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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal.

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Wicklungsstadien, welche diese verschiedenen Methoden des Einailleurs bis zum
15. Jahrhundert durchlaufen haben, von ihren primitivsten Anfängen bis zur
höchsten Vollendung, auf einer Fülle von heiligen und profanen Geräthen vor,
welche das werthvollste und umfangreichste Material für eine Geschichte dieser
Technik liefern, das jemals an einem Orte vereinigt gewesen ist.


Adolf Rosenberg.


Das Verbindungswesen auf den Gymnasien.

Wie es der preußische Cultusminister von Puttkamer war, der vor kurzer
Zeit die Gefahren des Schüler-Verbindungswesens wieder einmal von ihrer
ernstesten Seite ins Auge faßte und die Lehrercollegien der höheren Schulen
zur Wachsamkeit und zur unerbittlichen Bekämpfung desselben anwies, so ist es
auch zunächst ein preußischer Gymnasialdirector, Dr. Pilger, der uns in
einer kürzlich erschienenen Broschüre die großentheils aetenmüßigen Belege für
die Nichtigkeit der Auffassungsweise des Ministers giebt und sich über die Wur¬
zeln jenes Unwesens und die dagegen zu ergreifenden Maßregeln ausspricht.*)
"Die Quelle meiner Mittheilungen," sagt er selbst in der Einleitung, "ist außer
den 1878 und 1879 erschienenen Publicationen der westfälischen und hannover-
schen Directoren-Versammlungen und des hessischen Lehrervereins wesentlich das
Aetenmaterial zweier von mir aufgelösten Verbindungen. Dasselbe erstreckt sich
über vier Decennien und giebt ein anschauliches Bild des während dieses ganzen
Zeitraums ununterbrochen andauernden Verbindungslebens ans einem märkischen
Gymnasium: etwa vierzehn Verbindungen waren es, die während dieser Jahre
längere oder kürzere Zeit an demselben bestanden, unter ihnen eine, die es bis
zu dem unter Schülerverbindnngen sonst wohl kaum erreichten Alter von 26
Jahren brachte. Aber die umfangreichen Acten beschränken sich nicht auf diese
eine Anstalt, sondern umfassen zugleich zum Theil sehr ausführliche Nachrichten
über eine ganze Reihe derartiger Vereinigungen, die auf benachbarten Gymna¬
sien der Mark, wie auf sächsischen (d. h. der Provinz Sachsen angehörigen) und
schlesischen während der letzten Jahrzehnte existirten." Der Verfasser beschränkt
demnach seine Untersuchung auf das Königreich Preußen, innerhalb desselben
wieder auf die Gymnasien, ans denen das Verbindungswesen bei weitem ver¬
breiteter ist als auf deu jüngeren Realschulen, endlich noch mit Ausschluß wissen¬
schaftlicher, ästhetischer, religiöser oder politischer Schülervereine auf diejenigen,
"deren wesentliche Tendenz die Nachahmung studentischen Verbindungslebens ist."
Der Ton, welchen der Verfasser in seiner Darstellung anschlägt, ist kein klein¬
lich philiströser und schulmeisterlicher, sondern zeugt von ernster und wohlbe-
gründeter sittlicher Entrüstung und echter Liebe zur Wissenschaft und zum Vater¬
lande. Wir erklären zu deu Anschauungen Pilgers unsere völlige Zustimmung,
jedoch mit einer zwiefachen Einschränkung. Einerseits scheinen uns denn doch



*) Ueber das Verbindungswesen ans norddeutschen Gymnasien. Von
Kr, Robert Pilger, Gymnasialdirector, Berlin, Weidmannschc Buchhandlung, 1880.

Wicklungsstadien, welche diese verschiedenen Methoden des Einailleurs bis zum
15. Jahrhundert durchlaufen haben, von ihren primitivsten Anfängen bis zur
höchsten Vollendung, auf einer Fülle von heiligen und profanen Geräthen vor,
welche das werthvollste und umfangreichste Material für eine Geschichte dieser
Technik liefern, das jemals an einem Orte vereinigt gewesen ist.


Adolf Rosenberg.


Das Verbindungswesen auf den Gymnasien.

Wie es der preußische Cultusminister von Puttkamer war, der vor kurzer
Zeit die Gefahren des Schüler-Verbindungswesens wieder einmal von ihrer
ernstesten Seite ins Auge faßte und die Lehrercollegien der höheren Schulen
zur Wachsamkeit und zur unerbittlichen Bekämpfung desselben anwies, so ist es
auch zunächst ein preußischer Gymnasialdirector, Dr. Pilger, der uns in
einer kürzlich erschienenen Broschüre die großentheils aetenmüßigen Belege für
die Nichtigkeit der Auffassungsweise des Ministers giebt und sich über die Wur¬
zeln jenes Unwesens und die dagegen zu ergreifenden Maßregeln ausspricht.*)
„Die Quelle meiner Mittheilungen," sagt er selbst in der Einleitung, „ist außer
den 1878 und 1879 erschienenen Publicationen der westfälischen und hannover-
schen Directoren-Versammlungen und des hessischen Lehrervereins wesentlich das
Aetenmaterial zweier von mir aufgelösten Verbindungen. Dasselbe erstreckt sich
über vier Decennien und giebt ein anschauliches Bild des während dieses ganzen
Zeitraums ununterbrochen andauernden Verbindungslebens ans einem märkischen
Gymnasium: etwa vierzehn Verbindungen waren es, die während dieser Jahre
längere oder kürzere Zeit an demselben bestanden, unter ihnen eine, die es bis
zu dem unter Schülerverbindnngen sonst wohl kaum erreichten Alter von 26
Jahren brachte. Aber die umfangreichen Acten beschränken sich nicht auf diese
eine Anstalt, sondern umfassen zugleich zum Theil sehr ausführliche Nachrichten
über eine ganze Reihe derartiger Vereinigungen, die auf benachbarten Gymna¬
sien der Mark, wie auf sächsischen (d. h. der Provinz Sachsen angehörigen) und
schlesischen während der letzten Jahrzehnte existirten." Der Verfasser beschränkt
demnach seine Untersuchung auf das Königreich Preußen, innerhalb desselben
wieder auf die Gymnasien, ans denen das Verbindungswesen bei weitem ver¬
breiteter ist als auf deu jüngeren Realschulen, endlich noch mit Ausschluß wissen¬
schaftlicher, ästhetischer, religiöser oder politischer Schülervereine auf diejenigen,
„deren wesentliche Tendenz die Nachahmung studentischen Verbindungslebens ist."
Der Ton, welchen der Verfasser in seiner Darstellung anschlägt, ist kein klein¬
lich philiströser und schulmeisterlicher, sondern zeugt von ernster und wohlbe-
gründeter sittlicher Entrüstung und echter Liebe zur Wissenschaft und zum Vater¬
lande. Wir erklären zu deu Anschauungen Pilgers unsere völlige Zustimmung,
jedoch mit einer zwiefachen Einschränkung. Einerseits scheinen uns denn doch



*) Ueber das Verbindungswesen ans norddeutschen Gymnasien. Von
Kr, Robert Pilger, Gymnasialdirector, Berlin, Weidmannschc Buchhandlung, 1880.
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[0461] Wicklungsstadien, welche diese verschiedenen Methoden des Einailleurs bis zum 15. Jahrhundert durchlaufen haben, von ihren primitivsten Anfängen bis zur höchsten Vollendung, auf einer Fülle von heiligen und profanen Geräthen vor, welche das werthvollste und umfangreichste Material für eine Geschichte dieser Technik liefern, das jemals an einem Orte vereinigt gewesen ist. Adolf Rosenberg. Das Verbindungswesen auf den Gymnasien. Wie es der preußische Cultusminister von Puttkamer war, der vor kurzer Zeit die Gefahren des Schüler-Verbindungswesens wieder einmal von ihrer ernstesten Seite ins Auge faßte und die Lehrercollegien der höheren Schulen zur Wachsamkeit und zur unerbittlichen Bekämpfung desselben anwies, so ist es auch zunächst ein preußischer Gymnasialdirector, Dr. Pilger, der uns in einer kürzlich erschienenen Broschüre die großentheils aetenmüßigen Belege für die Nichtigkeit der Auffassungsweise des Ministers giebt und sich über die Wur¬ zeln jenes Unwesens und die dagegen zu ergreifenden Maßregeln ausspricht.*) „Die Quelle meiner Mittheilungen," sagt er selbst in der Einleitung, „ist außer den 1878 und 1879 erschienenen Publicationen der westfälischen und hannover- schen Directoren-Versammlungen und des hessischen Lehrervereins wesentlich das Aetenmaterial zweier von mir aufgelösten Verbindungen. Dasselbe erstreckt sich über vier Decennien und giebt ein anschauliches Bild des während dieses ganzen Zeitraums ununterbrochen andauernden Verbindungslebens ans einem märkischen Gymnasium: etwa vierzehn Verbindungen waren es, die während dieser Jahre längere oder kürzere Zeit an demselben bestanden, unter ihnen eine, die es bis zu dem unter Schülerverbindnngen sonst wohl kaum erreichten Alter von 26 Jahren brachte. Aber die umfangreichen Acten beschränken sich nicht auf diese eine Anstalt, sondern umfassen zugleich zum Theil sehr ausführliche Nachrichten über eine ganze Reihe derartiger Vereinigungen, die auf benachbarten Gymna¬ sien der Mark, wie auf sächsischen (d. h. der Provinz Sachsen angehörigen) und schlesischen während der letzten Jahrzehnte existirten." Der Verfasser beschränkt demnach seine Untersuchung auf das Königreich Preußen, innerhalb desselben wieder auf die Gymnasien, ans denen das Verbindungswesen bei weitem ver¬ breiteter ist als auf deu jüngeren Realschulen, endlich noch mit Ausschluß wissen¬ schaftlicher, ästhetischer, religiöser oder politischer Schülervereine auf diejenigen, „deren wesentliche Tendenz die Nachahmung studentischen Verbindungslebens ist." Der Ton, welchen der Verfasser in seiner Darstellung anschlägt, ist kein klein¬ lich philiströser und schulmeisterlicher, sondern zeugt von ernster und wohlbe- gründeter sittlicher Entrüstung und echter Liebe zur Wissenschaft und zum Vater¬ lande. Wir erklären zu deu Anschauungen Pilgers unsere völlige Zustimmung, jedoch mit einer zwiefachen Einschränkung. Einerseits scheinen uns denn doch *) Ueber das Verbindungswesen ans norddeutschen Gymnasien. Von Kr, Robert Pilger, Gymnasialdirector, Berlin, Weidmannschc Buchhandlung, 1880.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157693/461>, abgerufen am 30.04.2024.