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Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal.

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Shakespeare in Frankreich.

setzgebung abschafft oder abändert, welche die Jrredenta zu dulden zwingt. Wohl
aber kann man österreichischer- und deutscherseits eine unumwundene Erklärung
fordern, daß die italienische Regierung mit den Wünschen und Absichten dieser
Partei nicht übereinstimme, daß sie dieselben vielmehr als mit den Anforderungen
getreuer Nachbarschaft und mit den Regeln des Völkerrechts in schreienden
Widerspruche stehend, als unmoralisch und zugleich unpraktisch und gefährlich
mißbillige lind verdamme, und daß sie jedem Versuche, sie zu verwirklichen, energisch
entgegentreten werde. Eine solche Lossagung würde Italien nicht zur Schande,
sondern zum Lobe gereichen, sie würde die Würde Italiens vor Europa nicht
herabsetzen sondern erhöhen.




Shakespeare in Frankreich/)
von Robert prölsz.

ehr als die Revolution selbst, wirkte die von ihr decretirte Theater¬
freiheit auf die Umgestaltung des Theaters und Dramas in Frank¬
reich ein. Die Concurrenz der zahlreichen neuen Unternehmungen
dieser Art mußte auch verschiedne neue Formen des Dramas hervor¬
rufen. Die Theater speculirten dabei theils auf die politischen
Leidenschaften und den Parteigeist, von dem sie Wohl auch selber ergriffen wurden,
theils auf das Erholungsbedürfuiß der von den Schrecken der Wirklichkeit ge-
auülten Gemüther. Nicht nur politische Tendenz- und Gelegenheitsstücke, nicht
"ur die patriotischen Gesänge kamen jetzt auf, von denen verschiedne Theater,
besonders das ?neMr<z ?s.vÄrt und das der Rue Feydecm jetzt allabendlich er¬
tönten, sondern auch das Vaudeville und die Farce gewannen neue Formen,
und als sich die Republik und das aus ihr sich entwickelnde Kaiserthum für
°as akademisch-classische Drama erklärt hatten, und die conventionelle Tragödie
"und noch zur officiellen geworden war, rief der von den kleinen Theatern aus¬
gehende Versuch, dieser letztern eine volksthümliche Tragödie gegenüberzustellen,
"und "och das Melodrama ins Leben, welches zunächst seine Kraft hauptsächlich
uns dem demokratischen Geiste der Revolution zog und seine Wirkungen in den
'"^glichst grellen Gegensätzen der Tugend und des Lasters, des Rührender und
des schreckenerregenden suchte.

Eine Zeit mit solchen außerkünstlerischen Tendenzen und Speculationen
^unde für die Shakespearische Dichtung, die ja überhaupt bisher ihrem eigen-



*) Vergleiche den Vorläufer zu diesem Aufsatz in Ur. 34 des vorinen Quartals.
Grenzboten IV. 1881. 2
Shakespeare in Frankreich.

setzgebung abschafft oder abändert, welche die Jrredenta zu dulden zwingt. Wohl
aber kann man österreichischer- und deutscherseits eine unumwundene Erklärung
fordern, daß die italienische Regierung mit den Wünschen und Absichten dieser
Partei nicht übereinstimme, daß sie dieselben vielmehr als mit den Anforderungen
getreuer Nachbarschaft und mit den Regeln des Völkerrechts in schreienden
Widerspruche stehend, als unmoralisch und zugleich unpraktisch und gefährlich
mißbillige lind verdamme, und daß sie jedem Versuche, sie zu verwirklichen, energisch
entgegentreten werde. Eine solche Lossagung würde Italien nicht zur Schande,
sondern zum Lobe gereichen, sie würde die Würde Italiens vor Europa nicht
herabsetzen sondern erhöhen.




Shakespeare in Frankreich/)
von Robert prölsz.

ehr als die Revolution selbst, wirkte die von ihr decretirte Theater¬
freiheit auf die Umgestaltung des Theaters und Dramas in Frank¬
reich ein. Die Concurrenz der zahlreichen neuen Unternehmungen
dieser Art mußte auch verschiedne neue Formen des Dramas hervor¬
rufen. Die Theater speculirten dabei theils auf die politischen
Leidenschaften und den Parteigeist, von dem sie Wohl auch selber ergriffen wurden,
theils auf das Erholungsbedürfuiß der von den Schrecken der Wirklichkeit ge-
auülten Gemüther. Nicht nur politische Tendenz- und Gelegenheitsstücke, nicht
"ur die patriotischen Gesänge kamen jetzt auf, von denen verschiedne Theater,
besonders das ?neMr<z ?s.vÄrt und das der Rue Feydecm jetzt allabendlich er¬
tönten, sondern auch das Vaudeville und die Farce gewannen neue Formen,
und als sich die Republik und das aus ihr sich entwickelnde Kaiserthum für
°as akademisch-classische Drama erklärt hatten, und die conventionelle Tragödie
"und noch zur officiellen geworden war, rief der von den kleinen Theatern aus¬
gehende Versuch, dieser letztern eine volksthümliche Tragödie gegenüberzustellen,
"und „och das Melodrama ins Leben, welches zunächst seine Kraft hauptsächlich
uns dem demokratischen Geiste der Revolution zog und seine Wirkungen in den
'"^glichst grellen Gegensätzen der Tugend und des Lasters, des Rührender und
des schreckenerregenden suchte.

Eine Zeit mit solchen außerkünstlerischen Tendenzen und Speculationen
^unde für die Shakespearische Dichtung, die ja überhaupt bisher ihrem eigen-



*) Vergleiche den Vorläufer zu diesem Aufsatz in Ur. 34 des vorinen Quartals.
Grenzboten IV. 1881. 2
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[0015] Shakespeare in Frankreich. setzgebung abschafft oder abändert, welche die Jrredenta zu dulden zwingt. Wohl aber kann man österreichischer- und deutscherseits eine unumwundene Erklärung fordern, daß die italienische Regierung mit den Wünschen und Absichten dieser Partei nicht übereinstimme, daß sie dieselben vielmehr als mit den Anforderungen getreuer Nachbarschaft und mit den Regeln des Völkerrechts in schreienden Widerspruche stehend, als unmoralisch und zugleich unpraktisch und gefährlich mißbillige lind verdamme, und daß sie jedem Versuche, sie zu verwirklichen, energisch entgegentreten werde. Eine solche Lossagung würde Italien nicht zur Schande, sondern zum Lobe gereichen, sie würde die Würde Italiens vor Europa nicht herabsetzen sondern erhöhen. Shakespeare in Frankreich/) von Robert prölsz. ehr als die Revolution selbst, wirkte die von ihr decretirte Theater¬ freiheit auf die Umgestaltung des Theaters und Dramas in Frank¬ reich ein. Die Concurrenz der zahlreichen neuen Unternehmungen dieser Art mußte auch verschiedne neue Formen des Dramas hervor¬ rufen. Die Theater speculirten dabei theils auf die politischen Leidenschaften und den Parteigeist, von dem sie Wohl auch selber ergriffen wurden, theils auf das Erholungsbedürfuiß der von den Schrecken der Wirklichkeit ge- auülten Gemüther. Nicht nur politische Tendenz- und Gelegenheitsstücke, nicht "ur die patriotischen Gesänge kamen jetzt auf, von denen verschiedne Theater, besonders das ?neMr<z ?s.vÄrt und das der Rue Feydecm jetzt allabendlich er¬ tönten, sondern auch das Vaudeville und die Farce gewannen neue Formen, und als sich die Republik und das aus ihr sich entwickelnde Kaiserthum für °as akademisch-classische Drama erklärt hatten, und die conventionelle Tragödie "und noch zur officiellen geworden war, rief der von den kleinen Theatern aus¬ gehende Versuch, dieser letztern eine volksthümliche Tragödie gegenüberzustellen, "und „och das Melodrama ins Leben, welches zunächst seine Kraft hauptsächlich uns dem demokratischen Geiste der Revolution zog und seine Wirkungen in den '"^glichst grellen Gegensätzen der Tugend und des Lasters, des Rührender und des schreckenerregenden suchte. Eine Zeit mit solchen außerkünstlerischen Tendenzen und Speculationen ^unde für die Shakespearische Dichtung, die ja überhaupt bisher ihrem eigen- *) Vergleiche den Vorläufer zu diesem Aufsatz in Ur. 34 des vorinen Quartals. Grenzboten IV. 1881. 2

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 40, 1881, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341833_157970/15>, abgerufen am 28.04.2024.