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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal.

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Der ptulamcnwnsmus in England.

vielleicht in der Cvmmissiv" begraben, wie sie es in den letzten Jahren mit
mehreren nützlichen Entwürfen gehalten haben. Es muß aber bald etwas ge¬
schehen, und es wäre möglich, daß sie diesmal anders verführen und dem Gesetze
im großen und ganzen ihre Zustimmung zu Theil werden ließen; denn sie haben
an die Wahlen zu denken, die vor der Thür sind.




Der Parlamentarismus in England.
i.

or kurzem erschien in London der Roman "Endhmion", eine
Schöpfung d'Jsraeli-Beaeonsfields, des Exministers, der die
unfreiwillige Muße, welche ihm Glndstvue und die Radicalen ver¬
schafft, benutzt hatte, sich wieder einmal für einige Zeit schön¬
geistigen Bestrebungen zu widmen. Viel ist dabei, wenn wir den
ästhetischen Maßstab anlegen, nicht herausgekommen. Kamm kann man den Roman
ein Kunstwerk nennen. Die Sprache ist unschön, die Composition leidet vielfach
nu Unübersichtlichkeit, der Held wird nur gezogen und geschoben, nicht dnrch
sich selbst etwas, und mit den übrigen Personen der Erzählung kann man meist
mich wenig Sympathie empfinden, ja einige derselben sind geradezu widerwärtige
Geschöpfe. Anders ist über das Buch zu urtheilen, wenn man es als das be¬
trachtet, was es offenbar eigentlich sein will, als eine Reihe von Sittenbildern,
bestimmt, uns in gewissen Personen und Situationen die Schwäche und Misvre
der parlamentarischen Regierung vorzuführen.

Die englischen Kritiker sehen begreiflicherweise davon ab. Sie beschäftigen
sich vorzüglich mit Vermuthungen über die wirklichen Mensche", die mit den
Hauptfiguren des Romans gemeint sind. Das hat auch sein Interesse, und es
ist amüsant, herauszufinden, daß der Verfasser uns mit Lord Roehampton
Pcilmerstou, mit Mr. Neuchatel den großen Bankier Baring, mit Prinz Florestan
Napoleon den Dritten, mit dem Fabrikanten Thvrnberry den Manchestermann
Cobden, mit dem katholisch gewordenen Puseyiten Rigel Penruddock den Cardinal
Wisemann und mit dem Grafen Ferrol Bismarck zu zeichnen versucht hat.


Der ptulamcnwnsmus in England.

vielleicht in der Cvmmissiv» begraben, wie sie es in den letzten Jahren mit
mehreren nützlichen Entwürfen gehalten haben. Es muß aber bald etwas ge¬
schehen, und es wäre möglich, daß sie diesmal anders verführen und dem Gesetze
im großen und ganzen ihre Zustimmung zu Theil werden ließen; denn sie haben
an die Wahlen zu denken, die vor der Thür sind.




Der Parlamentarismus in England.
i.

or kurzem erschien in London der Roman „Endhmion", eine
Schöpfung d'Jsraeli-Beaeonsfields, des Exministers, der die
unfreiwillige Muße, welche ihm Glndstvue und die Radicalen ver¬
schafft, benutzt hatte, sich wieder einmal für einige Zeit schön¬
geistigen Bestrebungen zu widmen. Viel ist dabei, wenn wir den
ästhetischen Maßstab anlegen, nicht herausgekommen. Kamm kann man den Roman
ein Kunstwerk nennen. Die Sprache ist unschön, die Composition leidet vielfach
nu Unübersichtlichkeit, der Held wird nur gezogen und geschoben, nicht dnrch
sich selbst etwas, und mit den übrigen Personen der Erzählung kann man meist
mich wenig Sympathie empfinden, ja einige derselben sind geradezu widerwärtige
Geschöpfe. Anders ist über das Buch zu urtheilen, wenn man es als das be¬
trachtet, was es offenbar eigentlich sein will, als eine Reihe von Sittenbildern,
bestimmt, uns in gewissen Personen und Situationen die Schwäche und Misvre
der parlamentarischen Regierung vorzuführen.

Die englischen Kritiker sehen begreiflicherweise davon ab. Sie beschäftigen
sich vorzüglich mit Vermuthungen über die wirklichen Mensche», die mit den
Hauptfiguren des Romans gemeint sind. Das hat auch sein Interesse, und es
ist amüsant, herauszufinden, daß der Verfasser uns mit Lord Roehampton
Pcilmerstou, mit Mr. Neuchatel den großen Bankier Baring, mit Prinz Florestan
Napoleon den Dritten, mit dem Fabrikanten Thvrnberry den Manchestermann
Cobden, mit dem katholisch gewordenen Puseyiten Rigel Penruddock den Cardinal
Wisemann und mit dem Grafen Ferrol Bismarck zu zeichnen versucht hat.


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[0193] Der ptulamcnwnsmus in England. vielleicht in der Cvmmissiv» begraben, wie sie es in den letzten Jahren mit mehreren nützlichen Entwürfen gehalten haben. Es muß aber bald etwas ge¬ schehen, und es wäre möglich, daß sie diesmal anders verführen und dem Gesetze im großen und ganzen ihre Zustimmung zu Theil werden ließen; denn sie haben an die Wahlen zu denken, die vor der Thür sind. Der Parlamentarismus in England. i. or kurzem erschien in London der Roman „Endhmion", eine Schöpfung d'Jsraeli-Beaeonsfields, des Exministers, der die unfreiwillige Muße, welche ihm Glndstvue und die Radicalen ver¬ schafft, benutzt hatte, sich wieder einmal für einige Zeit schön¬ geistigen Bestrebungen zu widmen. Viel ist dabei, wenn wir den ästhetischen Maßstab anlegen, nicht herausgekommen. Kamm kann man den Roman ein Kunstwerk nennen. Die Sprache ist unschön, die Composition leidet vielfach nu Unübersichtlichkeit, der Held wird nur gezogen und geschoben, nicht dnrch sich selbst etwas, und mit den übrigen Personen der Erzählung kann man meist mich wenig Sympathie empfinden, ja einige derselben sind geradezu widerwärtige Geschöpfe. Anders ist über das Buch zu urtheilen, wenn man es als das be¬ trachtet, was es offenbar eigentlich sein will, als eine Reihe von Sittenbildern, bestimmt, uns in gewissen Personen und Situationen die Schwäche und Misvre der parlamentarischen Regierung vorzuführen. Die englischen Kritiker sehen begreiflicherweise davon ab. Sie beschäftigen sich vorzüglich mit Vermuthungen über die wirklichen Mensche», die mit den Hauptfiguren des Romans gemeint sind. Das hat auch sein Interesse, und es ist amüsant, herauszufinden, daß der Verfasser uns mit Lord Roehampton Pcilmerstou, mit Mr. Neuchatel den großen Bankier Baring, mit Prinz Florestan Napoleon den Dritten, mit dem Fabrikanten Thvrnberry den Manchestermann Cobden, mit dem katholisch gewordenen Puseyiten Rigel Penruddock den Cardinal Wisemann und mit dem Grafen Ferrol Bismarck zu zeichnen versucht hat.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157697/193>, abgerufen am 29.04.2024.