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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal.

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Die Lage in Baden.

Baden hat in der letzten Zeit öfter ein so unerwartetes Spiegelbild seiner
politischen Verhältnisse geboten, daß wir an Überraschungen so ziemlich ge¬
wohnt sind. Eine nicht geringe hat uns soeben die Reichstagswahl im 9. badi¬
schen Wahlkreise bereitet. Dieser Wahlkreis war durch den conservativen und
schutzzvlluerischen Abgeordneten Katz, der durch den Tod seinem Wirkungskreise
entrissen worden ist, vertreten gewesen. Besonders seinem wirthschaftlichen Stand¬
punkte hatte es Herr Katz, neben seinem geschäftlichen Einflüsse in dem ge¬
nannten Wahlkreise, zu danken, daß er zu den verbündeten ultramontanen und
orthodox - conservativen Stimmen noch die liberalen Stimmen des Bezirkes
Gernsbach hinzubekam, und so eine Mehrheit gegenüber der nationalen und
liberalen und der demokratischen Partei herbeigeführt wurde, obwohl die erstere
in dem um unser gewerbliches Leben hochverdienten Geh. Referendür v. Stößer
dem conservativen Candidaten einen sehr gefährlichen Rivalen entgegengestellt
hatte. So kam es, daß die Conservativ-Ultramontanen den 9. Wahlkreis als
ihre unbestreitbare Domäne betrachteten, und daß man bei der jetzt ausgeschriebenen
Nachwahl es von vornherein als natürlich ansah, daß dieselben den Wahlkreis
allein zu behaupten suchten, und als Mitbewerber nur noch die Demokraten auf¬
traten. Von der nationalen und liberalen Partei, die ja abgewirtschaftet habe,
war keine Rede mehr, und diese Partei selbst schien auch freiwillig auf selb¬
ständige Action zu verzichten. Da, in später Stunde, nachdem die "Badische
Landeszeitung" wiederholt den Weckruf hatte erschallen lassen, raffte man sich
auf liberaler Seite auf und stellte, wenn auch mit einem gewissen Vorgefühle
einer unausweichlichen Niederlage, Herrn Klumpp in Gernsbach auf, den libe¬
ralen Compagnon des verstorbenen Abgeordneten Katz, der aber in der wirth¬
schaftlichen Frage gleichfalls auf Seiten der Schutzzöllner steht. Diese Candi-
datur, für welche in der Folge auch einige der liberalen Führer der Linken,
wie die Herren Fieser, BährZ und in der "Badischen Correspondenz" selbst Kiefer
mit Energie eintraten, lieferte den Beweis, daß die Erfahrungen der letzten
Zeit, die vielfachen Mahnungen, die an die liberale Partei ergangen, und die
ganz offenkundige Verstimmung, welche in weiten Bevölkerungsdichten wegen
ihrer radicalen Haltung in wirthschaftlichen wie politischen Fragen Platz ge¬
griffen und vielfach einen sehr unzweideutigen Ausdruck gefunden hatte, daß
alles dies an den Männern, die auf die Partei einen bestimmenden Einfluß
haben, nicht spurlos vorübergegangen ist, daß auch sie dem Zuge uach rechts
nicht unzugänglich geblieben sind. Die Candidatur Klumpp zeigte, daß der


Grenzboten III. 1830. 6
Die Lage in Baden.

Baden hat in der letzten Zeit öfter ein so unerwartetes Spiegelbild seiner
politischen Verhältnisse geboten, daß wir an Überraschungen so ziemlich ge¬
wohnt sind. Eine nicht geringe hat uns soeben die Reichstagswahl im 9. badi¬
schen Wahlkreise bereitet. Dieser Wahlkreis war durch den conservativen und
schutzzvlluerischen Abgeordneten Katz, der durch den Tod seinem Wirkungskreise
entrissen worden ist, vertreten gewesen. Besonders seinem wirthschaftlichen Stand¬
punkte hatte es Herr Katz, neben seinem geschäftlichen Einflüsse in dem ge¬
nannten Wahlkreise, zu danken, daß er zu den verbündeten ultramontanen und
orthodox - conservativen Stimmen noch die liberalen Stimmen des Bezirkes
Gernsbach hinzubekam, und so eine Mehrheit gegenüber der nationalen und
liberalen und der demokratischen Partei herbeigeführt wurde, obwohl die erstere
in dem um unser gewerbliches Leben hochverdienten Geh. Referendür v. Stößer
dem conservativen Candidaten einen sehr gefährlichen Rivalen entgegengestellt
hatte. So kam es, daß die Conservativ-Ultramontanen den 9. Wahlkreis als
ihre unbestreitbare Domäne betrachteten, und daß man bei der jetzt ausgeschriebenen
Nachwahl es von vornherein als natürlich ansah, daß dieselben den Wahlkreis
allein zu behaupten suchten, und als Mitbewerber nur noch die Demokraten auf¬
traten. Von der nationalen und liberalen Partei, die ja abgewirtschaftet habe,
war keine Rede mehr, und diese Partei selbst schien auch freiwillig auf selb¬
ständige Action zu verzichten. Da, in später Stunde, nachdem die „Badische
Landeszeitung" wiederholt den Weckruf hatte erschallen lassen, raffte man sich
auf liberaler Seite auf und stellte, wenn auch mit einem gewissen Vorgefühle
einer unausweichlichen Niederlage, Herrn Klumpp in Gernsbach auf, den libe¬
ralen Compagnon des verstorbenen Abgeordneten Katz, der aber in der wirth¬
schaftlichen Frage gleichfalls auf Seiten der Schutzzöllner steht. Diese Candi-
datur, für welche in der Folge auch einige der liberalen Führer der Linken,
wie die Herren Fieser, BährZ und in der „Badischen Correspondenz" selbst Kiefer
mit Energie eintraten, lieferte den Beweis, daß die Erfahrungen der letzten
Zeit, die vielfachen Mahnungen, die an die liberale Partei ergangen, und die
ganz offenkundige Verstimmung, welche in weiten Bevölkerungsdichten wegen
ihrer radicalen Haltung in wirthschaftlichen wie politischen Fragen Platz ge¬
griffen und vielfach einen sehr unzweideutigen Ausdruck gefunden hatte, daß
alles dies an den Männern, die auf die Partei einen bestimmenden Einfluß
haben, nicht spurlos vorübergegangen ist, daß auch sie dem Zuge uach rechts
nicht unzugänglich geblieben sind. Die Candidatur Klumpp zeigte, daß der


Grenzboten III. 1830. 6
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[0049] Die Lage in Baden. Baden hat in der letzten Zeit öfter ein so unerwartetes Spiegelbild seiner politischen Verhältnisse geboten, daß wir an Überraschungen so ziemlich ge¬ wohnt sind. Eine nicht geringe hat uns soeben die Reichstagswahl im 9. badi¬ schen Wahlkreise bereitet. Dieser Wahlkreis war durch den conservativen und schutzzvlluerischen Abgeordneten Katz, der durch den Tod seinem Wirkungskreise entrissen worden ist, vertreten gewesen. Besonders seinem wirthschaftlichen Stand¬ punkte hatte es Herr Katz, neben seinem geschäftlichen Einflüsse in dem ge¬ nannten Wahlkreise, zu danken, daß er zu den verbündeten ultramontanen und orthodox - conservativen Stimmen noch die liberalen Stimmen des Bezirkes Gernsbach hinzubekam, und so eine Mehrheit gegenüber der nationalen und liberalen und der demokratischen Partei herbeigeführt wurde, obwohl die erstere in dem um unser gewerbliches Leben hochverdienten Geh. Referendür v. Stößer dem conservativen Candidaten einen sehr gefährlichen Rivalen entgegengestellt hatte. So kam es, daß die Conservativ-Ultramontanen den 9. Wahlkreis als ihre unbestreitbare Domäne betrachteten, und daß man bei der jetzt ausgeschriebenen Nachwahl es von vornherein als natürlich ansah, daß dieselben den Wahlkreis allein zu behaupten suchten, und als Mitbewerber nur noch die Demokraten auf¬ traten. Von der nationalen und liberalen Partei, die ja abgewirtschaftet habe, war keine Rede mehr, und diese Partei selbst schien auch freiwillig auf selb¬ ständige Action zu verzichten. Da, in später Stunde, nachdem die „Badische Landeszeitung" wiederholt den Weckruf hatte erschallen lassen, raffte man sich auf liberaler Seite auf und stellte, wenn auch mit einem gewissen Vorgefühle einer unausweichlichen Niederlage, Herrn Klumpp in Gernsbach auf, den libe¬ ralen Compagnon des verstorbenen Abgeordneten Katz, der aber in der wirth¬ schaftlichen Frage gleichfalls auf Seiten der Schutzzöllner steht. Diese Candi- datur, für welche in der Folge auch einige der liberalen Führer der Linken, wie die Herren Fieser, BährZ und in der „Badischen Correspondenz" selbst Kiefer mit Energie eintraten, lieferte den Beweis, daß die Erfahrungen der letzten Zeit, die vielfachen Mahnungen, die an die liberale Partei ergangen, und die ganz offenkundige Verstimmung, welche in weiten Bevölkerungsdichten wegen ihrer radicalen Haltung in wirthschaftlichen wie politischen Fragen Platz ge¬ griffen und vielfach einen sehr unzweideutigen Ausdruck gefunden hatte, daß alles dies an den Männern, die auf die Partei einen bestimmenden Einfluß haben, nicht spurlos vorübergegangen ist, daß auch sie dem Zuge uach rechts nicht unzugänglich geblieben sind. Die Candidatur Klumpp zeigte, daß der Grenzboten III. 1830. 6

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157693/49>, abgerufen am 30.04.2024.