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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal.

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Chr. Gottfried Körner und I, G, Göschen,

Düsseldorf gegenwärtig besitzt; ein anderes aber wahrscheinlich, weil es zu schlecht
war: nämlich "Samson durch Delila den Philistern überantwortet" von Joost
van Winghen, einem vorrubensschm, vor 1550 in Brüssel gebornen Meister, der
zu jenen langweiligen Niederländern der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts
gehört, die ihren nationalen Stil zu Gunsten einer Nachahmung der Italiener
aufgegeben hatten, ohne daß es ihnen möglich gewesen wäre, die Formensprache
der Italiener zu erlernen.

Das ist das Schicksal einer Gemäldegalerie, welche im vorigen Jahrhundert
am User des Rheins stand und in der ganzen Welt berühmt war. Ihr An¬
denken wird die Kunstgeschichte immer in Ehren halten.




(Lhr. Gottfried Körner und I. G. Göschen
von Adolf Stern. (Schluß.)

as Ende des Jahres 1786 und der Anfang des folgenden müssen
für Körner nicht die erquicklichsten Zeiten gewesen sein. Als
er im December und Januar in Leipzig verweilte, gab es offen¬
bar mannichfache Auseinandersetzungen mit dem Geschäftsfreunde.
Am Silvester 1786 schrieb Körner an Schiller, welcher in Körners
Wohnung in Dresden zurückgeblieben war: "Suche doch die Papiere, die meine
Verhältnisse mit Göschen betreffen, in meinem Pulte; sie stecken in einem
Foliobogen von Kurzes Hand beschrieben. Schicke sie mir mit der ersten
Post." (Schiller-Körnerscher Briefwechsel.) Was aber auch bei den damaligen
persönlichen Begegnungen zwischen beiden verhandelt worden sein mag, der
Oberconsistorialrath ließ es zur Ostermesse des Jahres 1787 nicht an den von
ihm erwarteten Summen fehlen. Die Herbeischaffung erwies sich diesmal be¬
sonders schwer; der Geldjude Beit, dessen intimere Bekanntschaft auch "Rath
Schiller" zu seinem spätern Leidwesen in dieser kritischen Zeit machte, mußte
mehrfach hilfreich eingreifen. Dies veranlaßte Körner, der bei allem Scmguinis-
mus und aller Gutherzigkeit doch eben ein guter Haushalter, ein pflichttreuer,
ernster Mann war, zu einem ersten Besinnen über die wunderliche Natur seiner


Grenzboten I. 1881. 22
Chr. Gottfried Körner und I, G, Göschen,

Düsseldorf gegenwärtig besitzt; ein anderes aber wahrscheinlich, weil es zu schlecht
war: nämlich „Samson durch Delila den Philistern überantwortet" von Joost
van Winghen, einem vorrubensschm, vor 1550 in Brüssel gebornen Meister, der
zu jenen langweiligen Niederländern der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts
gehört, die ihren nationalen Stil zu Gunsten einer Nachahmung der Italiener
aufgegeben hatten, ohne daß es ihnen möglich gewesen wäre, die Formensprache
der Italiener zu erlernen.

Das ist das Schicksal einer Gemäldegalerie, welche im vorigen Jahrhundert
am User des Rheins stand und in der ganzen Welt berühmt war. Ihr An¬
denken wird die Kunstgeschichte immer in Ehren halten.




(Lhr. Gottfried Körner und I. G. Göschen
von Adolf Stern. (Schluß.)

as Ende des Jahres 1786 und der Anfang des folgenden müssen
für Körner nicht die erquicklichsten Zeiten gewesen sein. Als
er im December und Januar in Leipzig verweilte, gab es offen¬
bar mannichfache Auseinandersetzungen mit dem Geschäftsfreunde.
Am Silvester 1786 schrieb Körner an Schiller, welcher in Körners
Wohnung in Dresden zurückgeblieben war: „Suche doch die Papiere, die meine
Verhältnisse mit Göschen betreffen, in meinem Pulte; sie stecken in einem
Foliobogen von Kurzes Hand beschrieben. Schicke sie mir mit der ersten
Post." (Schiller-Körnerscher Briefwechsel.) Was aber auch bei den damaligen
persönlichen Begegnungen zwischen beiden verhandelt worden sein mag, der
Oberconsistorialrath ließ es zur Ostermesse des Jahres 1787 nicht an den von
ihm erwarteten Summen fehlen. Die Herbeischaffung erwies sich diesmal be¬
sonders schwer; der Geldjude Beit, dessen intimere Bekanntschaft auch „Rath
Schiller" zu seinem spätern Leidwesen in dieser kritischen Zeit machte, mußte
mehrfach hilfreich eingreifen. Dies veranlaßte Körner, der bei allem Scmguinis-
mus und aller Gutherzigkeit doch eben ein guter Haushalter, ein pflichttreuer,
ernster Mann war, zu einem ersten Besinnen über die wunderliche Natur seiner


Grenzboten I. 1881. 22
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[0169] Chr. Gottfried Körner und I, G, Göschen, Düsseldorf gegenwärtig besitzt; ein anderes aber wahrscheinlich, weil es zu schlecht war: nämlich „Samson durch Delila den Philistern überantwortet" von Joost van Winghen, einem vorrubensschm, vor 1550 in Brüssel gebornen Meister, der zu jenen langweiligen Niederländern der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts gehört, die ihren nationalen Stil zu Gunsten einer Nachahmung der Italiener aufgegeben hatten, ohne daß es ihnen möglich gewesen wäre, die Formensprache der Italiener zu erlernen. Das ist das Schicksal einer Gemäldegalerie, welche im vorigen Jahrhundert am User des Rheins stand und in der ganzen Welt berühmt war. Ihr An¬ denken wird die Kunstgeschichte immer in Ehren halten. (Lhr. Gottfried Körner und I. G. Göschen von Adolf Stern. (Schluß.) as Ende des Jahres 1786 und der Anfang des folgenden müssen für Körner nicht die erquicklichsten Zeiten gewesen sein. Als er im December und Januar in Leipzig verweilte, gab es offen¬ bar mannichfache Auseinandersetzungen mit dem Geschäftsfreunde. Am Silvester 1786 schrieb Körner an Schiller, welcher in Körners Wohnung in Dresden zurückgeblieben war: „Suche doch die Papiere, die meine Verhältnisse mit Göschen betreffen, in meinem Pulte; sie stecken in einem Foliobogen von Kurzes Hand beschrieben. Schicke sie mir mit der ersten Post." (Schiller-Körnerscher Briefwechsel.) Was aber auch bei den damaligen persönlichen Begegnungen zwischen beiden verhandelt worden sein mag, der Oberconsistorialrath ließ es zur Ostermesse des Jahres 1787 nicht an den von ihm erwarteten Summen fehlen. Die Herbeischaffung erwies sich diesmal be¬ sonders schwer; der Geldjude Beit, dessen intimere Bekanntschaft auch „Rath Schiller" zu seinem spätern Leidwesen in dieser kritischen Zeit machte, mußte mehrfach hilfreich eingreifen. Dies veranlaßte Körner, der bei allem Scmguinis- mus und aller Gutherzigkeit doch eben ein guter Haushalter, ein pflichttreuer, ernster Mann war, zu einem ersten Besinnen über die wunderliche Natur seiner Grenzboten I. 1881. 22

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697/169>, abgerufen am 29.04.2024.