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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.

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politische Rückblicke und Ausblicke.
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ächst Frankreich und Rußland nimmt die Aufmerksamkeit des deut¬
schen Politikers, soweit es sich um auswärtige Angelegenheiten
handelt, vor allem der 1870 unfehlbar gewordene Papst in Anspruch
und der große Streit des preußischen Staates mit jener Partei in der
katholischen Kirche, welche darauf hinwirkte, daß die Vertreter der
Kirche die Unfehlbarkeit zum Dogma erhoben. Wir wollen heute
diesen Streit in seinem Verlaufe überblicken") und zwar zunächst in seiner Vor¬
geschichte und seinem ersten Stadium. Ein zweiter Abschnitt soll die weitere Ent¬
wicklung desselben bis zu dem Wendepunkte verfolgen, wo die Möglichkeit am Hori¬
zonte auftauchte, diesen "Culturkampf" -- nicht zu beenden, denn die Curie kennt
nur Unterwerfung oder Waffenstillstand -- wohl aber mit einem moäns vivsnäi zu
vertauschen. In einem dritten und letzten Artikel werden wir sehen, wie jene
Möglichkeit zur Wahrscheinlichkeit wurde.

Fragen wir nach den Ursachen des Cultnrkmnpfes, so leidet es keinen Zweifel,
daß dieselben einzig und allein auf feiten des Vaticans liegen. Die katholische
Kirche hat sich in Preußen von der Zeit des Großen Kurfürsten an bis auf unsre
Tage bei der Regierung ganz desselben Wohlwollens und der gleichen Förderung
wie andre Bekenntnisse erfreut. Die Katholiken lebten unter den Hohenzollern in
Frieden und genossen einer so weitgehenden Freiheit, daß selbst ein so anspruchs¬
voller Papst wie der letztverstorbene seine lebhafte Zufriedenheit mit der Lage der¬
selben aussprach. Seit dem Jahre 1840 konnte man sich sogar fragen, ob der



Vgl. Geschichte des "Culturkampfes" in Preußen. Ju Actenstiicken dargestellt
von Ludwig Hahn. Mit einer Uebersicht. Berlin, W. Hertz, 1881. Das Buch bietet eine
geschickt gruppirte Zusammenstellung alles hierher gehörigen historischen Materials, die wir
folgenden, aus andern Quellen vielfach ergänzt, benutzen. Der gar zu milde Ton des
-üonvorts ist aber wohl kaum im Sinne des Kanzlers. Uebrigens leidet das Vues an einer
großen Menge von Druckfehlern.
Grenzboten IV. 1881. 18


politische Rückblicke und Ausblicke.
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ächst Frankreich und Rußland nimmt die Aufmerksamkeit des deut¬
schen Politikers, soweit es sich um auswärtige Angelegenheiten
handelt, vor allem der 1870 unfehlbar gewordene Papst in Anspruch
und der große Streit des preußischen Staates mit jener Partei in der
katholischen Kirche, welche darauf hinwirkte, daß die Vertreter der
Kirche die Unfehlbarkeit zum Dogma erhoben. Wir wollen heute
diesen Streit in seinem Verlaufe überblicken") und zwar zunächst in seiner Vor¬
geschichte und seinem ersten Stadium. Ein zweiter Abschnitt soll die weitere Ent¬
wicklung desselben bis zu dem Wendepunkte verfolgen, wo die Möglichkeit am Hori¬
zonte auftauchte, diesen „Culturkampf" — nicht zu beenden, denn die Curie kennt
nur Unterwerfung oder Waffenstillstand — wohl aber mit einem moäns vivsnäi zu
vertauschen. In einem dritten und letzten Artikel werden wir sehen, wie jene
Möglichkeit zur Wahrscheinlichkeit wurde.

Fragen wir nach den Ursachen des Cultnrkmnpfes, so leidet es keinen Zweifel,
daß dieselben einzig und allein auf feiten des Vaticans liegen. Die katholische
Kirche hat sich in Preußen von der Zeit des Großen Kurfürsten an bis auf unsre
Tage bei der Regierung ganz desselben Wohlwollens und der gleichen Förderung
wie andre Bekenntnisse erfreut. Die Katholiken lebten unter den Hohenzollern in
Frieden und genossen einer so weitgehenden Freiheit, daß selbst ein so anspruchs¬
voller Papst wie der letztverstorbene seine lebhafte Zufriedenheit mit der Lage der¬
selben aussprach. Seit dem Jahre 1840 konnte man sich sogar fragen, ob der



Vgl. Geschichte des „Culturkampfes" in Preußen. Ju Actenstiicken dargestellt
von Ludwig Hahn. Mit einer Uebersicht. Berlin, W. Hertz, 1881. Das Buch bietet eine
geschickt gruppirte Zusammenstellung alles hierher gehörigen historischen Materials, die wir
folgenden, aus andern Quellen vielfach ergänzt, benutzen. Der gar zu milde Ton des
-üonvorts ist aber wohl kaum im Sinne des Kanzlers. Uebrigens leidet das Vues an einer
großen Menge von Druckfehlern.
Grenzboten IV. 1881. 18
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[0143] [Abbildung] politische Rückblicke und Ausblicke. > ' , , ' 4.. ^ ächst Frankreich und Rußland nimmt die Aufmerksamkeit des deut¬ schen Politikers, soweit es sich um auswärtige Angelegenheiten handelt, vor allem der 1870 unfehlbar gewordene Papst in Anspruch und der große Streit des preußischen Staates mit jener Partei in der katholischen Kirche, welche darauf hinwirkte, daß die Vertreter der Kirche die Unfehlbarkeit zum Dogma erhoben. Wir wollen heute diesen Streit in seinem Verlaufe überblicken") und zwar zunächst in seiner Vor¬ geschichte und seinem ersten Stadium. Ein zweiter Abschnitt soll die weitere Ent¬ wicklung desselben bis zu dem Wendepunkte verfolgen, wo die Möglichkeit am Hori¬ zonte auftauchte, diesen „Culturkampf" — nicht zu beenden, denn die Curie kennt nur Unterwerfung oder Waffenstillstand — wohl aber mit einem moäns vivsnäi zu vertauschen. In einem dritten und letzten Artikel werden wir sehen, wie jene Möglichkeit zur Wahrscheinlichkeit wurde. Fragen wir nach den Ursachen des Cultnrkmnpfes, so leidet es keinen Zweifel, daß dieselben einzig und allein auf feiten des Vaticans liegen. Die katholische Kirche hat sich in Preußen von der Zeit des Großen Kurfürsten an bis auf unsre Tage bei der Regierung ganz desselben Wohlwollens und der gleichen Förderung wie andre Bekenntnisse erfreut. Die Katholiken lebten unter den Hohenzollern in Frieden und genossen einer so weitgehenden Freiheit, daß selbst ein so anspruchs¬ voller Papst wie der letztverstorbene seine lebhafte Zufriedenheit mit der Lage der¬ selben aussprach. Seit dem Jahre 1840 konnte man sich sogar fragen, ob der Vgl. Geschichte des „Culturkampfes" in Preußen. Ju Actenstiicken dargestellt von Ludwig Hahn. Mit einer Uebersicht. Berlin, W. Hertz, 1881. Das Buch bietet eine geschickt gruppirte Zusammenstellung alles hierher gehörigen historischen Materials, die wir folgenden, aus andern Quellen vielfach ergänzt, benutzen. Der gar zu milde Ton des -üonvorts ist aber wohl kaum im Sinne des Kanzlers. Uebrigens leidet das Vues an einer großen Menge von Druckfehlern. Grenzboten IV. 1881. 18

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970/143>, abgerufen am 28.04.2024.