.